Andrea Aprea in Mailand – Zwei-Sterne-Koch zwischen Tradition und Avantgarde

Andrea Aprea – Mailands Magier

Andrea Aprea ist ein Schatzgräber der italienischen Küche – er spürt den Aromen von Klassikern wie Insalata Caprese nach und bringt sie als starke Essenz in spektakulär neuen Formen auf die Teller. Sein Menü bewegt die Gäste der Metropole.
Text Kersten Wetenkamp
Datum29.09.2025

Mailand leuchtet – die Straßen und Plätze funkeln abends in immenser Pracht, als wollten die Italiener beweisen, dass Stromrechnungen und Diskussionen um Nachhaltigkeit sie nicht scheren. Jedenfalls nicht hier und jetzt. Luxus und edles Design allerorten: Zwischen Dom und Corso Venezia reihen sich die Boutiquen legendärer Marken aneinander – Prada, Ferragamo, Gucci, Bulgari und Versace. Dolce&Gabbana zeigen im schrillbunten Showroom Tischdecken mit Leopardenmuster. Vielleicht ist all das ein wenig zu viel, zugegeben, aber es ist immer selbstbewusst, fröhlich und auf eigene Weise elegant – molto italiano eben. Wenn Mailand die Quintessenz italienischen Selbstbewusstseins ist, dann ist Andrea Aprea der genau richtige Koch dafür. Nur wenige Gehminuten von Prada und Gucci entfernt, serviert er in einem höchst eleganten Ambiente eine italienische Küche, die fabelhaft die Balance findet zwischen Tradition und Futurismus, Lokalpatriotismus und Weltoffenheit.

Ein Klassiker neu gedacht: Caprese süß und salzig von Andrea Aprea

Wer ist dieser Andrea Aprea?

Der 48-jährige Küchenchef Aprea, geboren in Neapel als Sohn einer Pizzabäckerfamilie, zählt zu den kulinarischen Stars in Mailand, nicht nur seit er für sein eigenes Restaurant im Museum für Kunst und Archäologie (Fondazione Rovati) innerhalb von 13 Monaten zwei Michelin-Sterne erkochte. Seit 2010 beglückt Aprea die Mailänder und beförderte das Hyatt-Hotel in die kulinarische Oberliga. Ungewöhnlich genug für einen italienischen Koch, ist er weit gereist – jahrelang arbeitete er in Hotels in Malaysia, Indonesien und Thailand, dazu holte er sich den Schliff der Avantgardeküche in England, etwa im „The Fat Duck“ von Heston Blumenthal.

Steinbut à la Mugnaia (nach Müllerin Art)

Wie italienisch ist die Küche?

Aprea selbst sagt: „Meine zeitgenössische Küche schaut in die Zukunft, ohne jemals ihre Herkunft zu vergessen.“ Weit entfernt von Überheblichkeit ist Aprea stolz auf die italienischen Errungenschaften wie die Pizza Napoletana, den Caprese-Salat oder den Risotto Milanese. Die Aromen dieser Klassiker gilt es für Aprea, mittels modernster Techniken herauszudestillieren und ihnen eine neue Form zu geben. Apreas ikonisches Gericht „Caprese dolce e salato“, Caprese (Tomate, Mozzarella, Basilikum) süß und salzig, steht dafür als Prototyp: Die Kugel aus Büffelmozzarella ist eine unter Zuckerhaut befestigte Sphäre, die ultrakonzentrierten Tomaten (drei Sorten) als Coulis darunter sind confiert, kandiert und drei Stunden im Ofen getrocknet. Begleitet wird das von aufwendig im Pacojet püriertem, tiefgefrorenem Basilikumpesto als Emulsion. Die Aromen sind dreimal so intensiv wie bei der klassischen Zubereitung und in ungewohnten Konsistenzen. Aprea erzählt: „Eine Dame aß es im Restaurant und sagte zu mir: ‚Danke, Sie haben mich nach Neapel gebracht. Nur durch diesen Geschmack!‘“

Der Abstand zwischen den zehn Tischen im Restaurant ist großzügig, das Ambiente stilvoll designt.

Heimatliebe statt Fernweh?

Ja, es geht Aprea um eine Wiederentdeckung des italienischen Ursprungs. „Die Küche Italiens ist contaminata, beschädigt“, sagt der Chef. „Der Tourismus in aller Welt hat unsere Traditionen geradezu aufgelöst. Wir müssen unsere Identität wiederfinden, das ist nicht leicht.“ Worum geht es in der italienischen Küche? Starke Produkte, starke Aromen und starke Erlebnisse. „Ich will den Gast packen“, erklärt Aprea, „ihn an Orte führen, die er vielleicht aus der Kindheit noch kennt, die ihn überraschen und seine Sinne anstacheln.“ Das gelingt Aprea ohne Weiteres, mit Gerichten wie dem „Riso Sottobosco“ („aus dem Unterholz“), bei dem man unter Schichten von Risotto in erdigem Wurzelsud mit Waldpilzen und Piniennadeln unter einem Ragout von zart en Schnecken plötzlich auf Früchte stößt – eine Sauce aus fermentierten Waldheidelbeeren und Brombeeren: ein Waldspaziergang mit Aromen von Tanne bis Beeren. Ebenso weitergedacht ist die „Patate in stagnola“ (Kartoffel in Alufolie), für die Aprea eine Amatriciana-Sauce aus kross gebratenen Schweinebacken-Speck mit Tomatenfond und Pecorinoschaum weiterentwickelt, die gegarte Kartoffel wird in Silberfolie gepackt und mit Pecorino-Emulsion umgeben.

100 Stunden gegartes Schweinefleisch, roter Chicorée, geräucherter Provolone-Käse, Honig, Chilischote

Wie sitzt man im Restaurant?

Sehr exklusiv und stylish, dabei modern und naturverbunden. Die zehn Tische stehen weit auseinander, im gedämpften Licht präsentieren sich Glas und Holz in Naturfarben. Die Wand aus dunklen Holzlatten wirkt, als stamme sie von einem Haus im Wald. Durch die Fenster blickt man auf die Lichter der Mailänder Innenstadt. Wir sitzen im vierten Stock über dem Museum der Fondazione Luigi Rovati, das in einem Palazzo des 18. Jahrhunderts archäologische Funde mit Kunst der Gegenwart zusammenführt. Im Erdgeschoss des Gebäudes können Besucher in Apreas eleganter Café-Bar zum Lunch Bistrogerichte genießen oder sich abends einen Drink genehmigen.

Läuft das Business denn rund?

Und ob. Aprea hat gewaltige Summen in sein eigenes Restaurant gesteckt – schon die Küche mit zwei massiven MolteniHerden muss sehr teuer gewesen sein, auch die Weinklimaschränke mit insgesamt 650 Etiketten, ganz zu schweigen von der Brigade mit 27 Köchen (aus ganz Italien) und 13 Mitarbeitern im Service. Aprea aber vertraut auf die Zukunft, wenn sich mit Mailand auch die gastronomische Szene und sein Restaurant weiterentwickelt und sich die Investitionen bezahlt machen. Aprea sagt: „Mailand ist die einzige Stadt in Italien, die Potenzial hat, und ich will dabei sein. Du musst heute sowieso nicht nur guter Koch sein, sondern auch Unternehmer, sonst gehst du unter.“ Die Modehäuser und Designstudios sowie die Wirtschaft florieren. „Bulgari hat 2004 sein Hotel hier eröffnet – da habe ich erkannt, dass die Gastroszene in Mailand noch viele Möglichkeiten birgt.“ Auch für Aprea persönlich läuft es: Er ist regelmäßig Juror in der Fernsehshow „Celebrity Chef“ mit Alessandro Borghese, und er ist gefragter Caterer für die italienische Prominenz . Zur Saisoneröffnung kochte er kürzlich –  genau: in der Mailänder Scala.  

Andrea Aprea
Q

Wenn Mailand die Quintessenz italienischen Selbstbewusstseins ist, dann ist Andrea Aprea der genau richtige Koch dafür. Nur wenige Gehminuten von Prada und Gucci entfernt, serviert er in einem höchst eleganten Ambiente eine italienische Küche, die fabelhaft die Balance findet zwischen Tradition und Futurismus, Lokalpatriotismus und Weltoffenheit. Der Koch ist ein Schatzgräber der italienischen Küche – er spürt den Aromen von Klassikern nach und bringt sie als starke Essenz in spektakulär neuen Formen auf die Teller. Apreas ikonisches Gericht „Caprese dolce e salato“, Caprese (Tomate, Mozzarella, Basilikum) süß und salzig, steht dafür als Prototyp: Die Kugel aus Büffelmozzarella ist eine unter Zuckerhaut befestigte Sphäre, die ultrakonzentrierten Tomaten (drei Sorten) als Coulis darunter sind confiert, kandiert und drei Stunden im Ofen getrocknet. Begleitet wird das von aufwendig im Pacojet püriertem, tiefgefrorenem Basilikumpesto als Emulsion. Die Aromen sind dreimal so intensiv wie bei der klassischen Zubereitung.

Corso Venezia 52, 20122 Milano
(0) 039 0238273030
www.andreaaprea.com
Di-Fr 19.30-22 Uhr, Sa 12.30-13.45 und 19.30-22 Uhr
Menüs € 205 - 255
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