Jörg Hündorf: Dr. Senf
in großer Vielfalt – von süß bis pikant.

Geben wir’s zu: Senf mögen wir alle gern, besonders zu gegrilltem Fleisch, aber was genau in ihm steckt und wo in puncto Qualität die Unterschiede liegen, wissen wir kaum. Dabei ist ein richtig guter Senf viel mehr als ein simpler Scharfmacher – aus besten Zutaten hergestellt und sorgsam komponiert, erreicht er nahezu die Qualität einer guten Sauce. Wie etwa „Herrensenf“ der Manufaktur Georgsenf aus Halle: Mit feinkörniger Konsistenz schmeckt er süßlich und fein-säuerlich, mit angenehmer, ganz eigener Schärfe im Abschluss – nicht Pfeffer, nicht Chili, Senf! So lohnt sich ein Besuch bei Jörg Hündorf, Chef der Senfmühle Georgsenf, in Halles Georgstraße – nomen est omen. Hündorf ist ein versierter Kenner der Materie. Der Schlaks mit kinnlangem Haarschopf und weißem Kittel wirkt auf den ersten Blick wie ein Arzt oder Physiotherapeut. Stimmt zwar nicht, ist aber auch nicht ganz falsch – immerhin kann der Senfmacher Ratschläge zu Ernährung und guten Lebensmitteln geben. Und die Ver- kostung seiner sieben Produkte könnte man auch eine Aromatherapie nennen. Mit dem Schwerpunkt: Schärfe.

„Senf machen, das ist für mich tüfteln“, sagt Hündorf, 65, der ursprünglich Orgel- bau gelernt hat und noch immer als Hobby Keyboard in einer Rockband spielt. Nach der Wende schulte er um und lernte Koch an einer Berufsschule, seit 2014 produziert er den Georgsenf. „Der Geschmack hängt einerseits von den Zutaten ab, andererseits von den Mühlsteinen. Je feiner ich mahle, desto schärfer schmeckt das Ergebnis.“ Größter Unterschied zwischen dem ein- fachen Industrieprodukt aus dem Super- markt und Georgsenf ist die grundlegende Senfsaat: Hündorf verwendet ausschließlich Saaten aus Thüringen (Mittelsömmern), und zwar hauptsächlich den hochwertigen Schwarzen Senf, gern mischt er auch den besonders nussigen Sareptasenf dazu. Nur zu einem kleinen Teil gibt er den einfachen Gelben Senf, der sonst meist aus Osteuropa importiert wird, in die Grund- masse. „Der Gelbe Senf ist gefälliger als der Schwarze, billiger und weniger scharf.“
Senfmüller-Handwerk mit einer halben Tonne Druck
Und dann sind da die Mühlsteine in der kleinen Werkstatt auf dem Hof, neben dem Metzgerbetrieb des Bruders Hubert. Begonnen hat Hündorf mit Basaltstein aus der Eifel, jetzt hat er es zu einer Granitsteinmühle aus Thüringen gebracht, Wert etwa 15 000 Euro. Die geradezu beängstigend massive Steinscheibe (eine halbe Tonne Gewicht) dreht horizontal die Senfkörnchen zu feinem Mehl. Dazu mischt Hündorf Wasser, Salz, Essig und je nach Geschmackscharakter Weißwein (beim scharfen „Herrensenf“) oder Apfelsaft (beim eher lieblichen „Apfeltraum“). In etlichen Arbeitsschritten wird gemahlen, gemischt, wieder gemahlen, bis eine schön sämige, glatte Masse mit sehr feinen Körnern entstanden ist. Alles handmade im Ein-Mann-Betrieb, der einzige Mitarbeiter hilft beim Abfüllen und Bekleben der Gläser. Erst zugesetzte Flüssigkeiten wie Wasser bewirken übrigens die Schärfe, denn sie schließen das Allylsenföl auf. „Es fasziniert mich noch immer, wie binnen zehn Minuten Schärfe entsteht!“
Mit seinem Senf (fünf Tonnen jährlich), der im Feinkosthandel erworben oder online bestellt werden kann, ist Hündorf zufrieden, aber er würde auch gern Neues wagen: einen reinen Sareptasenf zum Beispiel. Der wäre sehr scharf, aber auch schön nussig. „Ich vergleiche ihn mit Vollkornbrot“, sagt Hündorf, „er wirkt gesund, gilt sogar als vorbeugend gegen Krebs. Senf ist spannend, da steckt noch so viel Musik drin!“