3 Routen für Genießer



Tour 1: Durch Baden nach Frankreich
Von der Metropole Stuttgart ist es nur ein Katzensprung ins Weinland. Terrassierte Steillagen, alte Trockenmauern – die Weinbaustadt Vaihingen ist geprägt von Rebanlagen. Auch vom ehrwürdigen Schloss Kaltenstein, heute ein Christliches Jugenddorf, ziehen sich die Rebstöcke auf kleinen Terrassen ins Städtchen hinunter. Mit dem Rathaus, der Stadtkirche und alten Fachwerkbauten um den Marktplatz bildet das Schloss ein hübsches Ensemble. In die beschauliche Ruhe mischt sich im Sommer Kindergeschrei und Loungemusik, dann nämlich verwandelt sich der Platz rund um den historischen Brunnen bis in den September hinein in einen Beach Club mitten im Ort – inklusive Liegestühlen und Café. Von Stuttgart könnten wir die Route bis Beaune an einem Tag bewältigen, aber wir haben es nicht eilig und planen mehrere genussvolle Pausen ein.
Das „Lamm" im Ortsteil Roßwag ist unsere erste Station. Die Küche von Steffen Ruggaber vereint die klassische französische Küche mit den besten Produkten aus der Region und dem Rest der Welt: Das Eifeler Urlamm kombiniert er mit Kichererbsen, Aubergine und Paprika und würzt es orientalisch. Heimische Erdbeeren in der Saison mit Pistazie und Verbene. Ruggaber hat eine eigene Metzgerei, bei ihm bekommt man daher auch einen wunderbaren Zwiebelrostbraten. An den lauen Sommerabenden in dieser sonnenverwöhnten Region sitzt man auf der schönen Terrasse mit Blick auf die umliegenden Steillagen. Die Weinkarte ist quasi eine Deutschlandreise: 300 Positionen, viele direkt vom Winzer. Gut, dass es 12 klassischmoderne Zimmer gibt.
Wer hier unterwegs ist, sollte natürlich einen Stopp in der „Schwarzwaldstube“ einplanen. Das Spitzenrestaurant wurde nach dem Brand im Januar kürzlich mit einer Interimslösung wieder eröffnet.



- Zander aus Wildfang mit Kalbskopf, Frühlingsmorchel und Zuckererbe („Lamm Rossweg").
- Steffen Ruggaber vom „Lamm Rossweg" serviert heimische Produkte à la francaise.
- Im „Ammolite" in Rust schließt das Menü mit einer Fake-Mandarine, Shiso und der japanischen Yuzu.
Rust ist bekannt für seinen Europapark mit Hyper Coaster, Shows und Wasserwelt, das „ammolite“ mit seiner zeitgemäßen Spitzenküche von Peter Hagen Wiest ist dort der Geheimtipp. Am Abend macht der spektakulär gestaltete Gastraum auf Anhieb Eindruck: Aubergine und Braun werden elegant kontrastiert durch Grau und Silber, im runden Leuchtturmbau haben die Tische viel Platz, sind getrennt durch halb transparente Vorhänge – hier lässt sich die moderne Hochküche ohne Spielereien in Ruhe genießen. Etwa „Black Forest Cuisine“ – mit heimischer Forelle, Kopfsalat und Erbsen, gefolgt von butterweichem Schweinebauch mit Spitzkohl. Beim Menü „Around the World“ würzt Vadouvan ein Ingwer-Karotten-Süppchen, das Poltinger Lamm vom Züchter Franz Riederer von Paar kommt mit Paprika und Polenta. Das zugehörige Resort Bell Rock bietet Zimmer im New-England-Stil mit viel Holz und hellen Farben.
Probierstube

Im modernen Verkostungsraum von Geldermann können Besucher die verschiedenen Qualitäten des Sektproduzenten kennenlernen.
In Freiburg gönnen wir uns in Sascha Weiß „Wolfshöhle“ ein kleines Mittagsmenü (drei Gänge für 38 Euro). Da unser Tagesziel, Vogtsburg und der „Schwarze Adler“, nur ein halbes Stündchen entfernt ist, erkunden wir die Stadt im Herzen des Breisgau mit ihrem 116 Meter hohen Turm und bestaunen im Inneren der Kirche die gut erhaltenen Fenster. Mini-Kanäle, die Freiburger Bächle, durchziehen die Stadt. Nach einem Kaffee auf dem Markplatz fahren wir Richtung Westen und machen noch einen Abstecher zur Geldermann Privatsektkellerei in Breisach, die Führungen durch den Gewölbekeller aus dem 15. Jahrhundert sind beeindruckend. Immer um 14 Uhr geht’s in die 13 Grad kalten Reifekeller – anschließend wird im Rahmen einer Verkostung probiert.
Hier finden sich weitere Inspirationen für Freiburg und die Region.
Unsere Empfehlung aus dem FEINSCHMECKER-Shop
Aushängeschild

Der „Schwarze Adler" ist ein Garant für klassische Hochküche, inspiriert vom französischen Nachbarn.
Das Markgräfler Land mit seinen sanften Hügeln, wegen seiner vielen Sonnenstunden gern als „Toskana Deutschlands“ bezeichnet, zeigt sich in seiner ganzen Anmut: Sanfte Hügel bieten optimale Bedingungen für den Wein, viele Spitzenbetriebe sind hier verwurzelt. Dazu gehört auch der „Schwarze Adler“ des umtriebigen Patrons Fritz Keller – neuerdings auch DFB Präsident. Sein Restaurant hat Kultstatus, ein Sehnsuchtsort für alle, die klassische badisch-französische Küche lieben. Wir bestellen zum Auftakt die Gänseleberterrine mit Feigenconfit, Schwarzen Nüssen und Brioche – comme il faut. Und den im Norden der Republik seltenen Genuss von Kutteln in Weißburgunder lassen wir uns hier natürlich auch nicht entgehen. Beides wird außerhalb des Menüs angeboten, sodass wir aus diesem dann nur noch das Dessert ordern. Ein Grund, bald wieder bei Fritz Keller einzukehren.
Beschwingt Frankophil gestimmt, geht es über die Grenze in die Franche-Comté nach Belfort. Hier ist die mächtige Festungsanlage von Vauban gut erhalten, sie hielt im Deutsch-Französischen Krieg der Belagerung stand, die Stadt wurde nicht dem Deutschen Reich zugeschlagen. An den Triumph des Widerstands erinnert der monumentale steinerne Löwe, das Wahrzeichen der Stadt. Der 360-Grad-Blick über Belfort von der Panoramaterrasse ist eindrucksvoll.
Unser nächstes Ziel ist „Le Pot d’Etain“ von Florence und Philippe Zeiger im Örtchen Danjoutin. Das junge Paar hat sein Restaurant vor Kurzem renoviert, jetzt hat es einen coolen, modernen Touch. Passend zur Küche von Philippe, die er augenzwinkernd als „aussi beau que bon“ charakterisiert. Genauso schön wie gut – das ist auch unser Eindruck beim Menü, bei dem Top-Produkte zeitgemäß präsentiert werden: Tatar von Gambas mit Bisque, getoppt von Kaviar, karamellisiertes Kalbsbries zu Pfifferlingen und einer Sauce mit Vin jaune, dem hiesigen Süßwein. Durch den kleinen Ort fließt der Savoureuse – passt irgendwie.
Zeitgemäß inszeniert

...und trotzdem gemütlich sind die Zimmer im La Chaumière in Dole. Das Hotel bietet mit großem Garten, beheizter Terrasse und Pool modernen Komfort.
Nach anderthalb Stunden erreichen wir Dole im Jura, das Hotel La Chaumière mit Park und Pool im Grünen ist eine wunderbare Adresse, um mehr als eine Nacht zu bleiben. Abends bittet Joël Cesari zu Tisch, wir nehmen Platz auf auberginefarbenen Sesseln vor grauen Steinwänden. Das Menü ist hochwertig, die Karte bisweilen humorvoll formuliert: „Filets de Perche du Leman à se lecher les Doigts“, Felchen aus dem Genfer See zum Fingerablecken. Danach Taube mit Mangold und Trüffeln. Rindfleisch kommt von Züchtern aus der Region.
Dole selbst besticht durch elegante Stadthäuser und das pittoreske Gerberviertel mit dem durchfließenden Doubs. Das Geburtshaus von Louis Pasteur wurde zum Museum umgewidmet, seine Entdeckungen sind heute noch aktuell, etwa das Pasteurisieren.
Im Zentrum von Beaune heißt uns die Hostellerie Cèdre willkommen – mit stilvollen Zimmern, Lounge, Spa und einer klassischen Küche. Der prächtige Restaurantsaal ist der passende Rahmen für die Menüs des jungen Chefkochs Jordan Billan. Die Foie gras im „Menu Création“ hat mit Roter Bete, Rhabarber und Honigkuchen fulminante Begleiter. Bei schönem Wetter ist die Terrasse angenehm und das „Menu Equi libre“ etwa mit Käseravioli, Zwiebelsud und Arganöl ein geschmackvolles Vergnügen.
Die berühmten Hospices in Beaune gehören zum Pflichtprogramm – in dem einstigen Krankenhaus werden jährlich die besten Burgunder des Hospices versteigert, das sich damit finanziert. Ein Teil des Gebäudes ist Museum, ein weiterer wird als Seniorenheim genutzt. Wein ist in Beaune das zentrale kulinarische Thema, hier ist allerdings mit der Moutarderie Fallot auch einer der besten Senfmacher Frankreichs ansässig. Besichtigen, verkosten, kaufen!
Die moderne Bar La Superb mit kleinen, feinen Gerichten ist ein empfehlenswerter Stopp für eine Pause während des Bummels.



- Im Zetrum von Beaune ist das Hotel Cèdre mit seinen großzügigen Außenanlagen eine schöne Adresse, um nach dem Stadtbesuch zur Ruhe zu kommen.
- Das Frühstück wird bei gutem Wetter im Garten serviert.
- Olivier Streiff kombiniert Kaninchenrücken, mit Fenchel, Senf und Zitrusfrüchten im „Relais de Saulx".
Kultiviert seinen eigenen Stil:

Olivier Streiff vom „Relais de Saulx".
Modern und schick ist auch das „Relais de Saulx“. Küchenchef Olivier Streiff vergleicht die Komposition eines Gerichts mit der eines Musikstücks. Seine Gerichte sind spannungsreich, etwa pochiertes Ei mit Süßkartoffelcreme und Mousse von Kaffee und Speck oder Ente mit Blumenkohl, Arganöl, Karottenperlen und Kamille. Auch das Ambiente in der ehemaligen Poststation ist stimmig – Natursteinwände, Holztische und die Speisenkarte auf einer Tafel.
Gut, dass wir hier einige Tage mehr ein geplant haben ...
Text: Sabine Michaelis
Besuchte Restaurants
Konzept: Ländliches Feinschmeckerrestaurant mit Menükonzept, Fünf-Gang-Überaschungsmenü (€ 105, Mi/Do), Sechs-Gang-Gourmetmenü (€ 140, Fr/Sa), Fünf-Gang-Gemüsemenü (€ 95, Fr/Sa, auf Vorbestellung), Mittagsmenü 4-5 Gänge (€ 60/105, nur Sa)
Küchenstil: Steffen Ruggabers überaus klug durchdachte und von geradezu tänzerischem Spiel geprägte Küche zieht im beschaulichen Weinort Roßwag seit Jahren Einheimische und auswärtige Genießer an. Pointiert, stets auch mit feinherben Elementen balanciert und niemals überladen kommen seine Kreationen auf den Tisch wie beispielsweise eine moderne Interpretation des Vitello Tonnato mit Balfegó-Thunfisch und Milchkalb oder Zander mit Röstzwiebel in Texturen, Spitzkohl und Kalbskopf. Das australische Westholme Wagyu Beef bekommt durch Auberginen, Feta und Oliven mediterrane Beschwingtheit. Ein moderner Klassiker ist hier mittlerweile das in Escabeche-Sud eingelegte Gemüse, das mit Mango, Kefir, Estragon und Roggenbrot variiert wird.
Wein: Große Weinauswahl, aber ganz bewusst ausschließlich von besten deutschen Winzern.
Atmosphäre: Behutsam moderne gestaltetes Interieur im alten Fachwerkgemäuer. „Danke, dass wir heute Ihre Gastgeber sein dürfen!“ steht hier auf der Speisekarte – diesen Geist spürt man auch beim herzlichen Service.
Fazit: Stimmiges Genusserlebnis mit großartigen Gastgebern, das einfach Spaß macht.
Konzept: Modernes, spektakulär designtes Toprestaurant im Europapark Rust mit zwei Siebengänge-Menüs (€ 169), eines davon vegetarisch.
Küchenstil: Peter Hagen-Wiest hat das Restaurant an die Spitze in Deutschland geführt mit einer zugleich hochkreativen, aber nie artifiziellen Küche. Der sympathische Österreicher konzipiert hochpräzise, zeitgemäße Klassik in zwei Menüs: „Around the World“ mit internationalen Topprodukten und „Green Forest“, die vegetarische Variante, die sich stilistisch von den Küchen der Welt inspirieren lässt, wenn etwa der japanische Eierstich Chawanmushi mit Shiitake und Beten auf den Teller kommt oder Ricotta-Ravioli mit Walnuss und Zwiebel. Im Weltmenü beginnt das Essvergnügen im Herbst ganz klassisch mit Gänseleber, Trüffel und Topinambur, um nach Jakobsmuschel mit Apfel, Blutwurst und Steckrübe zum elegant inszenierten Kalbsbries mit Spitzkohl und Bergamotte-Noten überzugehen. Alles ist höchst ästhetisch auf immer passendem Geschirr angerichtet.
Wein: Sommelier Marco Gerlach zählt zu den Besten seines Fachs. Er berät bei der Auswahl von 450 Positionen mit dem Besten aus den Weinbauregionen der Welt.
Atmosphäre: Das Restaurant im Erdgeschoss ist eine Farbwelt in Gold, Aubergine und Silber, schimmernde Organzavorhänge trennen die Tische. Am Eingang befindet sich ein spektakuläres Kunstwerk aus farbigen Glasfäden, eine Hommage an den namengebenden Schmuckstein. Versierter, zugewandter Service auf Augenhöhe.
Fazit: Souveräne Empathie und erstklassige Stimmung mit dem Gast im Mittelpunkt – rundum ein Wohlfühlerlebnis!
Konzept: Martin Fauster wird das Restaurant übernehmen und neu durchstarten. Die bisherigen Betreiber Sascha und Manuela Weiss hatten das Restaurant aus gesundheitlichen Gründen im vergangenen Jahr geschlossen. Ursprünglich wollte Fauster im „Markgräfler Hof“ ein eigenes Konzept verwirklichen – aber dieses Projekt kam nicht zustande.
Küchenstil: Übergangsweise betrieb Fauster ein Pop up in der Kellerwirtschaft in Oberbergen, insofern hat er weitgehend eine Mannschaft aufgebaut. Es soll ein Menü mit klassisch-französischen Gerichten geben, die behutsam modernisiert sind. Fauster hat bereits ein Netz an regionalen Lieferanten geknüpft, auf das er aufbauen will. Wir sind sehr gespannt, wie sich der Neustart entwickeln wird und werden berichten.
Konzept: Gourmet-Institution mit berühmten Klassikern à la carte und einer ebenso berühmten Weinauswahl.
Küchenstil: Christian Baur führt die Küche im badisch-französischen Stil weiter: Ein schönes Beispiel dieser Kombination ist die Gänseleberterrine mit geliertem Rotkohlsaft, heimischer Hagebutte und Brioche (€ 32), im Hauptgang etwa an der Karkasse gebratene Brust einer Taube vom Züchter Théo Kieffer mit Sauce Bordelaise, Räucheraal-Tarte und Beten (€ 46).Ein seltener Genuss ist die getrüffelte Poularde in der Meersalzkruste für zwei (ab € 140).
Wein: Besitzer und Winzer Fritz Keller hat eine Karte aufgebaut, die mit 2700 Positionen einzigartig ist in Deutschland. Sommelière Melanie Wagner hilft, sich hier zurechtzufinden.
Atmosphäre: So klassisch wie die Küche ist auch das Interieur im Landhausstil. Der Service ist erfahren und höchst umsichtig.
Fazit: Klassisch-stilvolle Küche mit hohem Anspruch, zeitgemäß interpretiert.
Tour 2: Von Düsseldorf über Nimwegen nach Cadzand an die Nordsee
Emile van der Staak, Chefkoch des „De Nieuwe Winkel“, geht in die Hocke, zupft einen Trieb vom Sichuanpfeffer und hält ihn breit grinsend vor sein Gesicht: „Hier ist jeden Tag eine andere Saison.“ Hier, das ist 20 Kilometer von Nimwegen entfernt, mitten in einem 2,5 Hektar großen Wald, der als Food Forest angelegt wurde. Die meisten Zutaten bezieht der hoch gewachsene Koch aus diesem Areal. Doch bevor wir diese außergewöhnliche Küche erleben, beginnt unsere Reise 114 km weiter südlich.
Mit dem Auto geht es von Düsseldorf über Roermond, Venlo, Nimwegen, Oosterhout nach Cadzand an die Nordsee. Das „Berens am Kai“ von Holger Berens ist eine der wenigen guten Adressen, in denen man noch mittags einkehren kann. Eine gute Basis für unsere Tour!
Schon kurz hinter der deutschniederländischen Grenze befindet sich mit Roermond der erste Stopp. Die Stadt ist weithin bekannt für ihr Outlet Center und hat doch so viel mehr zu bieten. Zum Beispiel das Restaurant „Sabero“. Unauffällig steht das Eckhaus an einer vierspurigen Straße, die direkt zum Shopping-Paradies führt. Hier betreiben Nico und Sonja Boreas ihr Restaurant mit viel Herzlichkeit und überraschenden Gerichten. Aus der offenen Küche kommen BBQ-Auster mit Kohlrabi, Ponzu und Miso oder Nordseekrabben mit Spargel, Ingwer und Yuzu. Regionale Produkte, perfekt zubereitet, werden mit vielfältigen Aromen aus den Küchen dieser Welt zu einem besonderen Erlebnis. Ein fulminanter Beginn.



- Im „Sabero" servieren Sonja und Nico Boreas überraschende Gerichte voller Ideen und mit asiatischen Einflüssen.
- Aal mit Roter Bete, Wasabi, Ponzu und Apfel.
- Im lichten Restaurant trifft rohes Mauerwerk auf modernes Interieur.
Das „Valuas" ...

... in Venlo liegt direkt an der Maas und bietet komfortable Zimmer sowie zwei Restaurants: die Brasserie „La Vie" und das Gourmetrestaurant „Valuas", das etwa mit Foie gras, Kaki, Kürbis und Totentrompeten verführt.
Parallel zur Grenze geht es ein Stück nach Norden. In Venlo leitet Eric Swaghoven, das Restaurant „Valuas“ und die Brasserie „La Vie“, das Wohnzimmer des Hauses. Schwere Sessel, ein Teppich, in dem jeder Tritt versinkt und eine breite Fensterfront schaffen Wohlfühlatmosphäre. Die Maas fließt gemächlich an der Terrasse vorbei, der freie Blick auf den Fluss ist bei Sonnenschein die beste Wahl. Mittags bietet das À-la-carte-Menü eine breite Auswahl an klassischen Gerichten, darunter auch das niederländische Nationalgericht: Bitterballen – Fleischkroketten. Aber die Version von Chef Swaghoven hat mit den berüchtigten Bällchen zum Bier so viel zu tun wie die Arktis mit Äpfeln. Die Kruste kracht, und die Füllung aus Rindfleischragout ergießt sich herrlich geschmackvoll auf den Teller.
Nach dem heißen Start braucht es eine Abkühlung. Die liefert ein Krabbencocktail. Holländische Nordseekrabben werden mit klein geschnittenen Salatherzen serviert. Die Sauce kommt als aufgeschlagene Mousse auf die Krabben. Knackiger Salat, cremige Cayenneschärfe und die hausgemachte Brioche sorgen für gute Stimmung. Dank je wel.
Nimwegen, die älteste Stadt der Niederlande, ist erstaunlich jung geblieben. Zwischen alten Gebäuden tummeln sich Studenten, umgeben von unzähligen Fahrrädern, die über die allgegenwärtigen Radwege rollen. Das Auto bleibt hier stehen.
Zum Beispiel auf dem Parkplatz des Guesthouse Vertoef. Das Hotel am Rand der Innenstadt war früher ein Bürogebäude und sieht auch so aus: grau und groß. Wer sich davon nicht abschrecken lässt, wird überrascht. Die Zimmer sind hell, moderne Holzmöbel und Tapeten offenbaren nichts mehr vom ehemaligen Bürobetrieb. Statt Akten gibt es schöne Ausblicke, Kühlschrank so wie Mikrowelle sind ebenfalls vorhanden.
Vor dem Abendessen geht es durch den nahe gelegenen Kronburgerpark mit dem gut erhaltenen, fast 30 Meter hohen Turm der Stadtmauer am Wasser vom alten Stadtgraben. In seinem Schatten schnattern Enten. Die Lange Hezelstraat hinter dem Park führt vorbei an alten Giebelhäusern, modernen Cafés und kleinen Geschäften. Überall gibt es hier etwas zu entdecken.
Zum Restaurant „De Nieuwe Winkel“ biegt man von der schnurgeraden Fußgängerzone in verwinkelte Gassen, die man hier nicht erwartet hätte. Es ist augenblicklich ruhig. Das Restaurant liegt im Souterrain eines alten Waisenhauses aus dem Jahr 1642: Rohes Mauerwerk, skandinavisches Interieur und eine offene Küche sind einladend und modern.
Die Küche von Emile van der Staak ist stark von der New Nordic Cuisine beeinflusst. „2014 war ich im ,Noma‘, und mir wurde bewusst, was in der Küche möglich ist“, erzählt van der Staak. Das Menü mit vegetarischem Schwerpunkt profitiert von den über 350 Arten des Food Forest, darunter Bambus oder japanischer Ingwer. Der Chefkoch sammelt morgens das, was gerade am besten schmeckt, und serviert es abends. Wouter van Eck, initiierte das Projekt 2009, er weiß genau, wo und wann man etwas findet.
Naturweine und hausgemachte Säfte ergänzen die Küche, die vor Frische strotzt. Sechs Minuten zuvor bereiteter Schafsmilchquark, Brennnesselemulsion mit Kräuteröl und Wildkräutern erfrischen. Ein 2018er Burja aus Slowenien bringt florale Noten ins Glas und verstärkt die Aromen. Unter einer dünnen Scheibe Enteneigelb verbergen sich Wildspargel, Mandelöl und Lindenemulsion. Der geriebene Spargel gleicht einem saftigen Tatar, mildnussiges Öl umhüllt die kleinen Stücke, Eigelb steuert Cremigkeit bei. Dazu fermentierter Gurkensaft mit Molke, der so intensiv nach Gurke schmeckt, wie es dem Gemüse selbst nicht möglich wäre.
Als Dessert eine Schokoladenmousse, die keine ist, weil sie auf Gerste basiert. Diese wird mit Koji fermentiert, geröstet und mit Sahne zu einer Mousse verarbeitet, die an Milchschokolade erinnert. Dazu wilde Kirschen und Sahne, die mit Kirschkernen aromatisiert wurde. Brillant!



Im „Zout & Citroen"

Hummer aus der Oosterschelde mit Wolfsbarsch, Karotte und Crème brûlée von einer hummerbisque.
Nach Westen geht es auf die A59, eine gute Stunde später fährt man auf einen imposanten Innenhof. Links Schloss Brakestein, rechts das alte Kutscherhaus, in dem das Restaurant „Zout & Citroen“ (auf Deutsch: Salz und Zitrone) liegt. Massive Deckenbalken im Inneren zeugen vom Alter des Hauses aus dem 19. Jahrhundert. An der großen Bar vorbei geht es in den hellen Anbau mit Blick auf den traumhaften Garten. Das Restaurant ist von Stadt und Schlosspark umgeben, man sitzt im Grünen.
Bram Helleman und seine Frau Patricia haben hier ein echtes Schmuckstück erschaffen, und auch die Küche kann da mithalten. „Auf dem Teller bin ich ruhiger als zu meinen Anfangszeiten, jetzt ist das Produkt im Fokus, aber überraschend würze ich immer noch“, sagt Bram über seine Küche. Beim Steak tartare sind das geräucherte Eigelb und der gepuffte Dinkel die Details, die Hellemans Küche besonders machen. Der grüne Apfel zum Wolfsbarsch auf Schalentiermousseline gibt Säure zur vollmundigen Sauce und verleiht eine unerwartete Saftigkeit. Zu trinken gibt’s kaltes Ingwerbier mit Earl-Grey-Tee und abgeriebener Schale von der Kaffirlimette – genau das Richtige für die letzten Kilometer.
Die Nordsee gibt die Karte vor.

Küchenchef Laurent Smallegange vom „Spetters" in Breskens setzt auf lokalen Fisch und Meeresfrüchte. Hier inspiziert er Algen, die auf den Pfählen in der Nordsee wachsen.
Dem Ziel entgegen: Cadzand. Der kleine Ort mit etwas über 700 Einwohnern wirkt verträumt, ist aber eine Berühmtheit, seit in Cadzand-Bad sein Genuss-Imperium gründete. Blumen hängen an den Straßenlaternen, die flachen Häuser stehen dicht an dicht, selten rattert ein Auto übers Kopfsteinpflaster. Das Boutiquehotel UMA bietet fünf Zimmer, alle in dividuell von den Inhabern Mariza und Jacques gestaltet. Die Küste ist schnell erreicht. Dort stimmen Sandstrand und Nordseebrise auf das Abendessen am Wasser ein.
Nur 15 Kilometer entfernt liegt das Hafenstädtchen Breskens, wo Laurent Smalegange seit 2011 das „Spetters“ führt. Die Lage an der Küste bestimmt die Küche, und während der Blick noch über die Westerschelde streift, werden Mondvermaakjes, Amuse-Gueules, und dann die Hauptgerichte serviert: Knurrhahn in Escabeche mit grünem Spargel, Herzmuscheln und Chili bringen Salz, Säure und Schärfe in schöne Balance. Die Spannung findet auf dem Teller statt, Flaute herrscht im Hafen. Den Wolfsbarsch mit Strandkrabbensauce, Tintenfisch und Fideuà (Fadennudeln) genießt man bis zum letzten Tropfen Sauce. Zum Schluss eine Variation von Himbeeren und Verbene – erfrischend wie ein Sprung ins Meer.
Text: Julius Schneider
Besuchte Restaurants
Konzept: Coole Location am Medienhafen, in der Holger Berens seit Januar 2022 nicht mehr die Küche leitet, sondern als Geschäftsführer tätig ist. Michal Slawik übernimmt die Position des Küchenchefs. Der Test fand vor seinem Wechsel statt. Freie Wahl zwischen modern-kreativem Menü (€ 79-107) und Holger Berens’ Klassikern.
Küchenstil: Französische Basis, klassisches Handwerk und viel Geschmack bei nun latent einfacher aufgebauten Gerichten – vor allem, wenn die Küche einen guten Tag hat; marinierte Waldpilze auf Trüffel-Flan aromatisierte ein Wagyu-Beeftea, wunderbar bissfeste Spaghetti kamen mit reichlich Hummer und feiner Chili-Schärfe (€ 32). Die recht kleine Langustine fand sich in einem Spannungsfeld von gebrannter Zitrone mit sanft gegartem Lachs in Pak-Choi – ein herbes Spiel mit Süße und Säure. Sehr fein waren die sanft gegarte Jakobsmuschelscheiben auf Reis mit Aal-Duft. Wunderbar schmeckte die Entenbrust mit Dim Sum, etwas harter Schwarzwurzel und intensiver Jus.
Wein: Die europäische Weinkarte erschien uns deutlich kleiner, die eine oder andere Flasche älterer, gereifter Jahrgänge zu akzeptablen Preisen findet man weiterhin.
Atmosphäre: Großzügiger Raum mit hoher Decke und großer Sommerterrasse. Das Facelifting mit Holztischen und Parkettboden hat Wärme ins vormals kühl wirkende Restaurant am Medienhafen gebracht. Das tut der Stimmung gut, und man mag häufiger kommen.
Fazit: Entspannter Genuss mit Anspruch in großzügigem Setting.
Innovative Küche auf hohem Niveau mit asiatischen Einflüssen – einfallsreich und unerwartet.
Wir sagen Danke!

Hans Haas für 29 Jahre Spitzenküche im „Tantris". Schön war´s. Ach was, wunderbar!
Tour 3: Durchs Chiemgau ins Salzburger Land
Diese Reise beginnt mit einem Ende. Hans Haas, der in fast 30 Jahren das „Deutsche Küchenwunder“ mitgeprägt hat, hört im Dezember 2020 auf. Wir besuchen noch einmal das „Tantris“ unter seiner Regie und nehmen von dort Haas’ Heimat Österreich ins Visier. Noch einmal lauwarmen Lachs mit Lauchpüree, brauner Butter und Imperial Kaviar genießen, jeden Bissen vom Kalbskopf in Ciabatta zelebrieren und mit dem Seeteufel mit kräftigem Paprika-Chorizo-Sud in der Haas’schen Opulenz schwelgen. Ikonische Gerichte eines legendären Kochs. 2021 wird es unter neuer Leitung weitergehen. Wenn man schon mal in München ist, sollte man übrigens (unbedingt rechtzeitig) immer auch einen Besuch bei Jan Hartwig in seinem „Atelier“ im Hotel Bayerischer Hof einplanen – einer der ganz Großen der neuen Generation!
Richtung Süden, über die A8 geht es jetzt aber endlich Richtung Österreich. Vor der Grenze liegt mit Heinz Winklers „Residenz“ noch eine Ikone auf dem Weg, die Steffen Mezger in der Küche erfolgreich in die Zukunft führt. Spätestens jetzt haben wir das Ziel im Visier: Für die Fahrt nach Zell am See planen wir drei Tage und drei Stationen: Golling, Werfen und Leogang.
Durch die türkisgrüne Salzach, einen Zufluss des Inns, geht es nach Golling. Durch den Ort am Fuß der Berchtesgadener Alpen rollt man bis zum Haus der Döllerers, die knallroten Fensterläden sind nicht zu übersehen. 1909 übernahmen Alois und Elise Döllerer den „Großgasthof zum goldenen Stern – Fleischhauerei und Selcherei“. 111 Jahre später haben ihre Nachfahren eine kleine Genusswelt mit Weinhandel, Restaurant und Hotel erschaffen.
Andreas Döllerer ist Küchenchef und Erfinder der „Alpine Cuisine“: Bayerische Garnele (aus deutscher Zucht) kombiniert er mit Zirben-Ingwer-Öl und Zirben-Aioli. Frische Ingwerschärfe und die leichte Harzigkeit des Kieferngewächses passen überraschend gut. Die gegrillte Bluntauforelle serviert er mit Blaubeere und Bergwacholderpesto, der rauchig-milde Fisch profitiert von dem kräftigen Pesto, die Beeren sorgen für süßsaure Spitzen. Döllerer weiß auch zu unterhalten.
Das Hotel im selben Haus bietet hochwertige und modern eingerichtete Zimmer. Wer möchte, bucht eines mit Balkon.



- Sensationelle Gerichte erwarten den Gast auch in „Döllerers Genießer Restaurant", ...
- ...etwa „Alpine Jakobsmuschel" mit Ochsenmark-Mayonnaise und Spitzkohl.
- Das „Obauer" in Werfen macht seit über 40 Jahren regionale Küche auf besondere Weie erlebbar und liegt in malerischer Umgebung.
Die Fahrt von Golling nach Werfen könnte gern länger sein: Von Bergen umgeben, führt sie vor imposantem Panorama über die Tauernautobahn in nur 15 Minuten zum Restaurant „Obauer“. Dort führen mit Karl und Rudolf Obauer zwei echte Handwerker Regie. Seit über 40 Jahren bieten sie eine ungewöhnliche Regionalküche, raffiniert zubereitet. Auch das 1979 gegründete familieneigene Hotel ist auf der Höhe der Zeit: Helle Räume und eine großflächige Terrasse wären auch für einen längeren Aufenthalt eine gute Wahl, für einen Zwischenstopp erst recht.
Forellenstrudel mit Veltlinersauce und Champignonpüree repräsentieren die Küche der Obauers aufs Schönste. Allerbeste Produktqualität, perfekt zubereitet und harmonisch, ebenso das Werfener Lamm mit Sauerrahmrettich und Brennnesselnockerl. Der Almrausch Erdbeertonic ohne Alkohol schmeckt, wie der Name vermuten lässt: belebend und lebendig.



- Im Hotel mama thresl gibt es mehr Sportangebote als Bars, aber eine reicht auch – vot allem, wenn sie so spektakulär ist.
- Im Naturhotel Forsthofgut kann man sich nicht nur im Wellnessbereich erholen. Wer möchte, hat einen Platz am Wasser – Daybed inklusive.
- Küchenchef Michael Helfrich kocht vor den Augen der Gäste im Restaurant „Echt. Gut. Essen.".
Auf dem Weg nach Leogang iegt das „Verwöhnhotel Sonnhof“. Hier führt Vitus Winkler das Restaurant „Vitus Cooking“ mit seiner unkonventionellen Heimatküche. Er wird unser „“ in der Novemberausgabe 2020. Hier lässt sich wunderbar ein weiterer Zwischenstopp einplanen, wenn mehr Zeit ist.
Über die Bundesstraße 164 geht es zum Hotel mama thresl, vorbei an weiten grünen Wiesen und kleinen Almhütten, die Berge als stetes Panorama. Das Hotel steht direkt an der Straße und ist ein Mix aus Moderne und Tradition. An Holz und Glas wurde nicht gespart. Die Zimmer, egal welcher Klasse, stehen unter dem Motto „woodenstyle“. Die Wände sind komplett mit Zirbenholz ausgekleidet, was die Räume hell macht und ihnen Wärme verleiht. Der Stil ist zünftig-modern, angesprochen werden erholungsbedürftige Städter: „urban soul meets the alps“.
Die Bergluft macht Appetit, da ist es gut, dass der Weg zum Abendessen nicht weit ist. Kurz über die Straße, ein paar Meter weiter, und schon sieht man das Naturhotel Forsthofgut. Die Außenwände mit Holz verkleidet, fügt sich der imposante Häuserkomplex natürlich in die Landschaft ein. Im Restaurant „Echt. Gut Essen.“ steht die offene Küche im Zentrum, die Wände sind großzügig mit Metall beschlagen.
Die Roulade vom Junglauch mit Morcheln ist ein wunderbar geschmackvolles Gericht, ebenso die Milchlammschulter mit Zwiebelconfit und nordafrikanischen Gewürzen. Küchenchef Michael Helfrich verbindet bestes Handwerk mit modernen Akzenten. Als Absacker gibt’s einen kurzen Spaziergang in klarer Alpenluft zum Hotel mama thresl.
Bouillabaisse ist nicht typisch

für die Region, aber für das Restaurant „Ess:enz": Klassik, modern zubereitet in der offenen Küche.
Neuer Tag, neues Restaurant. Leogang hat sich mittlerweile zu einem Ort für Genießer entwickelt. Das „Ess:enz“, das zum Naturresort Puradies gehört, ist ebenfalls fußläufig erreichbar. Der neue Küchenchef Nenad Pancic verbindet eine klassische Basis mit regionalen Zutaten, die meisten vom eigenen Biobauernhof. Die hausgemachte Pasta sollte man probieren. Die Leoganger Lachsforelle kommt mit Krenschaum und Risotto, zart die Forelle, schlotzig der Risotto, frischer Knack kommt von glasierten Radieschen. Topfenauflauf als schöner Abschluss. Es folgt – die letzte Etappe.

Der erste Eindruck vom Zeller See: wunderschön – und winzig. Klares Wasser, spiegelglatte Oberfläche, umringt von den Alpen. So verlockend, dass man anhalten und hineinspringen möchte. Wie gut, dass das Landhotel Erlhof über einen eigenen Zugang zum See verfügt. Die Zimmer sind großzügig geschnitten, die neuen (moderneren) Panoramazimmer bieten freien Blick auf die umliegende Berg und Seenlandschaft.
Familie Brüggler betreibt neben dem Hotel auch ein Restaurant, in dem Vater Jürgen mit Tochter Sonja die Küche leitet. Zum marinierten Züngerl mit Kräutervinaigrette gibt es herrlich frischen Salat. Auch beim nächsten Gericht stehen Innereien im Mittelpunkt: Scheiben vom Rindslungenbraten mit Fisolen (Bohnen) und gebratene Kartoffelnudeln sind deftig, aber fein abgeschmeckt, Zwiebelmarmelade steuert eine milde Süße bei. Als süßer Abschluss lockt eine Marillentarte mit Zimtschaum und Topfen-Rum-Eis. Der wolkenlose Sternenhimmel vor dem Panoramafenster ist atemberaubend.
Im Restaurant „Seensucht"

fällt der Blick auf den Zeller See dazu eine Salzburger Küche mit mediterranen Einflüssen. Crossover mal anders.
Der Vormittag gehört dem Zeller See, das Wasser ist herrlich und wunderbar erfrischend. Danach geht es zur letzten Station, dem Restaurant „Seensucht“, einen kurzen Spaziergang vom Hotel entfernt. Der Name weist auf die Uferlage hin, vor dem Essen nehmen wir einen Aperitif auf der Lounge-Terrasse „See La Vie“ direkt am Wasser. Im Restaurant geben bodentiefe Fenster den Blick auf den See frei.
Chefkoch Michael Schnell serviert eine Crossover-Küche aus dem Salzburger Land mit mediterranen Einflüssen. Gebratener Rehrücken und sous vide gegarte Keule werden mit Hagebutte, Mohn und Kohlrabi serviert: alles bestens auf den Punkt und mit Kurkuma abgeschmeckt. Gegrillter Zander mit Balsamico und Roter Bete schmeckt saftig, Sauerrahm und Roseval-Kartoffel steuern eine schöne Cremigkeit bei. Die soufflierte Waffel mit weißer Schokolade und Tonkabohne ist ein opulenter Abschluss.
Beim Digestif auf der Terrasse die entscheidende Frage: Welche Pausen planen wir für die Rückreise? Um es mit Goethe zu sagen: Man reist ja nicht, um anzukommen, sondern um zu reisen.
Text: Julius Schneider
Besuchte Hotels und Restaurants
Konzept: Die Ikone hat sich zum 50. Jubiläum mit jungem Team komplett neu aufgestellt, knüpft aber an die eigene Tradition an: große französische Küche, zeitgemäß interpretiert. Zwei Menüs (sechs und acht Gänge € 230-295) zur Wahl.
Küchenstil: Benjamin Chmura, zuletzt Küchenchef bei Troisgros, hat trotz seiner erst 32 Jahre bereits viel von der Welt der großen Küche gesehen, das merkt man seinen Menüs an. Sie glänzen durch beste Produkte, souveränes Handwerk und eine zeitgemäß-weltoffene Interpretation französischer Tradition. Seine Kreationen sind mal so dekorativ wie die zur Blüte arrangierte marinierte Bete mit gezupftem St. Pierre, Radieschen und buttriger Sancerre-Nage oder wie die Steinpilze (als Ragout und roh gehobelt), in delikatem Blätterteig zum Türmchen gestapelt, mit Birne, Lardo und Pedro-Ximenez-Vinaigrette. Mal sind sie aber auch ganz puristisch wie die bewusst knapp gegarte Rotbarbe mit Salzzitrone und Safran- Beurre-blanc. Große Kochkunst ist der Wildhase à la Royale, ein aufwendiges Gericht, das hierzulande nur noch wenige Chefs beherrschen, es begeistert mit Wildaromatik, dem Schmelz von Foie gras und geradezu lasziv sämiger Sauce. Ausgezeichnete Patisserie und eigene Bäckerei!
Wein: Die Karte beeindruckt mit Umfang, Jahrgangstiefe und seltenen Bouteillen aus dem über 50 Jahre gewachsenen Keller. Tipp: Bei Empfehlungen nach dem Preis fragen.
Atmosphäre: Das spektakuläre Design der 1970er Jahre in Rot, Schwarz und Orange wurde behutsam restauriert und nur in Details verändert; im Service dominieren junge Gesichter.
Fazit: Hochkarätige Gastlichkeit, bei der Küche und Wein im Mittelpunkt stehen.
Konzept: Elegantes Gourmet-Restaurant des Spitzenhotels Bayerischer Hof, ein Menü (€ 205-235).
Küchenstil: Erster Eindruck nach dem Weggang von Jan Hartwig: Nachfolger Anton Gschwendtner kocht auf klassischer Basis mit japanischen Einschlägen, muss seinen persönlichen „Atelier“-Stil aber noch finden. Ganz stark der Einstieg bei Kaisergranatpraline in Tomatenwasserhülle, noch etwas unwuchtig der japanische Eierstich mit Rauchaal- und Birnenwürfeln. Kraftvoll als Produkt das Forellenfilet, das gut neben Meerrettichschaum und mildem Senf besteht, dazu ein Mini-Kalbskopfsandwich. Champignons, Alblinsen und Sherry unterstützen die wohlige Nussigkeit des glasierten Kalbsbries’ optimal, die stark reduzierte Jus zum Rehrücken ist ein klassikbetonendes Ausrufezeichen.
Wein: Rund 400 Positionen, preislich durchaus eine Herausforderung an den Gast. Inhaltlich kommt die Chance eines Neubeginns durch
den von Léa Linster gewechselten Sommelier Shahzad Talukder.
Atmosphäre: Im innen liegenden grau-braun designten Atelier sorgt geschickte Beleuchtung für eine intime Stimmung. Restaurantleiter Julian Kraus ist ein formvollendeter, aber nicht förmlicher Gastgeber, der Raum und Gäste im besten Sinne bespielt.
Fazit: Hochkarätige Küche mit Raum für Entwicklung – hier geht noch mehr!
Konzept: Seit 30 Jahren zelebriert Heinz Winkler seine „Cuisine vitale“ in Aschau – eine Klassikerküche, die ihre feste Stammklientel hat. Zwei Menüs (€ 135-205), eins davon vegetarisch; großes À-la-carte-Angebot.
Küchenstil: Hinsichtlich Innovation, kompositorischer und auch technischer Finesse haben andere Häuser die Residenz inzwischen überrundet. Wo jedoch die Küche ihre Klassiker konzentriert umsetzt, hat sie zu Recht ihre treuen Fans. Die perfekt saftige, angenehm feste Steinbuttschnitte mit Rotweinbutter, Spinat und Wildreis ist optisch unspektakulär, bietet aber eine bewundernswert ausgewogene Kombination von Süße, Grün und Nussigkeit. Weniger vollendet fanden wir die zunächst originell klingende „Variation von Kürbis mit Galia-Melone und Senfsaat", im Kern ein charakteristisch süßes Kürbispüree, belegt mit Brokkoli, Blutampfer, Melonenstückchen, eingelegten Senfkörnern und etwas rosa Ingwer – in der Idee interessant, doch hinsichtlich Präsentation und geschmacklicher Balance noch entwicklungsfähig. Auch beim Dessert „Pavlova“, interpretiert als zwei kompakte Meringueschalen mit Mango und Basilikum-Chiboust, gelang die Umsetzung nicht überzeugend.
Wein: Rund 650 Positionen kommen in einem Ringordner. Die großen Klassiker aus Frankreich, Spanien und Italien etwa bietet die Residenz jahrgangstief und teils schwindelerregend bepreist. Als überraschendes Kontrastprogramm gibt’s Toni Söllners progressiven Roten Veltliner aus der Steinflasche.
Atmosphäre: Prachtvoll-romantisches Dekor, stellenweise mit leichter Patina. Der Service bleibt trotz vieler junger Gesichter eine klassische Inszenierung. Insgesamt ein traditionsverbundenes Bild aus frankophiler Fülle und alpiner Noblesse.
Fazit: Gediegene Gastlichkeit rund um die große Klassik.