Trendcheck: Nachhaltiger Wein, nachhaltiges Bier

Trendcheck: Nachhaltiger Wein, nachhaltiges Bier

Weltweit setzen auch Bierbrauer und Winzer alles daran, ihren CO2-Ausstoß zu senken und Wein sowie Bier klimaneutral und nachhaltig zu produzieren. Die einen nutzen Algen, Wärmespeicher und Solarenergie, andere entdecken kleine Hebel mit großer Wirkung.  
Datum22.07.2022

Mit Algen klimaneutral werden

Die Zukunft leuchtet grün – jedenfalls beim Bierbrauen. Bei der Craftbrauerei Young Henrys in Sydney wabert neben Sudkessel und Edelstahltanks in großen Glasbehältern hellgrüne Flüssigkeit – ein Bioreaktor mit Mikroalgenkulturen. „Ja, das sieht unwirklich aus“, sagt Oscar McMahon, einer der Brauereichefs, „aber das machen wir nicht aus Liebe zu Science-Fiction, sondern, um was Handfestes fürs Klima zu tun. Die Algen nehmen unser Kohlendioxid aus der Produktion auf und wandeln es in Sauerstoff um. So werden wir klimaneutral!“

Die 400 Liter Mikroalgenflüssigkeit produzieren so viel Sauerstoff wie ein Hektar Wald in Australien. Installiert haben die Brauer den Algentank mithilfe der Klimaforscher an der Technischen Universität Sydney. Wie man die rasch wachsende Algenmasse am besten verwendet, ist noch nicht entschieden – ob als Düngemittel, als Viehfutter oder als Grundprodukt für Kunststoffe.

Wind, Sonne und Wald für eine gute Bilanz

Wunderbräu setzt für mehr Nachhaltigkeit beim Bier auf Standard Pfandflaschen und -Kisten

Bierbrauer überall auf der Welt machen sich intensiv Gedanken über ihren Ausstoß an Kohlendioxid – und das aus gutem Grund: Eine durchschnittlich große Brauerei erzeugt bei der Produktionsmenge von 20 Millionen Liter Bier 200.000 Tonnen Kohlendioxid durch die Gär- und Brauprozesse. Fürs Mälzen des Getreides wird Wärme benötigt, Strom fürs Abfüllen und später dann Benzin oder Diesel fürs Ausfahren der Bierpaletten. Brauereien, die sich schon länger für ökologisches Wirtschaften stark machten, entwickeln jetzt kreative Maßnahmen, diesen Kohlendioxid-Ausstoß zu vermeiden und nachhaltiges Bier zu produzieren.

Zum Beispiel die Münchner Craftbrauerei Wunderbräu: sie bezieht 99 Prozent der Rohstoffe wie Gerste oder Hopfen aus einem Umkreis von 50 Kilometern. Es wird ausschließlich mit Ökostrom gearbeitet. Die Brauerei verzichtet auf eigene Bierkisten und verwendet Standardware, die nicht zur Brauerei zurückgebracht werden muss. Externe Berater prüfen und berechnen den CO2-Ausstoß der Brauerei. Trotz aller Maßnahmen bleiben zwischen 250 und 380 Tonnen Kohlendioxid im Jahr übrig, die kompensiert das Unternehmen, indem es internationale Klimaschutzprojekte fördert. Dies sind Windparkprojekte in Taiwan und der Türkei, Solaranlagen in Indien und eine Waldaufforstung in Kolumbien. Dadurch erreicht Wunderbräu sogar eine Überkompensation.

Ein Wirtshaus aus recycelten Schiffscontainern

Der Biergarten von BRLO ist aus recycelten See-Containern

Auch BRLO in Berlin arbeitet an der Klimaneutralität, die Craftbrauer haben sich dafür mit dem Start-up Planetly zusammengetan, deren Wissenschaftler alle Produktionsprozesse und den anfallenden Energieverbrauch prüfen, und zwar nach dem internationalen Greenhouse Gas Protocol (GHG). BRLO hat sein Wirtshaus „Brwhouse“ aus recycelten Schiffscontainern gebaut, nutzt Ökostrom und will die Fahrzeugflotte auf Elektrostrom umrüsten.

Nachhaltiges Bier durch Vermeiden und Verringern

Johannes Ehrensperger, Chef von Lammsbräu
Einen anderen Ansatz nachhaltiges Bier zu produzieren verfolgt Neumarkter Lammsbräu, ein Pionier der Bio-Bierherstellung aus der Oberpfalz. Chef Johannes Ehrnsperger, der in siebter Generation die fast 400-jährige Brauerei leitet, will Klimaneutralität durch „Vermeiden und Verringern“ erreichen. Ziel: „Bis 2030 werden wir 42 Prozent der Emissionen reduzieren. Das bedeutet Investitionen in Millionenhöhe.“ Eine gute Möglichkeit dafür ist der enge Austausch mit den Bauern in der Region, die durch ökologische Landwirtschaft Humus aufbauen. „Das dient auch dem Wasserschutz und der Widerstandskraft der Böden.“
 
Das nächste große Ziel ist die Sonnenenergie für das benötigte Warmwasser, dafür sollen auf 3500 Quadratmetern Solarzellen installiert werden. Der restliche Strom ist schon seit zehn Jahren zu 100 Prozent auf Öko umgestellt. Im geplanten neuen Sudhaus soll die eingesetzte und die im Brauprozess entstehende Wärme so gut wie möglich gespeichert und für den Brauprozess weiter genutzt werden. Und die Lkw für den Transport des Bieres sollen demnächst auf Erdgas oder Biogas umgerüstet werden. 

Doppelt nutzen

Christian Rasch (l.) nutzt Solarstrom
Ähnlich setzt auch Rothaus im Schwarzwald auf neueste Technologie: Das Sudhaus arbeitet mit Unterdruck und benötigt so nur 60 statt 100 Grad Hitze. Im Herbst dieses Jahres will Rothaus eine Fotovoltaik-Anlage mit über 9000 Quadratmeter Fläche installieren. Praktischer Nebeneffekt: Der überschüssige Strom wird am Wochenende für das Braugasthaus genutzt, „fürs Braten der Haxen“, wie Brauereichef Christian Rasch sagt.

Nachhaltiger Wein in Mehrwegflaschen

Helena Ponstein: Die Wissenschaftlerin berät Weingüter auf dem Weg für mehr Klimafreundlichkeit

Auch in der Weinbranche ist längst klar, dass klimafreundliche, ressourcenschonende Produktionsprozesse nicht nur der Umwelt, sondern auch den Weingütern selbst zugutekommen. Die Wissenschaftlerin Helena Ponstein beschäftigt sich seit 13 Jahren mit der Klimabilanz von Wein. Sie weiß genau, an welchen Stellen des Herstellungsprozesses die meisten Emissionen anfallen und kann jeden Schritt beziffern.

Für jeden Liter Wein, der in Deutschland produziert wird, fällt rund ein Kilo CO2 an – doppelt so viel wie beim Bier. Das liegt vor allem an einem großen Vorteil der Bierbranche, dem funktionierenden Pfandsystem. Knapp die Hälfte der Treibhausgasemissionen durch die Produktion von Wein geht auf die Flasche zurück: „Einwegglas ist sehr energieintensiv“, sagt Ponstein.

Sie berät Weingüter auf dem Weg zu mehr Klimafreundlichkeit. Die Einwegverpackung und die Art der Logistik haben den größten Effekt auf den CO2-Abdruck des Weines. „Mehrweg ist der größte einzelne Hebel, um CO2 einzusparen, danach kommt lange nichts in der Größenordnung. Leider gibt es heute noch keine Infrastruktur für ein flächendeckendes Mehrwegsystem für Wein“, sagt Ponstein.

Das erste klimaneutrale Weingut Deutschlands

Nachhaltiger Wein von Andreas Hormuth, dank Pfandflasche

Ein Winzer, der solch ein System deshalb selbst aufgebaut hat, ist Andreas Hormuth aus der Pfalz. Er leitet das erste klimaneutrale Weingut Deutschlands. Seit über zwanzig Jahren setzt er auf regenerativen Strom für seinen Betrieb, vor gut zehn Jahren ließ er seine gesamte Produktionskette in Bezug auf CO2-Belastung untersuchen.

Jährliche Prüfung für eine bessere Energiebilanz

„Ich war überrascht, wie sehr die Flaschen ins Gewicht fallen. Da war mir klar, dass nur ein Flaschenpfand die Lösung ist“, sagt Hormuth. Seither nimmt er die leeren Flaschen zurück und lässt sie bei einem Dienstleister zwei Orte weiter spülen. Drei Viertel der Flaschen bekommt er zurück – eine hohe Quote, weil seine Kunden um den starken Umwelteffekt wissen und den nachhaltigen Kreislauf unterstützen wollen. Auch andere Aspekte der Logistik laufen bei Hormuth anders: Er verzichtet auf Einwegverpackung und nutzt stattdessen Pfand-Holzkisten. Sein E-Auto kann er mittlerweile mit der Energie aus dem Windrad aufladen, das er letztes Jahr aufgestellt hat. Eine Flasche seines Weins erzeugt durchschnittlich 500 bis 600 Gramm CO2, ein Drittel weniger als der Durchschnitt. Und diese Emissionen, die sich nicht vermeiden lassen, gleicht er durch den Kauf von Zertifikaten aus, die Aufforstungsprojekte unterstützen. „Wichtig ist aus meiner Sicht, dass man jedes Jahr die CO2- Belastung weiter reduziert“, sagt er. Deshalb lässt er sich jährlich überprüfen. Seiner Meinung nach haben Winzer dadurch einen besseren Überblick.

Viele kleine Maßnahme für nachhaltigen Wein

Das Staatsweingut Meersburg ist eines der größten Weingüter am Bodensee. Seit über 20 Jahren ist Jürgen Dietrich hier der Weingutsdirektor und leitet den Betrieb mit über 800-jähriger Geschichte. „In einem solch historischen Weingut macht man sich automatisch Gedanken über die Zukunft und Nachhaltigkeit des Schaffens“, sagt er. Er hat deshalb bereits 2011 begonnen, alle Produktionsschritte des Staatsbetriebs hinsichtlich der CO2-Belastung zu untersuchen – um sie fortlaufend zu verbessern. „Es sind viele kleine, teils unscheinbare Maßnahmen, die das Weingut zu einem nachhaltigen Weingut machen“, sagt Dietrich. So wie die neuen Fenster oder ein alternativer Energiemix. Als Nächstes wird das Staatsweingut eine Ölheizung durch eine Anlage ersetzen, in der das Team alte Rebhölzer verbrennen und damit heizen kann. Unspektakulär, aber wirksam und klimafreundlich.

Partner