Asiatische Rezepte von Tim Raue
Asiatische Rezepte von Tim Raue
Neues Jahr, neue Aromen: Der Berliner Spitzenkoch Tim Raue stellt 2019 jeden Monat ein Lieblingsrezept aus Asien vor – und erzählt dazu von einem persönlichen kulinarischen Erlebnis, mit dem er das Gericht verbindet. In der ersten Folge lesen Sie, wie er in Bangkok auf den Geschmack des perfekten roten Currys kam.
Herr Raue, Sie waren schon oft in Asien... Moment mal: wie oft eigentlich?
Mehr als hundertmal seit 2004.
Und unter den vielen Länderküchen, welche mögen Sie am liebsten?
Die thailändische, allein wegen der starken Aromatik. Es ist eine eher einfache Küche, nicht komplex, sehr pragmatisch, was den Vorteil hat, dass dafür der Geschmack sehr präsent ist. Frucht, Süße, Schärfe, Säure – alles da!
Ist das auch die Küche, die Ihren Stil am meisten geprägt hat?
Nein, das war und ist die chinesische Küche mit ihren uralten Techniken. Was die Franzosen uns vor 60 bis 70 Jahren als Innovation verkaufen wollten, haben die Chinesen schon vor Tausenden von Jahren gemacht. Meine Aromenwelten sind zwar von Thailand inspiriert, aber meine technische Basis ist China.
Bei Ihren zwölf Rezepten, die wir 2019 präsentieren, kommt Japan nur einmal vor, obwohl es doch als Hochburg der Feinschmecker weltweit gilt.
Ich habe großen Respekt vor der japanischen Küche, bewundere vor allem den präzisen Umgang mit Fisch und Meeresfrüchten, bin aber dennoch kein großer Fan. Das Zeremonielle liegt mir nicht, auch die Nähe zum puren, unverfälschten Geschmack eines Produkts ist nicht meins. Die japanische Hochküche definiert sich zu 90 Prozent durch das Grundprodukt, wenn man aber nicht exakt das Produkt hat, klappt das Gericht nicht. Das schränkt mich zu sehr ein.
Wie sehr ärgert es Sie, dass hier immer noch pauschal von „der“ asiatischen Küche gesprochen wird?
Der geneigte Genussmensch kann heute sehr wohl zwischen den Küchen der großen asiatischen Länder wie Japan, Thailand und Korea unterscheiden und weiß auch um die chinesischen Regionalküchen wie Sichuan und Kantonesisch. Ähnlich wie bei der mediterranen Küche, die ja auch in den jeweiligen Ländern sehr eigenständig ist, wird halt gern pauschalisiert ...
Wie kamen Sie als junger Berliner Koch überhaupt auf das Thema Asien?
Früher habe ich so ein Kuddelmuddel gekocht, von Französisch bis spanische Avantgarde. Der asiatische Blitz hat mich 2004 im Restaurant „Jade“ in Singapur getroffen, wo Sam Leong gekocht hat. Ob Foie gras mit Scheiben von der Peking-Ente oder Tempura-Kabeljau mit Mangosalat – es war wie eine Welle, die dich am Strand überrollt. Ich dachte, ich bin auf einem anderen Planeten, nie zuvor hatte mich ein Essen in einem Spitzenrestaurant derart berührt. Ich habe mir einen Koffer besorgt und alle Kochbücher auf Englisch gekauft, die ich bekommen konnte.
Und Sie haben dann in Berlin alles gleich umgesetzt?
Eher im stillen Kämmerlein. Bis etwa 2006 habe ich noch „normal“ weitergekocht, ehe ich das Rückgrat hatte, an die Öffentlichkeit zu gehen. Am Anfang habe ich gar nicht an mich geglaubt, aber Sam Leong hat mich gedanklich immer begleitet, jeden Tag hatte ich seine Gerichte im Kopf.
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Was haben die asiatischen Köche uns voraus?
Die Frische ist das Wichtigste, bei uns wird vieles zu lange gekocht und geschmort. Bei uns geht es in erster Linie um Sättigung und um das Fleisch. In Asien ist Essen ein geselliges Ereignis, es geht darum, zusammenzusitzen, die Mahlzeit zu teilen. Essen hat auch die Funktion, Energie zu geben, nicht zu rauben. Ich ernähre mich inzwischen zwei Tage die Woche vegan und fühle mich dabei viel wacher und leistungsfähiger.
Welche asiatischen Ideen können wir unkompliziert in unseren kulinarischen Alltag integrieren?
Etwa die Idee der Chinesen, dass man entweder Fleisch oder Gemüse isst, beides aber nicht mischt. So konzentriert man sich auf ein Element. Auch beim Würzen sind uns die Asiaten weit voraus. Man erreicht schon viel, wenn man Spargelsalat mit etwas Zitronengras und einem Spritzer Limettensaft aromatisiert oder ins Spargelwasser gibt. Schon hat man weiße und rosa Blüten am Gaumen, das Gericht wirkt leichter und feiner. Fleisch wird in Asien meistens am Knochen gegart, weil es so saftiger bleibt. Die japanische Küche hat bei mir auch viel bewirkt, was Schnitttechniken betrifft. Das kann man selbst zu Hause ausprobieren, indem man eine Karotte in Scheiben, in Streifen und in Würfel schneidet – und jeweils verblüffend unterschiedliche Nuancen erzielt: Die Scheiben schmecken süßlich, die Stifte säuerlich, die Würfel sehr süß.
Wie sehr hat die intensive Beschäftigung mit Asien Sie persönlich verändert?
Massiv, die Kultur und der menschliche Umgang sind ja in diesen Ländern ganz anders. Ich habe mich mit dem Buddhismus und Yoga auseinandergesetzt. Früher war ich unerträglich in der Küche, habe gedacht, ich könnte mit Rumschreien und Bösartigkeiten meine Herrschaft am Herd zementieren. In Asien tut man das nicht, weil man dann sein Gesicht verliert. Ich habe mich als Koch und Mensch verändert, und dafür bin ich sehr dankbar.
Würden Sie auch gern dort leben und kochen?
Das kommt für mich nicht in Frage, aber ich muss einmal im Jahr drüben sein, sonst verwestliche ich zu sehr.
Essen Sie privat am liebsten auch asiatisch?
Mein Highlight ist, wenn ich bei einem meiner Berliner Lieblingschinesen – „Good Friends“ oder „Tian Fu“ – spätabends noch etwas Frittiertes bekomme. Im Kühlschrank zu Hause habe ich nichts, ich habe kein Interesse daran, zu Hause zu kochen. Da reicht mir ein Glas sehr guter Rotwein.
Was braucht man, um gut asiatisch zu kochen?
Man braucht die richtigen Zutaten und passendes Handwerkszeug; das kann man alles online bestellen, wenn man keinen Asienladen vor Ort hat. Nur so kann man den optimalen Geschmack erzielen. Die kulinarische Weltreise, die wir ab jetzt hier im Magazin antreten, soll den Lesern neue Eindrücke und Verbindungen am Gaumen erschließen. Ich möchte zeigen, wie es in den Ländern schmeckt – anhand meiner Lieblingsrezepte.