Naturwein: Definition, Entstehung und Geschmack

Naturwein: Wein in seiner reinsten Form

Roh, wild, unverfälscht: Wer seinen Wein-Horizont erweitern will, lässt sich auf das Geschmacksexperiment Naturwein ein. Naturweine bilden einen abenteuerlichen Kontrast zum Mainstream industriell erzeugter Weine. Was einen natürlichen Wein vom konventionellen unterscheidet und wo es die besten Naturweine gibt.    
Text Lisa Gutknecht
Datum01.09.2023

Naturwein ist weit mehr als ein Getränk – er ist eine Haltung zur Weinherstellung, die sich auf Authentizität, Reinheit und Natürlichkeit konzentriert. Naturweine sind das Produkt leidenschaftlicher Winzerinnen und Winzer, die zu den Wurzeln ihrer Zunft zurückkehren wollen. Die Natur gibt den Ton an und der Mensch agiert lediglich als Begleiter. Naturweine werden in der Weinszene hitzig diskutiert, Naturweinwinzer*innen mal belächelt, von anderen gefeiert. Wir tauchen ein in die zukunftsträchtige Weinherstellung ohne Zusatzstoffe und klären, was es mit dem Naturwein auf sich hat.     

Hören Sie unseren Podcast: In dieser Episode spricht Chefredakteurin Deborah Middelhof mit Sommelière und Redakteurin Katharina Matheis über die neusten Trends in der Weinbranche: 

FEINSCHMECKER-Podcast: Die aktuellen Weintrends

Was versteht man unter Naturwein?

Erntehelfer beim der Traubenernte

Der Begriff Naturwein, auch natural wine oder vin naturel, ist weder gesetzlich geschützt noch einheitlich definiert. Doch gibt es einige Grundpfeiler, auf die sich die Naturweinszene einigen kann:

Allen voran der biologische oder biodynamische Anbau im Weinberg. Viele Naturweinwinzer:innen rücken den Boden der Reben in den Fokus und setzen auf eine Weinbereitung ohne Zusatzstoffe. Das, was die Natur an Trauben hervorbringt, soll so unverfälscht wie möglich bleiben. Oder: Der Wein soll sich auf natürliche Weise entfalten.

Die Ernte erfolgt von Hand und im Keller gibt es keine Eingriffe beziehungsweise so wenig menschliche Intervention wie möglich, um den Charakter der Weine nicht zu verändern. Im Zusammenhang mit Naturwein wird oft von "minimal intervention" oder "low intervention" gesprochen. Die minimalistische Weinherstellung kommt ohne Chemie und oft ohne Schwefel aus, manchmal verzichten Winzer:innen sogar auf eine maschinelle Bewegung der Weine. Viele Naturweine werden zudem ungefiltert abgefüllt und sind deshalb leicht trüb.

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Wie unterscheiden sich Naturwein und konventioneller Wein?

Weinbergbesitzer füllt LKW mit geernteten roten Trauben

Nach EU-Recht darf bei Weinen mit zahlreichen Zusatzstoffen gearbeitet werden, ohne dass diese deklariert werden müssen. Sie haben in der industriellen Weinherstellung wichtige Funktionen:  

  • Der Zusatz von Nährstoffen und Enzymen bewirkt eine stabile und kontrollierte Gärung. 
  • Säure, Zucker und Tannin werden hinzugefügt oder entzogen, um den Weinstil zu beeinflussen und Jahrgangsunterschiede auszugleichen. 
  • Konventionelle Weine werden geklärt, geschwefelt, geschönt, filtriert und sterilisiert, um unerwünschte Stoffe zu entfernen und das Produkt haltbar zu machen. 

Auf solche Eingriffe in den Entstehungsprozess verzichten Naturweinwinzer:innen fast ausnahmslos. Sie stellen Naturwein in einem schonenden, natürlichen Prozess her. Das Produkt kommt ohne Zuchthefen, Zucker, Gelatine, Holzspäne und andere Zusätze aus, wird meist nicht gefiltert und ist in der Regel ungeschwefelt. 

Naturweine sollen das Terroir sowie die Charakteristika der Trauben und des Anbaugebiets authentisch widerspiegeln. Statt nach einheitlichen Weinen streben Naturweinwinzer:innen nach Unikaten. Dafür nehmen sie auch Jahrgangsschwankungen in Kauf.

Auch die Aromatik von Naturweinen ist anders als das, was man von vielen gewohnten Weinen kennt: Naturwein schmeckt üppiger als ein industriell erzeugter Wein und braucht oftmals etwas Luft, um sich zu entfalten.

Wie wird natürlicher Wein hergestellt?

Minimale Intervention bei der Weinbereitung ist nicht gleichbedeutend mit wenig Arbeit. Im Gegenteil: Die Herstellung von Naturwein, der im Prozess weitgehend sich selbst überlassen wird, ist anspruchsvoll und komplex. Dabei haben sich die meisten Naturweinwinzer:innen auf diese fünf wesentlichen Kriterien bei der Weinherstellung geeinigt:

  1. Natürlicher Anbau von Weinreben: Die Arbeit im Weinberg erfolgt nach biologischen oder biodynamischen Richtlinien. Viele Naturweine sind entsprechend zertifiziert. Biologisch heißt, der Pflanzenschutz basiert einzig auf Mitteln natürlichen Ursprungs. Biodynamisch arbeitende Winzer:innen stimmen den Rebschnitt, die Ernte und die Prozesse im Weinkeller zudem auf die Rhythmen der Planeten und Sterne ab. 
  2. Handlese: Naturweinwinzer:innen pflücken jede Traube von Hand und überlassen die Ernte nicht, wie bei vielen industriellen Weinen, einer Maschine. Die Handlese garantiert, dass nur die besten Trauben der Reben in den Naturwein kommen.
  3. Spontangärung: Während konventionelle Weine kontrolliert durch Zusatzstoffe zur Gärung gebracht werden, kommt es beim Naturwein zur Spontangärung mithilfe von Naturhefen oder Umwelthefen.
  4. Keine/kaum Filtration und Schönung: Naturweine sind trüb, weil sie üblicherweise ungefiltert und ungeschönt sind. Winzer:innen warten, bis sich die groben Trübstoffe von alleine absetzen. Enzyme, Proteine und andere Stoffe bleiben enthalten.
  5. Schwefelfrei oder schwefelarm: Viele Naturweinproduzent:innen verzichten komplett auf Schwefel als Konservierungsmittel, einige Naturweine haben einen minimalen Schwefelgehalt. Voraussetzung für den Verzicht auf Sulfide ist vollreifes und absolut sauberes Lesegut.

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Wie schmeckt Naturwein?

Reben eines Weinbergs bei Horrweiler und Bingen in Rheinhessen bei Sonnenuntergang

Während für konventionell produzierte Weine Primärfruchtaromen charakteristisch sind, wie beispielsweise beim Riesling Noten von Pfirsich, Aprikose, Apfel und Zitrus, sind Naturweine deutlich üppiger. Sie schmecken oft erdig bis floral, können an Kräuter, Blätter oder sogar Unterholz erinnern und hefige sowie oxidative Aromen mitbringen: einen Sherryton bei Weißweinen und eine Portweinnote beim Rotwein.   

Grundsätzlich kann der Geschmack von Naturweinen sehr vielfältig sein und hängt stark vom Terroir sowie von den verwendeten Traubensorten ab. Was auffällt: Naturweine riechen oft anders als sie schmecken. Lassen Sie sich von einer intensiven Duftnote also nicht täuschen. Jeder Naturwein ist eine Einladung, neue Aromen und lebendige Geschmacksprofile zu erkunden, abseits vom Gewohnten.

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Wo gibt es die besten Naturweine?

In Frankreich, Spanien und Slowenien ist die Naturweinszene besonders ausgeprägt. Auch Skandinavien und Asien sind Vorreiter in puncto Natural Wines. Deutschsprachige Winzer:innen haben erst spät angefangen, mit Naturwein zu experimentieren. Inzwischen aber müssen sich die hiesigen Naturweine nicht mehr hinter den ausländischen, natürlichen Tropfen verstecken. Einige Topwinzer aus Deutschland und Österreich sind: 

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FAQs Naturwein

Was ist Naturwein?

Naturwein ist Wein, der so naturbelassen wie möglich hergestellt wird. Winzer*innen greifen nur minimal in die Weinbereitung ein. Ein biologischer und biodynamischer Anbau ist dabei die Basis. Außerdem wird auf künstliche Verfahren und chemische Zusätze weitgehend verzichtet. Handlese, Spontangärung und das Weglassen von Filtration, Schönung sowie Schwefel sind üblich. Naturweine sind meist trüb und schmecken komplexer als konventionelle Weine. Häufig haben sie eine erdige, florale und zum Teil hefige Note.  

Welche Zusatzstoffe sind in Naturweinen erlaubt?

Für die Bereitung von Naturwein gibt es grundsätzlich keine offiziellen Richtlinien, welche Zusatzstoffe erlaubt sind und welche nicht. Winzerinnen und Winzer haben sich allerdings auf das Prinzip “minimal intervention” geeinigt. Zusatzstoffe und künstliche Verfahren sollen nur zum Einsatz kommen, wenn dies zwingend erforderlich ist. Für die Gärung finden in der Regel Naturhefen Verwendung, die natürlich im Weinberg und Keller vorkommen. Schwefel als Konservierungsmittel wird gar nicht oder nur in sehr geringen Mengen zugesetzt (maximal 10 bis 20 mg/l). Ansonsten bleibt der Naturwein "roh" und wird sich selbst überlassen. 

Wie lange hält sich Naturwein?

Die Haltbarkeit von Naturwein kann variieren und ist von verschiedenen Faktoren wie den Lagerbedingungen und dem Alkoholgehalt abhängig. Bei einigen Weinen lassen sich geschmackliche Unterschiede bereits nach ein bis zwei Jahren erkennen, andere erreichen den Höhepunkt ihrer Flaschenreife nach fünf, selten nach zehn Jahren. 

Wie muss ich Naturwein lagern?

Naturwein lagern Sie genau wie konventionellen Wein: Ideal ist eine konstante Temperatur von maximal 10 bis 15 Grad Celsius. Der Raum sollte zudem trocken und dunkel sein. 

Ist Naturwein gleich Biowein?

Naturwein und Biowein sind nicht gleichbedeutend. Biowein bezieht sich auf den biologischen Anbau der Trauben nach bestimmten Standards. Naturwein hingegen fokussiert sich auf den gesamten Herstellungsprozess, bei dem wenig bis gar keine Eingriffe, etwa durch Zusatzstoffe, erfolgen.

Ist Naturwein und Orange Wein das Gleiche?

Bei einem Orange Wein oder Orange Wine handelt es sich um Weißwein, der wie Rotwein hergestellt wird. Die Trauben werden in den Beerenschalen vergoren und nehmen dadurch mehr Tannine und Farbstoffe auf. Das Ergebnis ist eine Orangefärbung. Orange Wein beschreibt somit eine spezielle Weinbereitungstechnik, während Naturwein die naturbelassene Weinherstellung meint. Naturweine können rot, weiß, rosé oder orange sein sowie still oder sprudelnd. 

Ist Naturwein immer vegan? 

Da auf Zusätze weitgehend verzichtet wird, sind die meisten Naturweine vegan und als solche zertifiziert. Bei konventionellen Weinen hingegen werden zum Teil während des Herstellungsprozesses tierische Mittel eingesetzt, um den Wein zu klären, beispielsweise Gelatine, Eiklar oder Schwimmblasen von Welsen.

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