Lieblingsfeind Grauburgunder

Lieblingsfeind Grauburgunder

Immer mehr Sommeliers streichen den populären Grauburgunder von ihren Karten. Absurd, meint Weinautor und Master Sommelier Frank Kämmer
Datum23.06.2020

Eine bemerkenswerte Erfolgsgeschichte des deutschen Weinbaus: Aus dem süßlich-cremigen Ruländer der 70er-Jahre ist mit dem Grauburgunder moderner Prägung ein international renommierter, charaktervoller Wein mit vorzüglicher Eignung als vielfältiger Essensbegleiter geworden. Und vor allem: Die Leute mögen ihn! In den vergangenen 25 Jahren hat sich seine Anbaufläche in Deutschland mehr als verdoppelt, und er steht heute hinter Riesling und Müller-Thurgau auf Platz drei der meistangebauten Weißweinreben hierzulande. Doch diese Popularität scheint ihm nun in gewissen Expertenkreisen zum Verhängnis zu werden. Zunehmend mehr Sommeliers streichen den Grauburgunder von ihren Weinkarten – weil er ihnen zu beliebt geworden ist!

Man stelle sich vor, die Zürcher „Kronenhalle“ würde aus diesem Grund das Geschnetzelte von der Karte nehmen, „Harry’s Bar“ in Venedig keinen Bellini mehr servieren oder Volkswagen den Verkauf des Golfs einstellen – ganz einfach, weil ihnen das alles zu beliebt geworden ist. Zugegeben, die Beliebtheit des Grauburgunders hat auch Unmengen an belanglosen Industrieweinen dieser Rebsorte hervorgebracht, wie Master Sommelier Hendrik Thoma an dieser Stelle durchaus zu Recht kritisierte. Doch solche Weinchen haben in Restaurants, die sich einen Sommelier leisten, eigentlich ohnehin nichts verloren. Dass aber den Kellers, Hegers oder Salweys dieser Weinwelt, allesamt Ikonen des deutschen Winzerhandwerks, im Strudel des um sich greifenden Grauburgunder-Bashings ebenfalls die Verbannung von den Karten droht, erscheint mir nun doch absurd.

Bei genauerer Betrachtung geht es hier nämlich nicht so sehr um die Beliebtheit einer Rebsorte, sondern eher um das vielleicht an mancher Stelle etwas aus dem Lot geratene Selbstbild des Sommeliers. Eine allseits beliebte Weinsorte, die sich die Gäste selbst auf der Karte aussuchen können, ist so ziemlich das Gegenteil dessen, mit dem sich ein Sommelier profilieren kann. Jeder Grauburgunder, der bestellt wird, nimmt dem Experten die Möglichkeit, mit einer von ihm empfohlenen außergewöhnlichen Spezialität glänzen zu können.

Was dabei oft vergessen wird: Neben jenen Gästen, die offen für solche neuen Erfahrungen sind, ja diese sogar als elementaren Teil eines gelungenen Restauranterlebnisses ansehen, gibt es eben auch solche, die einfach nur das trinken möchten, was ihnen schmeckt und vertraut ist. Das mag aus der Sicht eines Sommeliers, der dann nicht mit seiner Expertise brillieren kann, langweilig sein, aber ein solcher Gästewunsch ist durchaus legitim.

„Ich nehme nur Weine auf die Karte, die mir auch selbst schmecken“ ist ein Satz, den so mancher Sommelier heutzutage sofort unterschreiben würde, schließlich klingt dies nach kompromisslosem Qualitätsbewusstsein. Doch müsste der Satz nicht eigentlich lauten: „Ich nehme nur Weine auf die Karte, die meinen Gästen auch schmecken“? Wer ein Produkt nur deshalb nicht anbietet, weil es seine Kunden besonders mögen, offenbart letztlich ein seltsames Verständnis von Dienstleistung, bei dem das eigene Sendungsbewusstsein höher gewichtet wird als der Gästewunsch.

Ein wirklich guter Weinberater hat die umfassende Expertise und Erfahrung, um seinen Gästen außergewöhnliche, den Horizont auf köstliche Weise erweiternde Genuss- erlebnisse zu bereiten. Aber er weiß ebenso, dass sein Job manchmal schlicht darin besteht, dem Gast einfach das zu bringen, was er gern mag, und mit perfektem Service zu kredenzen. Ein etwaiger Erziehungsauftrag ist im traditionellen Berufsbild des Sommeliers nicht vorgesehen.

DEUTSCHE GRAUBURGUNDER: FRANK KÄMMERS FAVORITEN

  • 2017 Ihringen Winklerberg „Gras im Ofen“ GG, Weingut Dr. Heger
  • 2017 Kähner Oberbergen GG, Weingut Franz Keller
  • 2017 Achkarren Schlossberg GG, Weingut Franz Keller
  • 2018 Burkheim Feuerberg Haslen GG, Weingut Bercher
  • 2018 Burkheim Schlossgarten Villinger GG, Weingut Bercher
  • 2018 Durbach Plauelrain „Am Bühl“ GG, Weingut Andreas Laible
  • 2016 Oberrotweil Henkenberg GG, Weingut Salwey

Weingüter

Weingut Dr. Heger
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Die diesjährige Kollektion aus dem Weingut Dr. Heger strahlen Souveränität und Klarheit aus und bringen durchweg eine feine Frucht ins Glas. Der Grauburgunder vom Achkarrer Schlossberg zeigt sich sehr kompakt und geradlinig mit gekonntem Holzeinsatz. Der Spätburgunder aus der gleichen Lage beeindruckt trotz seiner Jugendlichkeit mit seiner inneren Ruhe, doch ihn sollte man auf jeden Fall noch ein paar Jahre weglegen. Am meisten begeistert hat uns in diesem Jahr der Spätburgunder aus dem Winklerberg. Er bringt alles mit, was man sich von einem hochwertigen Pinot wünscht: Feinheit und Kraft zugleich, oder um es mit den Worten unserer Verkosterin zu sagen, ein Gänsehautwein!

Bachenstr. 19, 79241 Ihringen
+49 (0) 7668 995110
www.heger-weine.de
VDP.Weingut Bercher
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Das Weingut residiert in einem schmucken, von Franz-Michael Bercher 1756 in Burkheim erbauten Gebäude. Und so wünscht man sich denn auch die Weine der Cousins Arne und Martin Bercher, Weine, die sich in den letzten Jahren möglicherweise eher durch eine gewisse Solidität als durch reizvolle Formen ausgezeichnet haben. Dennoch gibt es Schönheiten zu entdecken, etwa den Jechtinger Eichert Grauburgunder 2021 (sortentypisch Grauburgunder und im besten Sinne badisch, süffig, mit guter Säure, einer hübschen Würze und dem gerade richtigen Quantum Schmelz) sowie das Große Gewächs Burkheimer Feuerberg Haslen Grauburgunder von 2022, dem zu Recht bekanntesten Wein des Hauses, der in den nächsten Jahren noch prächtig zulegen wird.

Mittelstadt 13, 79235 Vogtsburg im Kaiserstuhl
+49 (0) 7662 212
www.weingutbercher.de
Weingut Alexander Laible
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Das Weingut befindet sich direkt am Eingang zum Durbachtal, seit über 350 Jahren gehört der Weinbau zur Familientradition. Der Betrieb steht für frische, fruchtige Weine, die sehr zugänglich sind. Der Weißburgunder vom Muschelkalk ist dafür dafür typisch mit klarer, sehr intensiver Fruchtaromatik, die bisweilen in die exotische Richtung geht. Der Sauvignon Blanc Chara hat hingegen etwas mehr Struktur mit feiner Würze und Noten von Stachelbeere.

Unterweiler 48, 77770 Durbach
+49 781 2842380
www.weingut-alexanderlaible.de
Weingut Salwey
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Um es direkt auf den Punkt zu bringen: Die Kollektion, die uns in diesem Jahr aus dem Weingut Salwey erreicht hat, war durchweg begeisternd. Deshalb könnten wir jetzt eigentlich jeden Wein empfehlen, den wir probiert haben. Da wir hier nur wenige besprechen können, nennen wir auf jeden Fall den Grauburgunder aus dem Henkenberg, der auch schon die letzten Jahre unser Liebling war. Ein Wein von enormer Frische, Lebendigkeit und Eleganz, der nachhaltig beeindruckt. Auch die Rotweine strahlen so wie der Spätburgunder aus dem Kirchberg: Er duftet nach Cassis, dunkler Schokolade und hat im Geschmack eine feine Säurestruktur und enorme Filigranität. Die Weine zeigen auch in diesem Jahr, warum das Weingut zur Spitze der deutschen Weinbranche gehört.

Hauptstr. 2, 79235 Vogtsburg im Kaiserstuhl
+49 (0) 7662 384
www.salwey.de
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