Lieblingsfeind Grauburgunder

Lieblingsfeind Grauburgunder

Immer mehr Sommeliers streichen den populären Grauburgunder von ihren Karten. Absurd, meint Weinautor und Master Sommelier Frank Kämmer

Eine bemerkenswerte Erfolgsgeschichte des deutschen Weinbaus: Aus dem süßlich-cremigen Ruländer der 70er-Jahre ist mit dem Grauburgunder moderner Prägung ein international renommierter, charaktervoller Wein mit vorzüglicher Eignung als vielfältiger Essensbegleiter geworden. Und vor allem: Die Leute mögen ihn! In den vergangenen 25 Jahren hat sich seine Anbaufläche in Deutschland mehr als verdoppelt, und er steht heute hinter Riesling und Müller-Thurgau auf Platz drei der meistangebauten Weißweinreben hierzulande. Doch diese Popularität scheint ihm nun in gewissen Expertenkreisen zum Verhängnis zu werden. Zunehmend mehr Sommeliers streichen den Grauburgunder von ihren Weinkarten – weil er ihnen zu beliebt geworden ist!

Man stelle sich vor, die Zürcher „Kronenhalle“ würde aus diesem Grund das Geschnetzelte von der Karte nehmen, „Harry’s Bar“ in Venedig keinen Bellini mehr servieren oder Volkswagen den Verkauf des Golfs einstellen – ganz einfach, weil ihnen das alles zu beliebt geworden ist. Zugegeben, die Beliebtheit des Grauburgunders hat auch Unmengen an belanglosen Industrieweinen dieser Rebsorte hervorgebracht, wie Master Sommelier Hendrik Thoma an dieser Stelle durchaus zu Recht kritisierte. Doch solche Weinchen haben in Restaurants, die sich einen Sommelier leisten, eigentlich ohnehin nichts verloren. Dass aber den Kellers, Hegers oder Salweys dieser Weinwelt, allesamt Ikonen des deutschen Winzerhandwerks, im Strudel des um sich greifenden Grauburgunder-Bashings ebenfalls die Verbannung von den Karten droht, erscheint mir nun doch absurd.

Bei genauerer Betrachtung geht es hier nämlich nicht so sehr um die Beliebtheit einer Rebsorte, sondern eher um das vielleicht an mancher Stelle etwas aus dem Lot geratene Selbstbild des Sommeliers. Eine allseits beliebte Weinsorte, die sich die Gäste selbst auf der Karte aussuchen können, ist so ziemlich das Gegenteil dessen, mit dem sich ein Sommelier profilieren kann. Jeder Grauburgunder, der bestellt wird, nimmt dem Experten die Möglichkeit, mit einer von ihm empfohlenen außergewöhnlichen Spezialität glänzen zu können.

Was dabei oft vergessen wird: Neben jenen Gästen, die offen für solche neuen Erfahrungen sind, ja diese sogar als elementaren Teil eines gelungenen Restauranterlebnisses ansehen, gibt es eben auch solche, die einfach nur das trinken möchten, was ihnen schmeckt und vertraut ist. Das mag aus der Sicht eines Sommeliers, der dann nicht mit seiner Expertise brillieren kann, langweilig sein, aber ein solcher Gästewunsch ist durchaus legitim.

„Ich nehme nur Weine auf die Karte, die mir auch selbst schmecken“ ist ein Satz, den so mancher Sommelier heutzutage sofort unterschreiben würde, schließlich klingt dies nach kompromisslosem Qualitätsbewusstsein. Doch müsste der Satz nicht eigentlich lauten: „Ich nehme nur Weine auf die Karte, die meinen Gästen auch schmecken“? Wer ein Produkt nur deshalb nicht anbietet, weil es seine Kunden besonders mögen, offenbart letztlich ein seltsames Verständnis von Dienstleistung, bei dem das eigene Sendungsbewusstsein höher gewichtet wird als der Gästewunsch.

Ein wirklich guter Weinberater hat die umfassende Expertise und Erfahrung, um seinen Gästen außergewöhnliche, den Horizont auf köstliche Weise erweiternde Genuss- erlebnisse zu bereiten. Aber er weiß ebenso, dass sein Job manchmal schlicht darin besteht, dem Gast einfach das zu bringen, was er gern mag, und mit perfektem Service zu kredenzen. Ein etwaiger Erziehungsauftrag ist im traditionellen Berufsbild des Sommeliers nicht vorgesehen.

DEUTSCHE GRAUBURGUNDER: FRANK KÄMMERS FAVORITEN

  • 2017 Ihringen Winklerberg „Gras im Ofen“ GG, Weingut Dr. Heger
  • 2017 Kähner Oberbergen GG, Weingut Franz Keller
  • 2017 Achkarren Schlossberg GG, Weingut Franz Keller
  • 2018 Burkheim Feuerberg Haslen GG, Weingut Bercher
  • 2018 Burkheim Schlossgarten Villinger GG, Weingut Bercher
  • 2018 Durbach Plauelrain „Am Bühl“ GG, Weingut Andreas Laible
  • 2016 Oberrotweil Henkenberg GG, Weingut Salwey

Weingüter

Weingut Dr. Heger
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Wer bei Heger Wein kauft, sucht gehobene Qualitäten. Entsprechend liegt der Fokus auf den Ersten und Großen Lagen. An ihnen wollen Joachim und Silvia Heger gemessen werden (inzwischen assistiert von den Töchtern Katharina und Rebecca). Wir probierten diesmal vor allem die 2020er Großen Gewächse: der Weißburgunder Gras im Ofen schlank und hochmineralisch; der Schlossberg Grauburgunder stoffig-frisch, nicht überladen oder speckig; der Grauburgunder Gras im Ofen etwas mineralischer; der Chardonnay Gras im Ofen fein strukturiert und leicht röstig. Auch der 2019er Spätburgunder vom Vorderen Winklerberg dürfte zu den besten GG gehören, die Heger je gefüllt hat. Der 2019er Spätburgunder Erste Lage Mimus zeigt derzeit noch nicht viel her, was wir aber als gutes Zeichen für die Zukunft werten.

Bachenstr. 19, 79241 Ihringen
+49 (0) 7668 995110
www.heger-weine.de
Weingut Bercher
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Am Kaiserstuhl sind und waren die Cousins Martin und Arne Bercher immer eine feste Größe: ambitioniert, über beste Lagen verfügend, das Potenzial ihrer Weinberge bis zum Ende ausreizend. Am deutlichsten wird das unserer Meinung nach bei den Ersten Lagen: dem schmelzigen Weißen Burgunder Limburg und dem zitrig-nussigen Grauen Burgunder Feuerberg. Ganz große Klasse das GG vom Grauen Burgunder Haslen mit seinem an Quitte und Popcorn erinnernden Aroma – ein legendärer Wein bei den Berchers. Exzellent sind auch die Roten. Wer jetzt das 2020er GG vom Spätburgunder aus dem Kesselberg ersteht, wird noch einige Jahre auf den Höhepunkt warten müssen, der 2018er Limburg (Erste Lage) steht schon kurz davor. Die Guts- und Ortsweine fanden wir dagegen ein wenig zu routiniert, zu technisch.

Mittelstadt 13, 79235 Vogtsburg im Kaiserstuhl
+49 (0) 7662 212
www.weingutbercher.de
Weingut Alexander Laible
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Dass Alexander Laible zu den aufstrebenden und erfolgreichsten Winzern Badens gehört (Durbacher Goldjunge), ist bekannt. Seine 2021er untermauern diese Einstufung. Laibles Weißweine sind immer von einer subtilen Aromatik geprägt. Der Weißburgunder „Muschelkalk“ ist saftig und stoffig, der Grauburgunder der Chara-Linie fast von barocker Fülle mit Mirabellen- und Quittennoten. Besonders gut gelungen der Sauvignon blanc: pikant einerseits, reife Beere andererseits. Einzig der Grauburgunder Wilder Hang ist aromatisch etwas zurückgenommen, in ihm spricht mehr das Terroir. Das Highlight ist wieder der 2020er Chardonnay Heaven, der vor Kraft strotzt, es jedoch nicht an Frische vermissen lässt.

Unterweiler 48, 77770 Durbach
+49 (0) 781 2842380
www.weingut-alexanderlaible.de
Weingut Salwey
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Mit den 2019er Großen Gewächsen haben wir Konrad Salwey das fünfte F gegeben. Seine GG vom Grauburgunder sind eine Messlatte, wobei wir dem Henkenberg den Vorzug vor dem Eichberg geben. Auch seine beiden Weißburgunder GG sind, bei aller Fülle und Reife, schlank und geschmeidig. Die Spätburgunder sind flüssige Poesie. Das GG vom Henkenberg strotzt vor Eleganz, der Kirschgarten mit seiner eher dunklen Frucht wirkt hintergründig. Der Eichberg ist der verschlossenste der drei – und der mit dem größten Entwicklungspotenzial. Über die Klasse des Top-Segments sollten nicht die Guts- und die RS-Weine des mittleren Segments vergessen werden, bei denen Salwey sein ganzes Können und Fingerspitzengefühl ausspielt. Der hochfeine Spätburgunder RS (um 20 Euro) ist in seiner Kategorie konkurrenzlos.

Hauptstr. 2, 79235 Vogtsburg im Kaiserstuhl
+49 (0) 7662 384
www.salwey.de
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