Whisky aus Asien

Whisky aus Asien

Die Schotten müssen sich warm anziehen: Konkurrenz aus Japan, Taiwan und Indien wirbelt den Whiskymarkt durcheinander. Die Malts aus Fernost schmecken aufregend anders als Scotch, sind sehr begehrt und oft nur für kurze Zeit auf dem Markt. Eine spannende Whiskywelt!
Datum16.09.2019

Text: Kersten Wetenkamp, Miguel Montfort

Whisky aus Japan? Da fällt Cineasten natürlich sofort der Film „Lost in Translation“ von 2003 ein. In einer herrlich komischen Szene schaut dort der abgehalfterte US-Schauspieler Bob Harris, dargestellt von Bill Murray, in einem Tokioter Studio verkatert in die Kamera und soll für einen Werbespot den japanischen Whisky Suntory anpreisen – immer wieder lautstark beschimpft vom unnachgiebigen Regisseur, auf Japanisch, versteht sich. Stets durchzieht der Werbeslogan als Running Gag den Film: „Suntory time!“ Manchen Filmfan verblüfft, dass Suntory wirklich existiert. Und mochte man vor 13 Jahren noch über die nationalstolzen japanischen Destilleriemanager schmunzeln, die ihren Kollegen in Schottland und den USA nacheiferten, ist es damit 2016 längst vorbei. Suntory muss man ernst nehmen, und wie! 2014 schluckten die Japaner für 14,8 Milliarden Euro mal eben den amerikanischen Jim-Beam-Konzern und begründeten damit Beam Suntory mit Sitz im US-Staat Illinois, den drittgrößten Getränkemulti der Welt mit einem Jahresumsatz von 4,2 Milliarden Euro.

Neue Zeiten in der Whiskyszene, zumal inzwischen nicht nur aus Japan exzellente Brände kommen, sondern auch aus Indien und Taiwan

Die Japaner schlagen zurück – aber nicht nur mit Geld, sondern auch mit Fernost- Whiskys in bislang ungekannter Qualität. Man halte sich fest: Zum „weltbesten Whisky“ kürte der renommierte britische Kenner Jim Murray, Autor der „Whisky Bible“ (und nicht mit dem Schauspieler verwandt), im Jahr 2015 ausgerechnet den Yamazaki Single Malt Sherry Cask, gefolgt von drei amerikanischen Bourbons. Die Schotten gingen bei den ersten Plätzen leer aus. Neue Zeiten in der Whiskyszene, zumal inzwischen nicht nur aus Japan exzellente Brände kommen, sondern auch aus Indien und Taiwan. Zwei Namen muss der Whiskyfreund sich mindestens merken, wenn er beim Thema japanischer Whisky mitreden will: Yamazaki und Nikka. Yamazaki war die erste Destillerie in Japan, sie ging 1923 in Betrieb. Gebaut hatte sie Shinjiro Torii, ein Wein- und Sakeproduzent, der gern schottischen Whisky trank und davon träumte, einen ebenso guten herzustellen, der aber mit japanischen Gerichten harmonieren sollte. Torii, Begründer des Konzerns Suntory, stellte als ersten Brennmeister einen Japaner ein, der sein Handwerk in Schottland gelernt hatte, Masataka Taketsuru. 1934 wurde Taketsuru abtrünnig und gründete seine eigene Brennerei Nikka.

Yamazaki und Nikka - zwei Namen für Whisky aus Japan

Seither sind die beiden Whiskyfirmen Rivalen. Für europäische Fans ist das nicht schlecht: Konkurrenz belebt das Business. Hochklassige Abfüllungen von Suntory und Nikka gibt es jedes Jahr zuhauf, allerdings ist ihre Auflage trotz stetig wachsender Fangemeinde klein, und sie sind rasch ausverkauft. Hier sollten nicht nur Whiskyfans, sondern auch Investoren zugreifen, die japanischen Raritäten dürften im Wert stetig steigen. Und der Geschmack? Aufregend – die Whiskys aus Japan sind eine Art Wundertüte, bei der man zunächst nicht weiß, was einen im Glas erwartet. Es können Blends aus verschiedenen japanischen Whiskys sein, seltener auch aus nur einer einzigen Destillerie (single malt), destilliert aus Gerstenmalz, aber auch aus Mais (grain whisky), oft ohne Altersangabe. Trotzdem sind sie geschmacklich eine sichere Bank, weich, rund und gefällig mit würzigen und fruchtigen Noten dank penibel überwachter Reifung in Bourbon- oder Sherryfässern. Das Tüpfelchen auf dem i dazu: eine Lagerung in Fässern aus der schlanken japanischen Wassereiche (mizunara), die verblüffend elegante Aromen von Tabak, Zedernholz und edlem Leder beisteuert. Suntory probierte diese Reifung mit dem schottischen Single Malt Bowmore aus und gab den etwa zwölfjährigen, außerordentlich komplexen Whisky als (inzwischen ausverkaufte) Rarität auf den Markt – zum Preis von 900 Euro pro Flasche. „Japanische Whiskys finde ich unglaublich spannend“, urteilt Barchef Klaus St. Rainer von der Münchner „Golden Bar“, wogegen der Whiskyexperte Bernhard Schäfer einschränkt: „Bei einem japanischen Whisky machst du nie etwas falsch. Aber mir fehlen da die Ecken und Kanten.“

Es ist eine eigene neue Whiskywelt, die man in der Bar oder zu Hause mit Genuss entdecken kann

Die schätzt Schäfer umso mehr beim Whisky aus Indien und Taiwan. Abwegig exotisch? Nicht unbedingt: Sowohl Blendmaster Michael John von Paul John Whisky in Goa als auch Yu-Lan „Ian“ Chang von Kavalan auf Taiwan arbeiten eng mit schottischen Experten zusammen, die beim Bau der Anlagen, der Auswahl der Brennblasen und Fässer beraten. Die Fassreifung ist in beiden subtropisch-tropischen Ländern heikel, denn die Wärme lässt beim Lagern der Whiskys den „Anteil der Engel“, also den Schwund durch Verdunstung, unerbittlich bis auf 18 Prozent im Jahr steigen – in Schottland sind es zwei Prozent. Dafür reifen die Brände auch schneller, nach nur zwei bis fünf Jahren werden sie abgefüllt. Sie schmecken überraschend voll, süß, mit Noten von Ingwer, Safran oder Paprika. Es ist eine eigene neue Whiskywelt, die man in der Bar oder zu Hause mit Genuss entdecken kann – und es sieht ganz so aus, als würden die Brände made in Asia bald noch mehr Furore machen. Darauf einen Trinkspruch, den Whiskyfans überall verstehen: Slàinte – gälisch für Prost!

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