Frostschäden im Weinbau 2024: Wie Winzer um ihre Weine kämpfen

Frostschäden im Weinbau 2024: Wie Winzer um ihre Weine kämpfen

Der Frost hat den Winzern in diesem Jahr zu schaffen gemacht. Wie sie mit den klimatischen Herausforderungen umgehen, welche innovativen Schutzmaßnahmen es gibt und was resilienter Weinbau damit zu tun hat.
Text Sebastian Bordthäuser
Datum23.05.2024
Die Frostschäden an der Rebe sind deutlich sichtbar.

Die Bilder von Kerzen in den Weinbergen gingen landesweit durch die Presse und die sozialen Medien. Die 2024er Ernte, so titelte die Tagesschau, werde dementsprechend klein ausfallen. Nach einem warmen April kam es Ende des Monats zu erneuten Kälteeinbrüchen mit erheblichen Frostschäden. Der frühe Austrieb der Reben, eine Folge des Klimawandels, macht die Situation besonders kritisch. „Früher hatten die Reben eine ein- bis zweiwöchige Frostexposition,“ so Maximin von Schubert vom Weingut Maximin Grünhaus, „dieser Zeitraum hat sich in den letzten Jahren mehr als verdoppelt.“ Dieses Jahr fiel der Austrieb nochmals zwei Wochen früher aus.

Schäden und Hoffnung im Ruwertal

Das Weingut Maximin Grünhaus liegt an der Ruwer, nah der Mündung in die Mosel.

Das Weingut im höher gelegenen Ruwertal hat es mit voraussichtlich 95% Frostschäden hart getroffen. Die Hoffnung stirbt jedoch zuletzt: Solange nur die Spitzen und jungen Ruten abgefroren sind, stehen die Chancen gut, dass die Beiaugen, eine Art Rückversicherung der Rebe, nun sprießen und neue Austriebe den Verlust zumindest ein wenig auffangen. „Der Saftfluss ist da, die Pflanze will natürlich überleben. Die Energie stimmt, und bei alten Rebanlagen geht der Rebstock an sich nicht kaputt,“ erklärt von Schubert in der Hoffnung, den Totalausfall in den drei hauseigenen Monopollagen des Grünhäuser Berges zu kompensieren.

Langfristige Folgen und Produktionskosten

Maximin von Schubert vom Weingut Maximin Grünhaus

Zum Ernteausfall kommen langfristige Folgen, die meistens zweijährig sind: erfriert der Trieb, fehlt das Zielholz, das Holz für die Rute im nächsten Jahr. Der Winzer denkt folglich per se aus Gründen der Nachhaltigkeit immer ein Jahr im Voraus. Was ihm als Konstante bleibt, sind die Produktionskosten, die auch bei ausgefallener Ernte weiterlaufen. „Als Steillagenwinzer hat man 95% Fixkosten, egal ob man etwas erntet, nur 5% entfallen auf Flaschen und Abfüller.“ Kein anderer Produktionsbetrieb könnte es sich leisten, 95% der Kosten bei 95% Produktionsausfall weiterlaufen zu lassen, ohne sofort den Laden abzuschließen. „Du kannst einfach nur warten und versuchen, langfristig zu planen. „Weinbau“, so von Schubert, „bleibt ein Handwerk in einer Werkstatt ohne Dach.“

Wird Wein jetzt teurer?

Weingut Maximin Grünhaus kann durch Zukauf die Preise stabil halten.

Doch was bedeutet dies für den Verbraucher? Im Spitzensegment herrscht eine gewisse Intoleranz gegen Preisschwankungen. Betriebe wie Grünhaus haben vorausschauend bereits vor Jahren mit einer Einstiegs-Linie aus Zukauf begonnen, um Ausfällen im Grünhäuser Berg vorzubeugen. Auch nach einigen guten Jahren liegen noch Reserven im Keller, und die Karten der Restaurants sind ebenfalls gut bestückt. Hart getroffen hat es hingegen die Fasswein-Winzer in Sachsen und Saale-Unstrut. Im Niedrigpreis-Segment wirken sich Totalausfälle selbstverständlich auf den Markt und folglich auch auf die Preise aus.

Versicherungen und Schutzmaßnahmen

Winzer vereisen die jungen Ruten, um sie vor dem Frost zu schützen.

Die Versicherungen gegen Frostschäden schätzen den Schaden dieses Jahr bereits auf mehr als 500 Mio. Euro, doch nicht jeder Betrieb ist versichert. Die einen versuchen mit Kerzen gegen den Frost zu kämpfen, andere vereisen die jungen Ruten. Biodynamiker wie Sven Leiner aus dem südpfälzischen Ilbesheim setzen hingegen auf Baldrian. „Die Pflanze gilt auch in der Humanmedizin als beruhigend und bildet eine wärmende Hülle um die Pflanze.“ Doch ob Baldrian, Kerzen oder Eis – man muss schnell entscheiden, wie man handelt, was oft auch abhängig von der Größe des Betriebes und der verfügbaren Manpower ist.

Neue Verantwortung für junge Winzer

Florian Engelmann vom Weingut Leininger übernahm im Januar die Verantwortung für den Betrieb direkt mit diesem Frostjahrgang konfrontiert.

Florian Engelmann vom Weingut Leininger hat erst im Januar die volle Verantwortung für den Betrieb übernommen und wurde direkt mit diesem Frostjahrgang konfrontiert. Der Familien-Betrieb im fränkischen Eibelstadt zwischen Sommerhausen und Randersacker umfasst 10 Hektar, größtenteils in Steillagen, und hat es mit rund 60% Totalausfall wie viele andere hart getroffen. „Steillagen sind in der Regel gut geschützt gegen Bodenfrost wegen der Thermik,“ so Florian, „aber dieses Jahr hatten wir eisigen Windfrost, der besonders in den höher gelegenen Lagen am Waldrand für Vollausfälle sorgte.“ In Franken war man gut vier Wochen vor dem üblichen Austrieb.

Optimistische Zukunftsaussichten

Frankenwein aus Eibelstadt am Main vom Weingut Leininger

Trotz allem blickt Engelmann optimistisch in die Zukunft. „Was abgefroren ist, fällt ab. Die Beiaugen werden nachziehen, und die zweite Generation der Triebe hat das Potenzial, den Verlust zumindest teilweise auszugleichen.“ Was ihm bevorsteht, ist in jedem Fall mehr Arbeit, da die Lese in zwei Abschnitten vonstatten gehen wird: die Lese der nicht erfrorenen, früh ausgetriebenen Reben sowie die der Winteraugen. Trotz einer perspektivisch kleinen Ernte bleibt er zuversichtlich und sieht die Frostschäden als natürliche Ertragsselektion, die sich qualitativ durchaus positiv niederschlagen kann. „Wir haben die zweimalige Chance, dieses Jahr etwas zu ernten, die erste Tranche im August bei 30 Grad und die zweite vielleicht im September kühleren Temperaturen.“

Resilienz und Hoffnung in der Weinbranche

Resiliente Reben gepaart mit Zuversicht lässt die Winzer nach vorne schauen. Nach drei guten Jahren liegen ebenfalls noch Reserven im Keller, sodass es zu früh ist, das Elend zu beschreien. „Man kann zwar nichts daran ändern, aber was kommt, wird bestimmt wieder super", sagt Engelmann.

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