Weinguide 2024: Die 27 besten Weingüter Deutschlands
Auch in diesem Jahr hat die deutsche Weinbranche großartige Gewächse auf den Markt gebracht – und das trotz schwieriger Bedingungen. Das Weinjahr 2022 war nicht einfach: Dürre und Hitze bestimmten die Vegetation, nicht alle Weinberge haben das gut verkraftet. Manche hatten mit der Trockenheit ihre Schwierigkeiten. Gleichzeitig zeigt sich in solchen Jahren, wer das Handwerk perfekt beherrscht. Diese Weingüter bringen Jahr für Jahr großartige Weine auf die Flasche, scheinbar unberührt davon, ob der Jahrgang schwierig war. Die 27 besten Weingüter mit 5-F-Bewertung finden Sie am Ende des Beitrags.
Der Weinguide 2024
Für den Weinguide 2024 hat wieder eine exzellente Jury aus 13 erfahrenen Fachleuten 4643 Weine verkostet und bewertet. Das Ergebnis: Ein Booklet mit den 555 besten Weingütern inklusive 1700 Probiertipps für jedes Budget. Der Weinführer ist nach den wichtigsten Anbauregionen Ahr, Baden, Franken, Hessische Bergstraße, Mittelrhein, Mosel, Nahe, Pfalz, Rheingau, Rheinhessen, Sachsen und Württemberg sortiert. Direkt zu Anfang gibt es eine Liste mit den besten Bewertungen.
Der handliche Weinguide 2024 mit Tipps für jeden Geldbeutel ist ab sofort mit der Feinschmecker-Ausgabe "Zeit für Wild" erhältlich. Die Bewertungen sind ebenfalls online abrufbar.
Die hochkarätige Jury
Das System der Bewertungen
So testet unsere Jury:
- Ablauf: Wir verkosten jeweils in Zweierteams und diskutieren Eindrücke auch mit dem gesamten Team.
- Beobachtung: Wir betrachten jeweils die gesamte eingesandte Kollektion eines Weinguts, vom Ortswein bis zur Auslese, vom Sekt bis zum Großen Gewächs.
- Verkostung: Wir probieren die Weine offen, da wir Hintergrundinformationen einbeziehen, um die Kollektionen adäquat zu beurteilen.
- Auswahl: Wir analysieren, bewerten und beschreiben nur Betriebe, die sich (nach unserer Einladung) aktiv beteiligen. Wer seine Weine nicht einschickt, taucht in diesem Guide nicht auf.
Verkostung im Schwarzwald
Die große Verkostung fand auch in diesem Jahr im Relais & Châteaux Hotel Dollenberg im Schwarzwald statt. Hier gibt es die optimalen Bedingungen, um konzentriert zu arbeiten. Die Abende finden genussvollen Ausklang mit Blick ins Tal und feinen Kreationen von Martin Herrmann. Das Feinschmecker-Weinguide-Team besteht aus insgesamt sieben Verkosterteams, die nach Weinregionen testen.
Die besten Weingüter 2024
Es gibt Weingüter, die sind so konstant gut, dass man Jahr für Jahr den Text kopieren könnte. Das Weingut der Familie Aldinger ist so eines. Wären da nicht die Neuerungen in der Kollektion, die neben den Konstanten besondere Aufmerksamkeit generieren: Der Brut Nature Sekt 2017 behauptet seine Ausnahmestellung als einer der besten Sekte Deutschlands. Der Riesling aus dem Stettener Pulvermächer und der Lemberger aus dem Fellbacher Lämmler sind GGs, die ihren Titel gerechnet werden. Beim Chardonnay macht den Aldingers auch niemand etwas vor. Nun zum großen Ausrufezeichen namens Trollinger Rosé aus dem Untertürkheimer Gips. Mehr als 100,- Euro sind dafür ein Statement, aber dieser Wein ist herausragend gut. Wieder eine exzellente Kollektion! Mit dem 2023 Marienglas Untertürkheimer Gips Riesling GROSSES GEWÄCHS haben Aldingers den Riesling Cup 2024 beim Feinschmecker gewonnen.
Hans Oliver Spanier gelingt mit seiner aktuellen Kollektion das Kunststück, sich noch einmal zu steigern. Wunderbar plastisch arbeitet er die Unterschiede seiner biodynamisch bearbeiteten Weinberge heraus. Dabei sind die Gewächse durchweg etwas früher zugänglich als gewohnt, ohne aber an Komplexität zu einzubüßen. Gerade die kühleren Zellertaler Lagen überzeugen mit dunkler Würze, das Große Gewächs aus dem Schwarzen Herrgott lässt ein ganzes Aromen-Panorama von scheinbar endloser Länge aufziehen. Der Kirchenstück-Riesling verströmt Safran und Kurkuma, während der extravagante Spätburgunder aus der gleichen Lage sich noch deutlich unter Holzeinfluss zeigt – und tatsächlich noch um etwas Geduld bittet. Bei diesen Alternativen, kein Problem.
Und da ist sie wieder, die Phalanx grandioser Pinot Noirs – vom Steinwingert, Sankt Paul (2020: floral, „burgundische“ Frucht, begnadeter Holzeinsatz) Jahr und Kammerberg (auf dem Etikett nur steht nur KB, der Amtsschimmel will es so!) über Heydenreich (2020: Rosen und Rauch, konzentriert-ätherisch Sauerkirsche, raumgreifende Mineralität, feinste Tannine) bis hin zu La Belle Vue und der Hommage: große Spätburgunder, Weltklasseweine sui generis ohne die die deutsche Weinlandschaft gefühlt nur halb so schön wäre. Den Beckers gelingt dieses Kunststück auch in Weiß: Wer wollte ohne einen Riesling wie das »Herzstück« (von 2015!) sein, das unsere Herzen bis zum Hals schlagen lässt (Birne, Marille und Mirabelle, zartester Firn, „super Säure“, salziger, immer „steiniger“ werdender Nachhall)? Sehr stark auch der zestig-mineralisch-cremige Weiße Burgunder »Réserve«, der mit viel Substanz, Tannin-Grip, bemerkenswerter Eleganz und Länge punkten kann sowie der Chardonnay Schweigen von 2021, bei dem die Kombination aus kalkig-kühler Mineralität, straffer Struktur und perfekt eingebundener reifer Säure enormes Trinkvergnügen verspricht und hält.
Innerhalb weniger Jahre hat Sophie Christmann dem Weingut ihre Handschrift verpasst. Statt sich ausschließlich am Riesling abzuarbeiten, hat sie mit großartigen und individuellen Spätburgundern die Palette bereichert. Die diesjährige Kollektion bestätigt das konstante und herausragende Niveau, auf dem in den Paradelagen gearbeitet wird. Rieslinge von terroirbezogener Präzision und einer herausragenden Kombination aus spannungsgeladener und mineralisch-salziger Eleganz. Die Spätburgunder mit tiefgründiger Substanz und kraftvoller Struktur. Müßig zu sagen, dass der Idig nicht nur für Riesling eine Top-Lage ist, sondern auch für Spätburgunder. Erster ist mineralisch und kräuterig, hat Saft und Extrakt, Spannung und Länge. Der Spätburgunder aus der gleichen Lage gibt direkt Vollgas, überzeugt mit Kraft und Würze, ist feinaromatisch mit floralen Noten und feiner nussiger Art. Stark!
Die Kollektion von Cornelius Dönhoff lässt keine Zweifel an der Ausnahmestellung des Weinguts - nicht nur an der Nahe. Ein Dutzend Großer Lagen bilden die Grundlage für die außerordentlich puristischen Weine, die er auf die Flasche zaubert. Die Vielfalt unterschiedlicher Böden ist in den Rieslingen, die 80 Prozent ausmachen, deutlich zu erkennen. Der Tonschiefer Gutsriesling ist ein Klassiker und bildet mit schlankem Körper und rassiger Säure den Einstieg. Die Erste Lage Kahlenberg braucht als mineralisch-kühler Vertreter Zeit, ihre kraftvolle Art am Gaumen zu entfalten. Überzeugend auch die Kabinett-Weine aus dem Leistenberg und der Klamm: vorzüglich balanciert mit vortrefflichem Süße-Säure-Spiel. Opulenter zeigen sich die beiden Spätlesen aus den Lagen Brücke und Hermannshöhle, die mit satter Frucht und Honignoten auftrumpfen, die Hermannshöhle mit mehr Kraft und Tiefe. Der Stückfass Chardonnay bietet eine feine Abwechslung zu den Rieslingen, mit gelber Melone und feiner Würze. Die Dönnhoffs setzen Maßstäbe!
Das Weingut verkörpert die perfekte Balance zwischen Handwerkskunst und natürlicher Eleganz. Mit einer ruhigen, in sich stimmigen Linie präsentieren sich die Weine unaufgeregt und doch makellos. Bereits der Gutsriesling „Mineral“ und die Ortsweine „Halgans“ und „Frühtau“ entfalten sich mit Harmonie und spiegeln ihre Herkunft wider. Das GG Frühlingsplätzchen begeistert mit zarten Wiesenblumen- und Weinbergspfirsich-Aromen, filigran und elegant. Das GG Halenberg hingegen wirkt majestätisch, ernsthaft und tiefgründig, mit enormem Druck am Gaumen. Jeder Schluck zeigt die Leidenschaft und das Können der Schönlebers – ein absolutes Highlight der Nahe.
Seit Jahren steht das Weingut Rudolf Fürst an der Spitze der Region. Auch bei der aktuellen Kollektion sind im roten Bereich Lobeshymnen angebracht. Hier stimmt so gut wie alles vom Spätburgunder Tradition hin zu den Großen Gewächsen mit einem alles überragenden Hundsrück. Besonders gut gefallen hat uns aber auch der Großheubacher Spätburgunder, der saftig und filigran wirkt, noch ein festes Tannin und eine schöne Frucht sowie eine angenehme leichte Kernigkeit besitzt. Der Riesling pur mineral präsentiert sich gewohnt feinwürzig, saftig, straight und mineralisch mit viel Trinkfluss. Wenn überhaupt etwas überdenkenswert ist, dann vielleicht die Stilistik des Chardonnay R. Da ist unserer Meinung nach etwas zu wenig Körper, für die Mischung aus Reduktion, Holz und Säure. Aber ansonsten: großartig!
„Große Moselklassik …, die sich zeitgemäß weiterentwickelt“, war eine Formel, mit der wir die Haag’schen Rieslinge vor Jahren schon zu fassen versuchten. So unspektakulär das klingen mag, zumal man die Weine gefühlt schon „ein ganzes Leben lang“ kennt, macht man sich um gewisse Äußerlichkeiten oder Eigentümlichkeiten kaum Gedanken, im Eifer so manchen Gefechts entfallen einem dann „Kleinigkeiten“, etwa dass über dem Weingut von Oliver Haag seit Jahr und Tag fünf Feinschmecker-Fs leuchten („Einer der besten Weinproduzenten“ – mithin also Weltklasse)! Daher im Grunde unbedingt alles probieren, kaufen und trinken. Den Großen Gewächsen Juffer, Juffer-Sonnenuhr und Paulinshofberg sollte man, so anziehend dieses Spiel von Kargheit und Versprechen (die langsam erwachende Quitten-Zitrus-Aromatik des Juffer-GGs: herrlich!) auch sein mag, noch ein paar Jahre gönnen. Bei den filigran zitrisch-floralen, perfekt strukturierten Spät- und Auslesen aus der Juffer Sonnenuhr (jahrein, jahraus grandios die Goldkapsel!) scheint uns jeder Widerstand zwecklos – ach, ist das schön!
Das 1902 als königlich-preußische Weinbaudomäne Niederhausen-Schlossböckelheim gegründete Gut Hermannsberg gehört nicht von ungefähr zur weinbaulichen Champions League in Deutschland. Kellermeister Karsten Peter war hier anfänglich „Entwicklungshelfer“, dann sehr schnell „Startrainer“. Sein Credo „Lage, Lage, Lage!“ hat längst Gestalt angenommen, ein Schluck schon vom vermeintlich „kleinsten“ Riesling des Hauses (»7 Terroirs«, viel Schmelz, viel Spannung, lustvolle Säure) lässt das ganz gaumenfällig werden. Und wie schon im letzten Jahr wäre uns die ganze Kollektion eine Empfehlung wert, wenn da nicht auch die „library releases“, die Reserve-Varianten der ohnehin und ohne Zweifel großartigen Großen Gewächse (ganz neu: Klamm »In der Rossel« – salzig-mineralische Eleganz und saftig-reife Frucht) wären! Absolut ehrfurchtsgebietend die Schlossböckelheimer Kupfergrube: Das Gipfelkreuz konzentrierter Mineralität hoch droben im Firmament, in Stein „kandierte“ Zitrusfrucht, ätherisch und mit eigenem Gravitationszentrum, Kraftreserven ohne Erdenschwere – ein ganz großer Wurf!
Den höchsten Respekt zollen wir diesmal dem einfachsten Wein im Sortiment von Julian Huber: eine Cuvée aus Weißem und Grauem Burgunder. Der Wein hat Suchtpotenzial. Wie alle Huber-Weine spontan vergoren, lange auf der Vollhefe gelegen, entsprechend reduktiv in der Nase, im kleinen Holzfass ausgebaut, davon 30 Prozent Neuholz. Seit 2021 heißt der Wein einfach nur Breisgau. Der Malterdinger Chardonnay weist eine ähnliche Stilistik auf, ist aber deutlich komplexer. Noch dichter gewoben sind der Alte Reben-Chardonnay und das GG vom Bienenberg aus 2022: Deutschlands bester Chardonnay mit Kultstatus. Bei den Spätburgundern möchten wir die Alten Reben hervorheben, deren Trauben von verschiedenen Großen Lagen kommen: für Huber-Fans auch preislich ein guter Deal. Das Bienenberg GG ist die elegante Version der Alten Reben, der geniale Schlossberg eine Kategorie für sich. Der allerbeste Deal aber ist der einfache 2022 Malterdinger Spätburgunder, der stark auf Frucht fokussiert ist, aber trotzdem anspruchsvolle Gaumen zu befriedigen weiß.
Klaus Peter Kellers Spitzenweine sind inzwischen so schwer zu ergattern und teuer, dass man sich ganz unwillkürlich fragt: Sind sie es auch wert? Die Antwort liefert er bereits mit dem „kleinsten“ Wein der angestellten Kollektion: Der Edelzech-Riesling „von der Fels“ spielt souverän mit feiner Reduktion und zitrischem Grip. Die dunkle Würze des Roten Hangs vereint sich im Nierstein Riesling mit schönem Zug. Das Große Gewächs aus dem Kirchspiel verströmt zarte Opulenz, unterlegt von einer schier endlosen, feinen Säure, über dem Hipping schwebt etwas Rauch. Das Spätburgunder-Doppel aus 2022 ergänzt sich traumhaft: Der Frauenberg offenbart etwas Wärme, Anklänge an Walnüsse, unterlegt von feinstem Tannin und subtilem Holzeinsatz. Der Bürgel dagegen ist kühler, griffiger, mit rauchiger Kirsche am Gaumen. Fantastische Weine, ganz ohne Frage.
Als Vorreiter in Sachen Barrique haben die Knipsers viel Überzeugungsarbeit für die heutige Qualität der deutschen Rotweine geleistet. Auch sonst sind sie von Pioniergeist getrieben, haben mit der inzwischen fast kultigen Cuvée X eine der ersten Bordeaux-Cuvées in Deutschland gewagt und mit dem Clarette in Sachen Rosé einen Klassiker entwickelt, den man in jedem Jahr fast blind kaufen kann. In diesem Jahr wirkte die Kollektion allerdings ein wenig uneinheitlich, zeigte sich nicht durchgehend von der besten Seite. Zugegeben, das ist Jammern auf hohem Niveau. Die beiden Chardonnays zeigten vordergründig ihre übliche Form, die Réserve mit gutem Holz, feinen Röstaromen von Haselnuss und delikater Würze und Fülle zeigte sich im Abgang dann überraschend bitter, während der Chardonnay *** trotz intensiver cremiger Art, Noten von Popcorn, Butterscotch und Vanille am Gaumen dann nur wenig Substanz zeigte. Der Spätburgunder aus dem Kirschgarten zeigte sich in der Nasse intensiv fruchtig und saftig, wirkte dann aber am Gaumen schon fast übertrieben laktisch und durch die karge Art unharmonisch. Am besten gefiel uns das Pendant aus der Großen Lage Im großen Garten mit seiner duftenden, flirrenden Eleganz, viel roter Frucht und einem blumigen Abgang.
Wenn wir in diesem Jahr von nicht ganz stringenter Qualität und kleinen Schwankungen in der Kollektion von Philipp Kuhn sprechen, ist das wirklich jammern auf extrem hohem Niveau. Es sind Kleinigkeiten, die uns aufgefallen sind, wie der Reduktionsböckser im Saumagen Riesling und die etwas schwache Struktur beim Chardonnay Réserve. Begeistert hat uns hingegen der Blanc de blancs brut nature mit kernigem und geradlinigem Charakter, Aromen von Brioche und Hefekuchen, frischer Säure und feinen Perlage. Oder der Pinot blanc aus dem Kirschgarten, den die feine Holznote perfekt trägt, und der mit zarter Frucht und nussiger Länge definitiv einer der besten Weißburgunder ist, die wir dieses Jahr verkosten durften. Spannend der Viognier Réserve, ein Kraftpaket mit gut eingebundenem Holz, Noten von Orangenschale und einer feinen, aber eleganten Bitternote. Die Rieslinge aus den Großen Lagen sind natürlich aller Ehren Wert und die 5 F weiterhin stabil.
Die Weine aus dem Hause Kühling-Gillot sind eine Liebeserklärung an ihre Herkunft vom Roten Hang. Gekonnt werden die Nuancen der Lagen herausgearbeitet und bleiben dabei äußerst trinkfreudig und zugänglich. Ein Hauch Reduktion schwebt über dem Nackenheim Riesling, der einen zarten, aber unentrinnbaren Zug entwickelt. Der Nierstein Riesling zeigt eine leicht rauchige Frucht, flankiert von feiner Phenolik. Das Pettenthal Große Gewächs sprüht von Feuerstein-Würze und sinnlicher Opulenz, salzig und mit zitrischem Grip folgt ihm das Hipping Großes Gewächs, das sich schon jetzt aufregend im Glas präsentiert. Überraschend der Chardonnay Alte Reben, der mit ordentlich Holz und BSA die Frage aufwirft, ob hier noch Burgund oder schon die Neue Welt Pate stand. In sich stimmig ist er in jedem Fall, wie alle Weine dieser wunderbaren Kollektion.
Die persönliche Handschrift von Peter Bernhard und Viktoria Kühn in ihren Rieslingen ist unverkennbar. Auch dieses Jahr beeindruckt ihre Kollektion mit einem durchgängigen roten Faden und unglaublicher, glasklarer Präzision. Die Weine sind subtil, sie brauchen Zeit und Geduld, haben zum Teil eine harsche Säure, die aber wiederum bombenfest im Wein integriert ist. Es sind Rieslinge, die man nicht einfach so trinkt – man erlebt sie, man lässt sie auf sich wirken, erfreut sich an der Tiefe und dem Ausdruck. Der 2023 Oestrich Riesling Quarzit zeigt animierende Grapefruitnoten, aber auch eine großzügige Würze und Grip am Gaumen. Der 2022 Hallgartener Hendelberg Riesling 1G verführt trotz seiner knochentrockenen Machart mit Aromen von Bergamotte und Grapefruit, verzückt mit Balance, hoher Mineralität und perfekt eingebundener Säure. Der 2022 Mittelheim Sankt Nikolaus Riesling GG ist in diesem jungen Stadium verhaltener und verschlossen, aber die markante Mineralität und seine Länge am Gaumen lassen erahnen, dass es sich hier um einen echten Langstreckenläufer handelt und wer geduldig ist, belohnt werden wird.
Für Ernst F. Loosen entsteht ein großer Wein im Kopf. Das glauben wir dem charismatischen Winzer gerne. Doch wenn dem so ist, dann käme er kaum mehr aus dem Nachdenken raus, so viele große Weine entstehen in schöner Regelmäßigkeit in dem renommierten Weingut. Respekt, wer über viele Jahre hinweg so gut wie keine Schwäche zeigt und immer verlässliche Spitzenqualität abliefert. Natürlich kann Loosen auf Spitzenlagen zurückgreifen, aber das Gespür, zu welchen Trauben welche Stilistik passt, macht den Genius von „Ernie“ seit fast 40 Jahren aus. Wir probierten gewohnt erstklassig aufgestellte Rieslinge: geradlinig elegante Weine mit viel Substanz und Nachhall, sachte umhüllt von mineralischen Noten, die den letzten Schliff geben. Glanzvoll!
Bei allem, was rund um die Flutkatastrophe an der Ahr geschehen ist und auch Familie Näkel betroffen hat, war das Positive, dass sich Dörte und Meike vor lauter Auszeichnungen für ihre 2021er-Kollektion kaum retten konnten. Bei den Feinschmecker WINE AWARDS 2024 wurden sie als „Winzerinnen des Jahres“ gekürt. 2022 haben die Schwestern ihren modernen, stoffigen Stil fortgeführt. Orts- und Lagenspätburgunder vom Blauschiefer oder von der Grauwacke unterscheiden sich klar. Alle Weine sind noch deutlich von später Lese, Holz und Toasting geprägt, so dass manche eher an einen klassischen Übersee-Stil erinnern. Unser Favorit ist der Walporzheimer Kräuterberg mit konzentrierter Frucht, gleichzeitig aber viel Struktur und Frische, Charme, Saftigkeit und Trinkfluss.
Mehr Riesling geht nicht! Vom Ortswein bis zur großen Lage zeigen die Rieslinge der Winzerin Sabine Mosbacher-Düringer Individualität und Klasse. Schon die Ortsweine vom Basalt und vom Buntsandstein mit deutlichen Herkunftsunterschieden: erstere fruchtig und ausdrucksstark mit saftiger Substanz, der zweite straight, druckvoll und trotz der Kargheit tänzelnd. In den Ersten Lagen reicht es von beeindruckender Eleganz, floralem Extrakt in der Deidesheimer Leinhöhle über die zurückhaltende und kalkig-jodige Art des Forster Musenhang zur kräutrig geprägten, weichen Textur des Wachenheimer Gerümpel. Das Ganze potenziert sich in den Großen Lagen mit intensiver Aromatik und Konzentration im Forster Ungeheuer und einer gebündelten Essenz von Würze und Struktur im Forster Pechstein. Als I-Tüpfelchen: Der Cabernet blanc hat als Piwi-Rebsorte auch seine Berechtigung!
Konrad Salwey hat die Weine in den vergangenen zehn Jahren kontinuierlich verbessert und das Weingut in eine Spitzenposition in Deutschland manövriert. Die 2021er Spätburgunder sind eine Klasse für sich, obschon der Jahrgang gerade für die Rotweine eine Herausforderung war. Schon der Oberrotweil Spätburgunder, ein Ortswein, ist besser als manches badische GG und jeden Cent wert, den er kostet (30 Euro). Das GG vom Kirchberg gleitet so samtig über den Gaumen, dass man die Tiefe glatt übersehen könnte. Das Eichberg GG ist kerniger, strukturierter, aber auch verschlossener. Die 2021er (!) Weißweine waren noch Fassproben, als wir sie verkosteten. Großartig das Weißburgunder GG vom Kirchberg, puristisch-salzig das neue Chardonnay GG vom Steingrubenberg. Das Grauburgunder GG vom Henkenberg ist wohl der beste Wein dieser Sorte in Deutschland.
Was sich hinter dem, sorry, antiquierten Etikett verbirgt, ist ein kleines Familienweingut der leisen Töne, das ohne großes Tamtam Rieslinge von Weltklasse produziert. Natürlich wachsen die Trauben in renommierten Graacher und Wehlener Lagen, quasi als bodenständige Starthilfe. Dann kommt Christoph Schaefer ins Spiel, der zusammen mit seiner Frau Andrea den elterlichen Betrieb vor knapp zehn Jahren übernommen hat, und verwandelt das Lesegut in außergewöhnliche Rieslinge mit Format und von besonderer Strahlkraft. Restsüße ist fast immer mit dabei, sie ist der Hauch an Genius, der sich elegant um die konzentrierte blitzsaubere Frucht legt und sie zur geschmacklichen Höchstform animiert. Unterstützt von einer Säure, die nicht frischer und belebender sein könnte. Unsere diesjährigen Favoriten? Eigentlich alle zur Probe angestellten Weine, eine Kollektion wie aus dem Riesling Wunderland.
Uns geht’s bei Schäfer-Fröhlich wie weiland dem antiken Paris: Welcher dieser Riesling-Schönheiten gebührt der goldene Apfel? Glücklicherweise können wir uns auch diesmal mit dem Hinweis aus der Affäre ziehen, dass wir die ganze Kollektion empfehlen! Und im Zweifel: Felseneck über alles! Ob nun der berückend florale, nur zart fruchtsüße Kabinett-Riesling (erfrischend mineralisch und mit heller Säure gesegnet), die duftige, hinreißend saftige Spätlese (hier ist alles Goldkapsel, was glänzt!), deren Drive und Energie schlicht fabelhaft sind, oder das große Gewächs, das nicht nur – wir haben das schon an anderer Stelle geschrieben – „in jeder Hinsicht groß, ja erhaben und unverwechselbar“ ist, sondern (wieder einmal!) vor raumgreifender Mineralität nur so strotzt: ein Feuerstein-Fanal (Stein, Rauch und Agrumen) und Riesling-8000er von geradezu irrwitziger Präzision und Finesse. Ein anderer Rieslinggipfel mit ebenso traumhafter Aussicht ist das GG vom Halenberg: Eleganz, subtile Kraft und eine in aromatischer Hinsicht fast schwerelose Frucht … – spektakulär! Wie alles von Tim Fröhlich!
Was soll man dazu sagen, was schreiben? Dass aus dem Familienbetrieb wieder einmal eine nahezu perfekte Riesling-Jahrgangskollektion kommt, in der alles steckt, was Rieslinge können, ist hier die Regel geworden. Es war die beste, homogenste und spannendste Kollektion unserer Probe, jeder Riesling für sich eine geschmackliche Offenbarung. Immer extrem frisch und belebend, mal kraftvoll fruchtig wie die Spätlesen, mal verspielt und von kühl anmutender Stilistik wie die nuancenreichen Kabinette. Und letztendlich die großartigen, vollmundigen Auslesen mit feiner Fruchtreife aus der Paradelage Niederberg Helden, die signalisieren, dass jetzt ein Höhepunkt erreicht ist. Wer in den Genuss dieser außergewöhnlich guten Weine kommt, wird in die Mosel-Riesling-Fangemeinde eintreten.
Im vergangenen Jahr sind wir ob der Qualität von Alexander Stoddens Flutweinen aus dem Staunen nicht mehr herausgekommen. Das war eine ganz große Kollektion. 2022/23 ist nicht ganz so brillant, aber natürlich auf hohem Niveau. Manche Großen Gewächse wie der Sonnenberg oder der Kräuterberg wirken noch sehr in sich gekehrt. Die Spätburgunder J und JS zeigen schon, wo es auch stilistisch lang geht. Es sind keine Schmeichler, aber Weine mit viel Substanz, Festigkeit, Druck und Charakter. Am offensten erschien uns aktuell der Rech Spätburgunder mit viel Brombeere und Sauerkirsche, lebendiger Säure und großer Länge. Weshalb bei einer solch hochwertigen Kollektion ein dropsig kaltvergoren wirkender Blanc de Noir das Gesamtbild trüben muss, bleibt uns ein Rätsel.
Eine Ikone im Rheingau und der deutschen Weinbranche: Das Weingut zählt zu den besten der Welt. Die Vinothek ist durch ihr klassisch-zeitloses Design ebenso einen Besuch wert.
Weißes oder schwarzes Etikett? Trocken oder restsüß? Wie so oft gilt für Nik Weis, der Einzellagen an Mosel und Saar geradezu virtuos bespielt: beides! An der Tatsache, dass der Winzer Jahr für Jahr das Beste aus den Trauben herausholt und in seinem St. Urbans-Hof daraus zeitlos schöne Rieslinge vinifiziert, hat sich nichts geändert. Nicht von ungefähr sprach Nik Weis in einem Interview davon, einmal, dass er „ewigen Weinbau“ betreiben wolle: Weinbau als Gesamtorganismus, mit einer Mischung aus unterschiedlich alten Rebstöcken und im natürlichen Kreislauf. Wie bestechend gut ihm das gelingt, beweist die aktuelle Kollektion, in der jedes Prädikat à point interpretiert wurde. Wunderbar leichtfüßig, herrlich weißfruchtig, zart rauchig und absolut beseelt der Kabinett-Riesling aus dem Bockstein, spektakulär die Binnenspannung des Großen Gewächses aus dem Leiwener Laurentiusley (reife Frucht trifft auf präzise glockenhelle Säure, Konzentration und Struktur). Die Auslese aus dem Ockfener Bockstein zündet ein Feuerwerk in Sachen reifer, fast exotisch anmutender Frucht, Blütenhonig, Agrumen und balsamisch-ätherischen Kräuternoten. Hervorragend!
Philipp Wittmann zählt zu den besten Winzern Deutschlands, bei ihm trifft perfektes Handwerk auf Feingefühl für Terroir und Stilistik. Biodynamische Bewirtschaftung stellt für Wittmann die Grundlage dar, um charakterstarke und langlebige Weine zu keltern. Seine aktuelle Kollektion begeistert die Verkoster, auch wenn sie stärker auf frühe Trinkreife zu setzen scheint als auf ein Höchstmaß individueller Terroirerkundung. An der Spitze steht unangefochten der Riesling aus dem Morstein, extraktreich und elegant besitzt er Volumen, ohne es zu zeigen. Dabei ist er jetzt schon erstaunlich zugänglich. Tänzerischer präsentiert sich das leichtfüßige Brunnenhäuschen, unterlegt mit etwas Rauch und Salz. Der vollmundige Ortswein aus Westhofen erweist sich Edel-Trinkwein mit fantastischem Frucht-Säure-Spiel.