Südtirol Restaurant-Tipp: Stephan Zippl kocht im „1908“

Stephan Zippl: Radikal regionale Küche

Stephan Zippls Herd steht in 1200 Meter Höhe im Südtiroler Oberbozen. Nach Wanderjahren durch Italien kocht er im kleinen Gourmetrestaurant „1908“ radikal regional – dabei so aufregend, dass man hier keine einzige weit gereiste Zutat vermisst.
Text Madeleine Jakits
Datum09.05.2025
Von Oberbozen hat man eine herrliche Aussicht auf die Dolomiten, hier auf das „Rosengarten“-Massiv.

Das Parkhotel Holzner liegt auf 1200 Meter Höhe in Oberbozen auf dem Rittner Hochplateau in Südtirol. Um dieses Juwel des alpinen Jugendstils und vor allem die radikal regionale Küche von Stephan Zippl zu erleben, muss man kein Auto hier hochkurven – und nicht aufs zweite Glas Wein verzichten. Die Seilbahn hält gleich neben dem Hotel und fährt bis 22.45 Uhr wieder hinunter nach Bozen. Zippl ist seit 2016 Küchenchef des kleinen Gourmetrestaurants „1908“ und auch zuständig für die Halbpensionsküche des Hauses. Er war einige Jahre unterwegs, aber dies ist seine Heimat, auf dem Ritten wurde er geboren.

War es Sehnsucht, warum er zurückkehrte?

Joghurtmousse mit Apfelconfit, Bratapfelgel, Apfel-Petersilien-Sauce, Tüpfelfarn-Stickstoff-Kuppel, Mürbeteigkeks, Süßholzstaub und Petersiliensprossen.

Aus seiner Sicht war Zippl nie ganz weg. „Man hat mich eigentlich nicht gehen lassen“, sagt er. Heißt: Das junge Talent wurde immer an Kollegen im Lande weiterempfohlen; bis auf sein Engagement beim Tiroler Simon Taxacher hat Zippl nur in Italien gekocht. Die prägendste Station: die zwei Jahre bei Norbert Niederkofler im „St. Hubertus“ in Sankt Kassian. Zippl lernte ihn als großartigen Organisator und Mentor schätzen. Und Niederkoflers überraschende Kehrtwende von internationaler Luxusküche zu dem regionalen Konzept „Cook the Mountain“ bedeutete eine große Inspiration für ihn. Er nahm sich zum Ziel, diese Idee noch kompromissloser umzusetzen.

Hotelkoch und Gourmetkoch zugleich – schwierig?

Das „1908“ als Ort für die Sommerfrische erbaute Parkhotel Holzner bietet nicht nur exzellente Küche, es hat auch einen stilvollen Wellnessbereich mit Hamam.

„Nein, im Gegenteil“, sagt Zippl. „Die tägliche Arbeit in einem anspruchsvollen Hotel mit Halbpension ist ein ganz wichtiges Training. Da muss ich jeden Tag mittags und abends für Abwechslung sorgen, während unser Menü im ‚1908‘ mit seinen sieben Amuse-Gueules und drei, fünf, sieben oder neun Gängen immer für ein Vierteljahr auf der Karte bleibt.“

Strikt regional: Da hat er sich eine Aufgabe gestellt …

Terlaner Margarete-Spargel - Boznersauce, Bärlauchpesto, Almkäseknusper, Wachtelei, „Erde“ aus Schüttelbrot, Sauermalzpulver und Aktivkohle.

Möglichst nahe an die 100 Prozent Südtirol zu gelangen, sei eine Riesenarbeit, sagt der Koch. Die Eckpfeiler seiner Küche bei der Wahrnehmung am Gaumen sind, so will er es, bei jedem Gericht: süß, säuerlich, pikant, knusprig. Das gilt auch für die Desserts, die er „dolce, ma non dolce“ (süß und doch nicht süß) nennt – wie etwa die Komposition aus Buttermilch, Malzkaffee- Crumble, fermentierter Marille, Majoranöl und -sphären. Dazu eine Spätlese vom Gewürztraminer, die diskrete Süße beisteuert. Selbstverständlich auch aus Südtirol, wie alle Weine der Karte von Maître-Sommelier Markus Schnitzer. Mitten in einem der umliegenden Wälder wähnt man sich bei den Tortelli, gefüllt mit frischen und getrockneten Steinpilzen, dazu Heidelbeercreme, Fichtensprossen-Pesto und eine aufgesprühte Essenz aus dem zarten Fichtengrün.

Signature Dish von Stephan Zippl

Ja, eines: Kutteln! Zippl nennt dieses Gericht „den Angstnehmer“, weil viele zurückschrecken, wenn sie nur das Wort „Kutteln“ hören. In einer eleganten Variante gibt er der Zutat das ganze Jahr über einen Platz im Menü, etwa mit Schaum von Rosmarinkartoffeln, gepuffter Karotte, Zitronen-Salbei-Öl und Shiitakepilz.

Welche Ausnahmen von der Regional-Regel macht Zippl?

Kaffee, Zucker, Salz, Schokolade.

Zitronen, Kapern, Olivenöl – kann er all das ersetzen?

Für die Säure kommen Frucht-Balsamico-Essige ins Spiel, aus Aprikosen, Kirschen, Erdbeeren. Oder die exotischen, sehr sauren Fingerlimetten, die mittlerweile in Bozen gezüchtet werden. Kapern kann man aus Knoblauchknospen machen. Und Öle aus Nüssen, Samen, Trauben- oder Kürbiskernen gibt es in Südtirol in bester Qualität.

Vermisst Stephan Zippl auch mal Zutaten?

Berglamm vom Weidacherhof Klobenstein.

Es sei keine Küche des Verzichts, was er da mache, betont Zippl, sondern die spannende Erforschung des Naheliegenden: Kräuter, Beeren, Früchte, Pilze, Fichtensprossen; die Aromen von rauchendem Buchenholz, frittiertes Kartoffelgrün, die kraftvolle Süße von angerösteter Zwiebel, die einer Jus so viel Tiefgang gebe. Dem Einfachsten, dem Ungewohnten etwas Elegantes und Überraschendes zu entlocken – das sei die Kunst. Stimmt! Man muss bei ihm nur einmal den verblüffenden Kontrast von knusprigen getrockneten und saftigen frischen Pfifferlingen zum gegrillten Rind vom Ritten erleben.

Wer liefert die Produkte?

Es gibt in Südtirol, auf dem Aspinger Hof in Barbian zum Beispiel, eine Riesenauswahl vor Ort gezüchtet von einem „verrückten Teifi“, wie Zippl anerkennend sagt – einem „verrückten Teufel“ also, der von Ingwer bis Mini-Kiwis, von asiatischen Kräutern bis zu Shiitakepilzen hier im Norden Italiens einen phänomenalen Warenkorb bereit hält. Südtirol ist auch eine Region progressiver kulinarischer Startups. Selbst Sojasauce und Garum stellen sie hier her. „Umami-Knaller!“, sagt Zippl, dem solche regionalen Neuzugänge hochwillkommen sind.

Was gibt es auf 1200 Meter Höhe?

Vom Ritten selbst liefern fünf Höfe Fleisch, Gemüse, Pilze, Beeren, kleine Äpfel von Streuobstwiesen. Klar mag Zippl auch frische Jakobsmuscheln. „Aber was kann ein Koch an denen noch verbessern? Ich finde es stimmiger, wenn wir hier keine Hummer und Lachse einfliegen lassen.“ Stattdessen liefern ihm Fischzüchter aus dem Passeiertal nördlich von Meran Saiblinge, Lachsforellen, Renken und Felchen.

Worauf freut sich Stephan Zippl im Frühling?

„Wir starten nach der Winterpause mit einer verschwenderischen Auswahl“, sagt Stephan Zippl. „Alles ist dann neu, frisch, zart: Sprossen, Kräuter, kleine Kopfsalate, winzige Radieschen und Navetten, Löwenzahn, Spinat, Brennnesseln, Spargel, Kartoffeln – und natürlich Lamm.“

Was macht Stephan Zippl als Ausgleich?

Um fünf Uhr aufstehen, laufen oder Rad fahren, um halb neun auf dem Posten sein, ab und zu an einem Marathon oder Biathlon-Wettkampf teilnehmen: Das alles, sagt Zippl, trainiere Ausdauer, Ruhe, Konzentration, Disziplin. „Ich bin mit mir zufrieden, wenn ich ein gutes Rennen gemacht habe. Es muss nicht der Sieg sein.“

Werdegang von Stephan Zippl

Alter: 36. Zippl wird 1988 in Lengstein auf dem Ritten geboren, einem Südtiroler Hochplateau. Er absolviert zunächst eine Ausbildung zum Tischler, fertigt Möbel, Fenster, Türen – und beschließt eines Tages, doch lieber Koch zu werden.

Stationen: Alpin Garden Wellness Resort, St. Ulrich, und Alpina Dolomites Hotel auf der Seiser Alm, beide in Südtirol. Grand Hotel Villa Feltrinelli in Gargnano bei Brescia; Restaurant „Simon Taxacher“ in Kirchberg in Tirol; Restaurant „St. Hubertus” im Hotel Rosa Alpina in Sankt Kassian, Südtirol. 2015 wird Zippl Souschef im „1908“ in Oberbozen, ein Jahr später Küchenchef. 2022 wird dem Restaurant der erste Michelin-Stern verliehen.

Restaurant: Modern-gemütlich, dezent alpin, Raum für 24 Gäste. Die Platzteller aus Holz hat Zippl selbst gefertigt.

Mitarbeiter: Zwei Köche, eine Patissière, ein Servicemitarbeiter sowie Markus Schnitzer, ein gewiefter Maître-Sommelier.

Hobbys: Biathlon, Radrennen, Mountain Biking, Hockey.

Familie: Stephan Zippl und seine Frau Erika haben zwei Kinder.

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