Antonia Klugmann im Porträt: Kochen ist ihre große Liebe

Antonia Klugmann im Porträt: Kochen ist ihre große Liebe

Zunächst studierte sie Jura, aber dann lernte sie die Liebe ihres Lebens kennen: das Kochen. Antonia Klugmann sorgt in ihrem Restaurant "L'Argine a Vencò" im Friaul für feinsinnige Genüsse, die man nicht wieder vergisst – einfach und großartig zugleich.
Text Madeleine Jakits
Datum28.07.2023

Steckbrief: Antonia Klugmann

Name: Antonia Klugmann

Geboren: 1979 in Triest geboren

Stationen: Nach drei Jahren Jurastudium in Mailand bricht sie ab, will Köchin werden. Diverse Praktika, Tellerwäscher-Jobs, schließlich ungelernte Beiköchin in einem kleinen Restaurant. Sechs Jahre selbstständige Gastronomin bei Udine. Ein schwerer Autounfall macht sie für mehr als ein Jahr arbeitsunfähig. Sie beschließt, ihr eigenes Lokal zu gründen, kauft schon mal das Grundstück, schlägt sich dann für diesen Traum jahrelang mit der Bürokratie, der Bank, den Handwerkern herum. Das Geld dafür verdient sie sich als Küchenchefin im "Venissa" auf der Insel Mazzorbo vor Venedig, wo sie ihren ersten Michelin-Stern holt. Seit Ende 2014 steht sie im "L’Argine a Vencò" am eigenen Herd. 2015 erkochte sie sich auch dort den ersten Michelin-Stern.

Restaurant: 22 Plätze. Viel Fensterfläche, zurückhaltend modern, die Wände salbeigrün, die Dielen honigfarben, das Licht abends mild, die Atmosphäre kontemplativ, leiser Jazz im Hintergrund. Große Sommerterrasse. Vier Zimmer bieten die Möglichkeit, hier auch zu übernachten. 

Das Team: Antonias Schwester, Vittoria Klugmann, arbeitet als Restaurantmanagerin im Hintergrund, Gabriele Granà ist der Maître, Roberto Stella der Sommelier. In der Küche sind sie zu siebt.

DER FEINSCHMECKER zeichnet das "L'Argine a Vencò" mit 3,5F aus. Die detaillierte Restaurantbewertung finden Sie am Ende des Artikels.

L'Argine a Vencò
Località Vencò 15, 34070 Dolegna del Collio
+39 35 05 212804
www.largineavenco.it
Mi abends, Do-So mittags und abends geöffnet

Antonia Klugmann: Von der Juristerei in die Küche

"Ich war 22 und vielleicht etwas verrückt, als ich das Jura-Studium hingeschmissen habe. An Fleiß fehlte es mir nicht, aber an Leidenschaft für dieses Fach. Meine Kreativität lag brach, und ich ahnte, dass die Erfüllung meiner Wünsche und Möglichkeiten in der Küche liegen würde. Also war die Devise: alles wagen! Meine Eltern, beide Ärzte, waren nicht begeistert. Ich sage heute: Das Kochen ist meine große Liebe im Leben, sie lässt mich am Morgen glücklich aufwachen."

Wie ist die Küche von Antonia Klugmann?

Die klare Empfehlung im "L'Argine a Vencò": das zehngängige Menü, das einen Streifzug durch den Gemüsegarten vor der Tür und das Friaul verspricht. Keine Angst: Die Portionen passen jeweils auf den Unterteller einer Espressotasse. Jeder Gang ist das Ergebnis akribischer Beschäftigung mit den "Bodenschätzen", seien es unscheinbare, aber interessant schmeckende Wildkräuter, die man am Wegesrand gar nicht wahrnehmen würde, oder Geerntetes aus eigenem Anbau: Während ihrer langen Rekonvaleszenz nach einem Autounfall hat Antonia Klugmann viele Spaziergänge gemacht, gepflückt, probiert, fotografiert und sich mit Eden kulinarischen Möglichkeiten der grünen Küche intensiv beschäftigt.

Eine weitere italienische Spitzenköchin im Porträt: Viviana Varese – von der Pizzabäckerin zur Sterneköchin

Fisch und Fleisch sind auf Klugmanns Bühne eher Nebendarsteller mit gelegentlichen Auftritten. Unsere Highlights: geröstete Pflaume mit Sauerkraut und Kardamom als Auftakt – aufrüttelnd gut! Seeigel mit kandierter Orange, Meeräschenrogen (Bottarga) und fermentiertem schwarzen Knoblauch – ein Gedicht; Linsen, kaltgeräuchert, dadurch geradezu fleischig im Geschmack, dazu eine dunkle, herb-süße Glace aus roten Paprikaschoten, die an BBQ-Aromen erinnert – grandios.

Wie wurde früher bei Antonia Klugmann zu Hause gegessen?

"Niemand in unserer Familie ging in gute Restaurants oder begeisterte sich für anspruchsvolle Küche. Aber es wurde gut gekocht bei uns, mit Lebensfreude und Inspiration. Mein einer Großvater kam aus Apulien, der andere – Klugmann – aus Mitteleuropa, die Großmütter stammten aus Perugia und aus Triest. Ich bin also mit dem Geschmack von ganz Italien vertraut. Und: Sechs Jahrhunderte gehörte Triest ja nicht zu Italien, es gab hier schon lange einen Mix von Kulturen – österreichisch, serbisch, türkisch, ungarisch, jüdisch, und im Hafen von Triest legten Schiffe an mit Waren von überall. Diese Einflüsse haben sich als Schichten gleichberechtigt übereinander gelegt und Triest eine einzigartige, demokratische Küche beschert."

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Nur 22 Plätze im "L'Argine a Vencò": Ein Restaurant der Extraklasse

Das Restaurant "L’Argine a Vencò" liegt in der Gemeinde Dolegna del Collio im Friaul im Nordosten Italiens. Es bietet 22 Gästen Platz, die Atmosphäre (mildes Licht, leiser Jazz) ist entspannt.

"Wir arbeiten hier im familiären Format. Als wir kürzlich den Gastraum erweitert haben, kamen da nicht etwa mehr Tische hinzu, sondern mehr Platz zwischen die vorhandenen. Ich bin stolz darauf, ein kleines Lokal erfolgreich zu betreiben."

Was macht für Antonia Klugmann Kreativität aus?

"Diese Frage versuche ich mir jeden Tag zu beantworten. Ich brauche Herausforderung, Antrieb. Als ich jung war, war meine Vorstellung von Kreativität sehr oberflächlich. Heute strebe ich immer stärker das Authentische an, vor allem das zutiefst Einfache – was aber nicht einfach ist! Ich muss auch nicht mehr um jeden Preis dem Geschmack der Gäste dienen, ihren Applaus suchen. Denn dann bliebe ich ja selbstgefällig da stehen, wo ich schon bin. Wo bleibt dann der Stimulus, mich mit Lust und Intuition weiterzuentwickeln, um noch intensiver, besser, persönlicher zu kochen? Es ist eine intime, aufrichtige Küche, nach der ich suche. In der übrigens auch die Geschichte hinter den Gerichten eine Rolle spielt: Ich beziehe mich heute eigentlich nahezu ausschließlich auf Italiens 'cucina povera': Die Armut hat bei uns schon immer die besten Ideen, die größte kulinarische Kreativität hervorgebracht."

Was ist fundamental für den "Gusto Italiano"?

"Zum Beispiel der  ‘gusto amaro‘, der bittere Geschmack, etwa von Zichorien, von bestimmten Wildkräutern, von Radicchio und vielem mehr. Er ist so fundamental wichtig wie andererseits die frische Säure, etwa von Zitrusfrüchten. Solche Aromen schärfen das Profil der Speisen. Hülsenfrüchte sind seit jeher wichtig, Hartweizen und natürlich immer wieder Tomaten, die man wunderbar für den Vorrat einkochen kann. Und hier im Nordosten vor allem auch die slawischen, nicht zu süßen Paprikafrüchte.“

Was lernt man, wenn man selbst anbaut?

"Zum Beispiel Toleranz: Wildkräuter siedeln spontan und gleichberechtigt neben Kulturpflanzen. Im sehr trockenen Jahr 2022 habe ich außerdem verstanden, dass man nur Pflanzen halten sollte, die nichts benötigen – nicht einmal Bewässerung. Das ist mein Ziel. Der eigene Gemüsegarten ist bis heute im ländlichen Italien noch immer eine wichtige Quelle für frische Lebensmittel."

Rezept für die Tomaten-Füllung von Klugmanns Ravioli

Antonia Klugmanns Grüne Ravioli mit Mangold, grünen Bohnen und Stellaria (Stermiere).

"Sie besteht zu 100 Prozent aus Tomaten, zwei, drei Sorten, schön reif. Im Ganzen vier bis sechs Minuten bei hoher Temperatur im Ofen backen. Dann pürieren, erneut in den Ofen, nun bei geringerer Temperatur, etwas trocknen und dabei karamellisieren lassen. Zum Schluss mit gutem Olivenöl aufschlagen – e basta!"

Drei Gastro-Tipps von Antonia Klugmann

AZ. AGR. ZORE
Frazione Plastichis 37, IT-33040 Taipna (UD)
zoreformaggi.it

"Alessia Berra und ihr Ziegenhof Zore im ruhigen Hochtal Alta Valle del Torre nordöstlich von Udine sind ein großartiges Projekt, ihre Ziegenkäse so gut!"

BUFFET DA PEPI
Via della Cassa di Risparmio 3, IT-34121 Triest (TS)
buffetda pepi.it

Eine Institution seit 1897. Hier geht es vor allem um gekochten Schinken. Empfehlung: belegte Brötchen mit Meerrettich.

TRATTORIA BELLARIVA 
OT Santa Croce, Via Auguste Piccard 44, IT-34151 Triest (TS)

Fischrestaurant mit Meerblick. Tipp: die gebratenen Sardinen.

Zu Gast bei Antonia Klugnann

L’Argine a Vencò
H K M R Q

Für Antonia Klugmann ist die „cucina povera“ Inspiration und Vorbild, die ihrer Meinung nach die größte kulinarische Kreati­vität hervorgebracht hat. Highlights: etwa geröstete Pflaume mit Sauerkraut und Kardamom, kaltgeräucherte Linsen mit herb-süßer Glace aus roter Paprika, Seeigel mit kandierter Orange, Bottarga und fermentiertem schwarzen Knoblauch. In ihrem Restaurant mit leisem Jazz finden nur 22 Gäste Platz.

Località Vencò 15, 34070 Dolegna del Collio, IT
+39 35 05 212804
www.largineavenco.it
Mi abends, Do-So mittags und abends geöffnet
Menüs € 110 - 165

Die FEINSCHMECKER-Bewertungskriterien

In jeder Hinsicht perfekt
Küche und Service herausragend, Ambiente und Komfort außergewöhnlich
Exzellente Küche, sehr guter Service, Komfort und Ambiente bemerkenswert
Sehr gute Küche, guter Service, angenehmes Ambiente, komfortabel
Gute Küche, ansprechendes Ambiente
Solide Küche, sympathisches Lokal
Bewertung ausgesetzt
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