Die besten Metzger Deutschlands 2023
Frische Rosmarin- und Thymianzweige schmücken die Auslage in der Fleischtheke, an der Pop-up-Grillstation vor der Tür reicht Daniel Danial, der neu eingestellte Küchenchef, der schon im „Grill Royal“ war, Burger mit Hausmacher-Pulled-Goose, gezupfter Gans, und grob gewolfter Ochsenbacke. Jens-Uwe Bünger, Berlins bekanntester Metzger, hat während Krise und Lockdown noch einmal zugelegt. Ebenfalls neu im Team ist Dina Kumm, Ex-Bankett-Leiterin im Regent Berlin und Büngers neue energiegeladene rechte Hand. „Die Hotels waren zu, wir Mitarbeiter alleingelassen, ich wollte da raus – was Handfestes machen!“, sagt sie. Der Zuspruch von Team und Kunden in der Metzgerei schließlich habe „so unendlich gut getan“. Im Team wurde auch gemetzgert, gebrainstormed. Stolz ist man auf die größte und kreativste Bratwurstauswahl in der Stadt, zweiundzwanzig Sorten sind aktuell im Sortiment, darunter „Thai-Chili-Lemon“, „Hanf-Bergamotte“, „Estragon-Sesamöl-Roter-Pfeffer“ oder die klassisch Fränkische, besonders beliebt ist die nagelneue „Köfte-Bratwurst“ aus Rind und mit viel Tomate und Kräutern. Favorit unter den neun Leberwurstsorten ist klar die Pfälzer. Weitere Spezialitäten sind westfälische Salami, Rosmarinschinken, die frische Weißwurst (jeden Donnerstag) sowie Kasseler- und Römerbraten direkt aus dem Ofen. Verarbeitet wird ausschließlich Neuland-Fleisch, zusätzlich reifen lässt man T-Bone, Tomahawk, Flanksteak oder Hohe Rippe. Und Gutes von Bünger schon fertig zubereitet gibt es seit Kurzem bei „Frau Bünger macht Mittag“ (Niebuhrstr. 1), dem neuen Mittagslokal von Ehefrau Mirella.
Vor der Tür steht ein frisch gefüllter Wassernapf für Hunde, und schon beim Eintreten beeindrucken die bunten Jugendstilkacheln mit Mohnblumen- und Seerosenmotiven. Berlins schönste und letzte original erhaltene historische Metzgerei, die einst Metzgerlegende Jürgen Bachhuber gehörte, war 1989 aber auch die erste in Berlin, die auf Qualitätsfleisch mit Siegel umstieg. Berliner Originale sind auch die Verkäuferinnen hinter der Theke; „Wat wir hier am liebsten ham!?“, wiederholt Karin Schönebeck, „also icke Grillspieße, Paprikasalami, Stracke – die andern ihr'n Feierabend!“ Alle lachen, ein Kunde bekommt ein Stückchen Gelbwurst mit frischer Petersilie zum Probieren. Stolz ist man auch auf Kalbslyoner, Kalbswiener, Mortadella, Mettwurst, Leberkäse, kreative Bratwürste, die Merguez aus Rind und Lamm, Rheinischen Kartoffelsalat sowie die Wildpasteten zur Weihnachtszeit. Gelungen ist Sai Ua, ein saftiger, würziger, nach nordthailändischem Streetfood-Vorbild neu kreierter Bratwurstekringel mit Lauchzwiebeln, Limettenblättern, Chili, Kurkuma, Bacon, Koriander und Kokosblütenzucker. Vier weitere Standorte in Berlin, in Schöneberg, Lichterfelde, Zehlendorf und Steglitz. Engagierte Chefin ist heute Gabriela Klapproth, Jürgen Bachhubers Witwe, produzieren lässt sie in der Filiale im brandenburgischen Borgsdorf an der Berliner Stadtgrenze.
„The Speck is back“ und „Fett ist geil“ steht auf Aufklebern und an der Theke, Foodies mit Basecap und Berlin-Besucher stehen Schlange. 2015 war Eröffnung von Fleischermeister Jörg Försteras gläserner Metzgerei in Kreuzbergs berühmter Markthalle Neun. Im Angebot Frischfleisch und Gereiftes von Hohenloher Rind, Weidelamm, Schwäbisch-Hällischem Schwein aus der Eichelmast. Renner sind die Bratwürste, wie würzige Merguez, aromatische Salsiccia, die grobe Bratwurst mit Cheddar und Bacon; mittlerweile rund neuzig Sorten umfasst das Repertoire, acht davon werden täglich frisch gemacht. Es gibt auch Wild, Chorizo, Schwarzwälder Schinken, Pancetta. Bei Beschilderung und Beratung (Verkäufer Schrödi: „Schon mal ’ne richtige Metzgerei von Innen gesehen!?“) dürfte ruhig noch zugelegt werden. Und trotzdem: Kaum jemand hat die letzten Jahre für Ansehen und Zukunft traditioneller Metzger mehr getan, als Jörg Förstera samt Team. Neueste Herausforderung sei es, sagt er, den Wunsch nach weniger Fleisch ernst zu nehmen. Mit Gemüsen, Linsen, fleischreduzierter Wurst wurde experimentiert (Förstera: „Gefriergetrocknete Erbsen bringen zusätzlichen Crunch!“). Künftiges Highlight im Sortiment soll die „51% Wildwurst“ aus Brandenburger Wildschwein und gelben sowie grünen Brandenburger Erbsen sein. Im Oktober, bei der „Berlin Food Night“, dem Eröffnungsabend der „Berlin Food Week 2022“ mit dem Motto „Ernährung der Zukunft“ wird die Wurst vorgestellt. Kurz vor der Eröffnung stand bei Andruck in der Halle der neue, erweiterte Verkaufs- und Essbereich mit erweitertem Bratwurst- und Burger-Angebot.
2004 wurde Fleischermeister Marcus Benser von der normannischen „Confrérie des Chevaliers du Goûte Boudin“ zum „Ritter der Blutwurst“ geschlagenen, ein Titel den auch Paul Bocuse trug. Mit seiner längst kultigen „100 g Blutwurst“ eroberte er im Sturmschritt Berlins Szenerestaurants. Auf dem Boden geblieben ist seine Fleischerei im fast dörflichen Neuköllner Rixdorf. Petra und Dagmar, zwei Urberliner Thekenfrauen wie aus dem Bilderbuch, beraten und bedienen vor weiß gekachelten Wänden und Wurstgirlanden. Elf weitere Blutwurstsorten sind im Angebot wie Speckwurst mit schneeweißen Bauchspeckwürfeln, Zungenblutwurst oder die geniale süßlich-erdige Grützwurst mit Gerstengrütze und Rosinen. Tiere und Fleisch kommen von Höfen aus der Region, die man schon ewig kennt. Ebenfalls exzellent sind Bauerngeselchtes aus dem Buchenrauch, Schweinskopfsülze, luftgetrocknete Salami mit Fenchelsamen. Neuster Renner ist die saftige, fettarme, tieflilafarbene Rotkohlbratwurst. „Da war vom Einkauf für’n Mittagstisch noch en janzer Kohlkopf übrig“, sagt Karsten Janke, der Fleischergeselle vor Ort. Der Lehrling sei dann auf die Idee mit der Bratwurst gekommen. Neu ist auch die gemütliche Essecke im Laden. Das Ölgemälde mit Stierkopf an der Wand dagegen ist über hundert Jahre alt und ein Erbstück von Bensers Urgroßvater, der Metzger in Thüringen war.
Seit 1959 sorgt Neuköllns engagierte Metzgerfamilie Kluge für Qualität, schon früh wurde auf Fleisch mit „Neuland“-Siegel umgestellt, das „Kluge e-Mobil“, das Firmenfahrzeug, läuft nachhaltig mit Strom. Biowurst und -Pattys werden damit an Kitas und angesagte Burgerläden ausgeliefert. 2020 dann, mitten im Lockdown, schrieb Kluge Schlagzeilen: Die Fleischerei im wuseligen Kiez am Rathaus wurde Ziel eines Brandanschlags, brannte ab, Zukunft ungewiss! „Das Wunderbare war die Hilfsbereitschaft“, sagt Thekenfrau Miriam, die seit sieben Jahren mit dabei ist; Nachbarn retteten Maschinen, Fleisch, die Medien riefen zu Spenden auf, der Bürgermeister kam. Jetzt wurde an alter Stelle neu eröffnet, der Verkaufsbereich ist nur halb so groß, sämtliche Spezialitäten seien aber wieder da, sagt Miriam, etwa mit Lorbeer marinierter Kochschinken, Rohpolnische aus grob gewolfter Schweineschulter, Berliner Blutwurst im Fettdarm, Bratwurst mit Majoran, Rinderknacker, auf der Schwarte gebackener Prager Schinken, die Sülzwurst im Presssack, und auch unser absoluter Favorit: Die sanft säuerlich-spritzige, knackige und dabei angenehm leichte Schinkenkümmelsülze aus saftigen aromatischen Kochschinkenwürfeln, „Zum Einfach-so-Wegnaschen“, meint Miriam. Auch Biogeflügel, Weihnachtsgänse. Filiale in Wilmersdorf (Rüdesheimer Straße 3). Marktstand auf dem Wochenmarkt „Onkel Toms Hütte“ in Zehlendorf (Do) und in Kreuzberg an Maybachufer (Fr) und Südstern (Sa).