Stephan Hentschel im Porträt: Fleischlose Spitzenküche

Stephan Hentschel im Porträt: Fleischlose Spitzenküche

Dass Berlin die inoffizielle Hauptstadt der Vegetarier ist, verdankt die Metropole unter anderem Stephan Hentschel. Er kochte 15 Jahre im Cookies Cream – Deutschlands bestem Gourmetrestaurant, wenn es um Gemüse geht. Alles über Stephan Hentschels fleischlose Spitzenküche jenseits sämtlicher Klischees und voller Geschmack.
Datum17.07.2023

Stephan Hentschel: 15 Jahre Cookies Cream

Seit der Eröffnung des Cookies Cream in Berlin war Stephan Hentschel für die vegetarische Küche des mit einem Stern ausgezeichneten Restaurants verantwortlich. Nach 15 Jahren hat sich der Küchenchef entschieden, neue Wege einzuschlagen und sich eigenen Projekten zu widmen. Seine Erfolgsgeschichte mit dem Cookies Cream aber bleibt in Stein gemeißelt. 

Von Anfang an dabei: Stephan Hentschel im Cookies Cream

2007 eröffnete der Gastronom Heinz Gindullis, besser bekannt als Cookie, das Cookies Cream und stellte den Koch Stephan Hentschel dafür ein. "Er sagte zu mir, dass es ein rein vegetarisches Restaurant sein soll, in dem Tofu, Reis und Pasta Nebensache sein sollen." Stephan Hentschel nahm die Herausforderung an und kochte seither seine eigene Version von vegetarischer Küche, die sich – ähnlich wie die Location selbst – vor allem als ungewöhnlich beschreiben lässt. 

Küchenchef Stephan Hentschel, der früher unter dem Namen DJ Headchef aufgelegt hat, fühlte sich im Cookies Cream von Anfang an sichtlich wohl. Was unter anderem daran gelegen haben könnte, dass das fleischlose Spitzenrestaurant früher mal ein Nachtclub gewesen war. Noch heute säumen rote Polsterbänke die weißen, hohen Wände, an der rohen Betondecke winden sich Lüftungsrohre entlang, als Reminiszenz an das Nachtleben hängen vereinzelt Discokugeln herab. 

Wie geht es jetzt, nach dem Weggang von Stephan Hentschel, mit dem Cookies Cream in Berlin weiter? Das erfahren Sie hier.

Steckbrief Stephan Hentschel

Name: Stephan Hentschel

Alter: geboren 1981

Stationen: Der gebürtige Sachse (Riesa) hatte durch ein Hotelpraktikum ersten Kontakt zur Gastronomie. Die Atmosphäre gefiel ihm so gut, dass er darauf eine Lehre im Gasthaus zur Post in Ladbergen machte. Hier wurde seine Liebe zum Kochberuf entfacht. Seit 2001 ist Hentschel in Berlin, kochte als letzte Station vor dem Cookies Cream im Facil bei Michael Kempf, wo er moderne, französische Spitzenküche kennen und lieben lernte. 2023 verlässt Stephan Hentschel nach 15 Jahren das Cookies Cream, um sich neuen Projekten zu widmen. 

Privat: Stephan Hentschel liebt es zu reisen, saugt alles auf und nimmt vieles davon mit in seine Küche. Neben Japan bereist er mit seiner Frau, Consuelo Rocha-Dietz, die Halbbolivianerin ist, auch gerne deren Heimat.

Was macht Stephan Hentschels Küche aus?

Stephan Hentschel kochte im Cookies Cream vegetarisch, noch bevor fleischlose Küche allgegenwärtig wurde. In Spitzenrestaurants waren reine Gemüsegerichte selten zu finden. Wenn, dann wurde Fleisch durch Tofu ersetzt und Gemüse als Beilage serviert. Dass sich das grundlegend geändert hat, daran hat Stephan Hentschel seinen Anteil. Bei ihm stand Gemüse schon immer im Mittelpunkt und wurde auch so behandelt: gegrillt, im Salzteig gegart oder fermentiert. Damals eine völlig neue Herangehensweise.

Neues wagen, weiterdenken und vegetarisch so zu kochen, dass jeder Gast glücklich wird – das ist Stephan Hentschel wichtig. "Ich selbst bin kein Vegetarier und koche so, dass ich zufrieden und ohne etwas zu vermissen aus dem Restaurant gehen würde."

Stephan Hentschels Rezepte: japanisch und französisch inspiriert 

Sein Gemüse bezog Stephan Hentschel in seiner Zeit als Küchenchef im Cookies Cream hauptsächlich von zwei Landwirten aus der Region, mit denen er eng zusammenarbeitete und die für ihn auch mal Experimente wagten. Shisosamen, die Hentschel von einem Japanurlaub mitbrachte, säte einer der Bauern für ihn aus. "Die Ernte war so ertragreich, dass wir einen Großteil der Blätter in Sojasauce einlegten. Die Aromen passen perfekt zu Roter Bete." 

Stephan Hentschels Gerichte trugen die vergangenen 15 Jahre eine japanisch-französische Handschrift – gut zu schmecken am Kohlrabi, in Trüffel-Teriyaki-Saft geschmort und mit einem Kartoffelcannellono und Blumenkohlpüree serviert. Der reduzierte Schmorfond erinnert an eine kräftige Jus, optisch könnte der Kohlrabi auch ein Stück Filet sein. Vollmundig vereinen sich die Komponenten, das Püree mildert die Wucht der Sauce und macht Lust auf den nächsten Bissen, die Füllung des Cannellonis gibt Textur. Es fehlt an nichts.

Süßdolden-Sorbet, Kohlrabi im Trüffel und Salatherz von Stephan Hentschel. 

Wie entstehen Stephan Hentschels vegetarische Spitzengerichte?

Als Küchenchef im Cookies Cream arbeitete Stephan Hentschel nicht allein an seinen fleischlosen Kreationen. Sein Team hatte an seinen Rezepten großen Anteil. Ihre Ideen, ihre Expertise, all das floss bei der Entwicklung der Gerichte mit ein. Ideenaustausch ist für Stephan Hentschel jederzeit erwünscht. Ebenso wie Experimentierfreude.  

Die zeigte sich unter anderem an Stephan Hentschels Blumenkohl mit Vadouvan-Gewürz: Scheiben von geröstetem Kohl mit einer Creme aus schwarzem Knoblauch, Portweinschalotten und – ja – Bananen bestrichen. Was sich liest wie eine Idee zu viel, ist auf dem Teller derart passend, dass sich das Hinterfragen erübrigt. Dazu eine Sauce aus Sellerie mit leichter Säure vom Apfel und Szechuanpfefferöl, die den nötigen Kontrast bietet. Ein leichtes Bitzeln bleibt auf der Zunge. "Durch meinen letzten Bolivienaufenthalt, wo viel mit Kochbananen gearbeitet wird, bin ich auf die Banane gekommen. War aber eine gute Idee."

Was ist Stephan Hentschels Erfolgsrezept?

Die Inspiration für seine Gerichte zieht Stephan Hentschel vor allem aus Reisen und dem Gemüse selbst. "Allein die Vielfalt von Pflanzen bietet so viele Möglichkeiten, da gibt’s noch viel zu entdecken." Genauso wie auf seinen Reisen. Zweimal pro Jahr ist er in Japan und häufig in Bolivien. Zudem kocht der Spitzenkoch oft in anderen Küchen, etwa in London, Cannes oder auf Ibiza. Seine Expertise für vegetarische Küche, die nicht dem entspricht, was viele erwarten, ist sehr gefragt.

Darin liegt auch der Erfolg Stephan Hentschels, der als Nicht-Vegetarier abseits von Klischees kocht und dabei Gemüse eine Wertschätzung gibt, die in Deutschland so selten zu finden ist. Durch den ersten Stern 2017 wurde Hentschel, der bewusst auf Instagram und Facebook verzichtet, einem breiteren Publikum bekannt. Doch er bleibt lieber im Hintergrund und lässt seine Küche für sich sprechen – und die wird auch in Zukunft viel zu erzählen haben. 

Stephan Hentschel über sein neues Buch

Tipps von Stephan Hentschel

Sasaya

OT Prenzlauer Berg, Lychenerstr. 50
10437 Berlin
Tel. 030-44 71 77 21
www.sasaya-berlin.de
Do-Mo mittags und abends geöffnet
„Das Sasaya ist für mich seit 20 Jahren mein zweites Wohnzimmer, pure Entspannung bei bestem Sushi und hervorragenden Suppen.“

Prater Biergarten

OT Prenzlauer Berg, Kastanienallee 7-9
10435 Berlin
Tel. 030-448 56 88
www.prater-biergarten.de 
Bei schönem Wetter: Mo-Fr ab 16 Uhr, Sa, So ab 12 Uhr geöffnet
„Der beste Ort, um entspannt ein Bier zu trinken.“

Du Bonheur 

OT Mitte, Brunnenstr. 39
10115 Berlin
Tel. 030-56 59 19 55
www.dubonheur.de
Mi-Fr 8-19 Uhr, Sa, So 9-18 Uhr
„Für mich ist das die beste Patisserie Berlins. Punkt.“

Cookies Cream
R Q F V

Konzept: Neue Raffinesse im Kultlokal mit vegetarischer und veganer Küche, in dem man sich nach sechzehn Jahren von Gemüseküche-Pionier Stephan Hentschel getrennt hat. Serviert wird ein Menü mit 5 bis 7 Gängen. Fünf Klassiker von Hentschel wie Onsenei (€ 19) oder Parmesanknödel (€ 29) können dazubestellt werden.
Küche: Völlig neu, moderner, ausgefeilter, sind die Kreationen von Nachfolger Nicholas Hahn (zuvor im „Griggeler Stuba“ in Lech am Arlberg), Ceviche aus kunstvoll gehobelter, in heißem Reisessig-Sud gegarter Kartoffel etwa kombiniert er mit spritziger Leche de Tigre aus Tomatenwasser, Chili, Limette und Ingwer, Variationen von geschmorter Paprika, Jalapeño und Kapern werden zum Aromenfeuerwerk.
Wein: Der Fokus liegt auf Europas führende Produzenten von Natur- und Bioweinen. Klassische und gereifte Weine kommen bei der „Sommelier-Begleitung“ auf den Tisch.
Atmosphäre: Rohe Betonwände, Discokugel und in Weiß eingedeckte Tische vereinen mondänes Nachwende-Feeling und Fine Dining – hier tickt Berlin!
Fazit: Professionelle Gastlichkeit in coolem Ambiente, bei der die Küche im Mittelpunkt steht.

Behrenstr. 55, 10117 Berlin
+49 (0) 30 680730448
www.cookiescream.com
Mo 0-0 Uhr, Di-Sa 17-23 Uhr
Menüs € 99 - 125

Die FEINSCHMECKER-Bewertungskriterien

In jeder Hinsicht perfekt
Küche und Service herausragend, Ambiente und Komfort außergewöhnlich
Exzellente Küche, sehr guter Service, Komfort und Ambiente bemerkenswert
Sehr gute Küche, guter Service, angenehmes Ambiente, komfortabel
Gute Küche, ansprechendes Ambiente
Solide Küche, sympathisches Lokal
Bewertung ausgesetzt
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