Restaurant La Brezza am Lago Maggiore – Marco Campanella

Koch des Monats: Marco Campanella

Der Lachs kommt aus den Schweizer Bergen, die Inspiration aus Kyoto: Im „La Brezza“ in Ascona zeigt Marco Campanella auf einer Terrasse mit Bilderbuchblick auf den Lago Maggiore, wie Regionalität und Weltoffenheit genussvoll Hand in Hand gehen.
Text Patricia Bröhm
Datum22.07.2025
Fünf Kilo schwere Zander bekommt Campanella direkt aus dem See. Und Ziegenkäse holt er mit dem Motorrad aus einem Bergtal.

Er wird allzu oft benutzt, aber hier passt der Satz wirklich: Marco Campanella arbeitet dort, wo andere Urlaub machen. Morgens steigt er auf seinen Scooter und fährt von Brissago nach Ascona zur Arbeit, immer am Ufer des Lago Maggiore entlang. Die Palmen bewegen sich sanft in der Morgenbrise, die Hortensienbüsche blühen, das Wasser glitzert im Sonnenschein. Wenn er etwas Zeit hat, fährt er auf einen Schlenker bei Giovanni Palmieri vorbei, den alle nur „Gio“ nennen: „Gio ist einer der letzten Fischer am See, zumindest auf der Schweizer Seite.“ 

Lostallo Lachs – Schwarzwurzel

Am alten Hafen von Brissago, wo abends die Touristen flanieren, liegt sein Boot. Am späten Nachmittag fährt er auf den See hinaus und legt die Netze aus, um halb drei Uhr nachts holt er sie wieder ein. So haben es schon sein Vater und Großvater getan, wie alle Männer in der Familie seit Ende des 18. Jahrhunderts. Heute hat er Felchen mitgebracht, Seeforellen und fünf Kilo schweren Zander. Wie isst der Fischer seine Felchen am liebsten, will Campanella wissen. „Ganz einfach, nur mit Butter und Salbei“, antwortet Palmieri. „Olivenöl ist zu stark im Geschmack für unsere zarten Seefische.“ Campanella kauft gern direkt beim Produzenten, er mag den Austausch. 

Regionalität vom Lago Maggiore

Mit dem Motorrad fährt er in die Gebirgstäler hoch über dem See, bringt Ziegenkäse mit von einem Bauernhof im Valle Maggia. Er liebt diese kleinen Ausfahrten: „Motorradfahren macht den Kopf frei.“ Und legt noch rasch einen Zwischenstopp im uralten Bergdorf Avegno ein, wo Raffaele Alaen, den er nur „den Kräuterfex“ nennt, unter alten Kirschbäumen am Waldrand selten gewordene Kräuter zieht: Bronzefenchel, Erbsenkresse und Amaranth, dazu Kornblumen und Kapuzinerblüten, die später Campanellas Teller schmücken werden.

Wie sieht ein Menü im La Brezza aus?

Kaisergranat – Blumenkohl, Gochujang-Bisque (Gewürzpaste)

Ein Sommerabend auf der Terrasse des „La Brezza“, das ist Ferienstimmung pur: Der Blick auf den Lago Maggiore, die laue Abendluft, zum Apéro ein Glas Tessiner Sekt, nach der Champagnermethode bereitet. Das Menü beginnt mit einem wahren Defilee von präzise gearbeiteten Amuse- Bouches, Höhepunkt ist eine bildschöne Karottenvariation – als Carpaccio, Tatar und Sud. Campanella arbeitet gern mit Gemüse, Kräutern und Fisch aus der Region, aber auch Kaisergranat aus Norwegen oder Lamm aus dem südfranzösischen Sisteron zählen zu seinen Lieblingsprodukten. 

Ohnehin denkt er weit über die Schweizer Grenzen hinaus. Auf ausgedehnten Reisen mit seiner Frau hat er viel erlebt, auch kulinarisch, zuletzt in Südamerika, Japan und Südkorea. Der Lachs aus einer Zucht in Graubünden, die mit Bergquellwasser arbeitet, trifft auf eine Inspiration aus Kyoto: Er wird eine Stunde in Salzlake gelegt, dann in Butter bei 53 Grad sanft gegart. Eine hauchdünne, kaum mehr sichtbare Scheibe Lardo würzt zusätzlich, dazu gibt es Erbsenpüree, Pomme soufflée und geräucherte Felchen-Beurre-blanc. Eine Reminiszenz an seine Kindheit darf in keinem Campanella- Menü fehlen: Ravioli. Ihr hauchdünner Teig umhüllt diesmal Burrata und Ricotta; dazu gibt’s Nussbutter und die Aromen von Makrele und Zitrone.

Was ist Campanellas Maxime?

Fingerspitzengefühl gefragt: Marco Campanella beim Anrichten

Kurz und knapp: „Wir geben in der Küche alles!“ Da wird mariniert und dehydriert, Brühe lässt er ewig köcheln, hinter manch kleiner Komponente steckt tagelanger Einsatz. Der Chef ist erst zufrieden, wenn alles perfekt ist. Bestes Beispiel: die Wachtel im Hauptgang, ein wahres Aromenkunstwerk. Das zarte Geflügel vom Zürcher Top-Lieferanten Alfred von Escher durchläuft eine aufwendige Prozedur, bevor es auf den Teller kommt: Es wird (ebenfalls nach japanischer Art) mehrere Tage abgehangen, geräuchert und mit Honig und Sojasauce mariniert, bevor Campanella es auf dem Holzkohlegrill à point gart. Er stellt dem zarten Fleisch ein kleines Nocken-Trio zur Seite: die eigene Pâté, Rotweinschalottenmarmelade und Pilzcreme, außerdem eine Jus mit Pfifferlingen. À part serviert er die mit der eigenen Farce gefüllten Keulen samt schwarzem Senf zum Dippen.

Was hat es mit seinem berühmten Tomatentatar auf sich?

Albula Kartoffel – Senfkörner, Schnittlauch

Die Besitzer des Hotels Eden Roc, in dem das „La Brezza“ liegt, wünschten sich schon 2019 ein veganes Menü. Also kniete sich Campanella, selbst überzeugter Omnivore, ins Thema hinein: Er begann, seine Fonds mit geschmacksstarkem Gemüse wie Sellerie anzusetzen, löschte nur mit Weinen ab, die nicht mit Eiweiß geklärt worden waren, sein Kartoffelpüree rührt er mit Sojarahm statt mit Butter an. Heute bietet er konsequent zwei Menüs an, das vegane heißt „Moving Mountains“. Die neue Welt fasziniert ihn: „Manchmal habe ich heute mehr Ideen zu Gemüse als zu Fisch und Fleisch.“ 

Im Sommermenü serviert er als Vorspeise eine Kreation rund um bunte Bergkartoffeln aus dem Graubündner Albula-Tal, inspiriert von schwäbischem Kartoffelsalat: „Ich mache ihn mit Senfkörnern, geräucherter Tofucreme und eingelegten Gurken aus Apulien an.“ Zu seinen Signature Dishes zählt ein verblüffendes Tomatentatar, bildschön angerichtet als Törtchen mit gerösteten Pinienkernen und Basilikum-Eis. Mit seiner Umamiwucht stellt das Gericht jedes Rindertatar in den Schatten: „Wir confieren die Tomaten, garen sie kurz im Ofen und flämmen sie ab, um noch die letzte Geschmacksnuance herauszukitzeln.“ Eine Tomaten-Escabeche, am Tisch angegossen, liefert zusätzlich Aroma: „Sie wurde von acht auf drei Liter einreduziert – das bringt richtig Power.“

Was macht Campanella eigentlich im Winter?

Marco Campanella mit einem Teil des „La Brezza“-Teams, das aus 13 Kollegen besteht – sieben (den Chef mitgezählt) in der Küche, sechs im Service.

Man ahnt es: Stillstand wäre nicht sein Ding. Da trifft es sich gut, dass das Hotel Eden Roc ein Schwesterhaus in den Alpen hat: das Tschuggen Grand Hotel in Arosa. Dort überwintert der junge Chef mit seinen sechs Köchen, alle schon seit Jahren im Team. Auch dort heißt das Restaurant „La Brezza“, auch dort gibt es zwei Menüs, eines davon vegan. „Natürlich kochen wir im Winter nicht ganz so leicht, die Aromen sind intensiver, die Philosophie ist aber identisch.“ Auch oben im Schnee werden Saibling, Zander und Wels aus dem Lago Maggiore serviert, ein Mitarbeiter fährt zweieinhalb Stunden, um sie bei Palmieri abzuholen. Und auch die Ravioli sind mit von der Partie, hier gefüllt mit Rehhaxe und Preiselbeeren. Dazu serviert der Chef ein Milchbrioche, er nennt es „la scarpetta“ – eigens zum Auftunken der Sauce, die er aus dem Schmoransatz kocht. Bei Campanella wird eben an alles gedacht!

Alles über Marco Campanella

Alter: 33 Jahre

Stationen: Als Sohn apulischer Einwanderer wuchs er in Immenstaad am Bodensee auf. Die Eltern betrieben ein italienisches Restaurant, er half früh mit, machte besonders gern Salate an. Seine andere Leidenschaft, der Fußball, blieb irgendwann auf der Strecke. Er absolvierte seine Kochlehre in einem schwäbischen Gasthaus („ganz klassisch mit Rehbraten, Spätzle, Maultaschen“). 2012 ging er in die Schweiz, verfeinerte sein Handwerk bei einigen der besten Köche des Landes, von Martin Dalsass über Rolf Fliegauf bis zu Andreas Caminada. Seit 2018 ist er Küchenchef im „La Brezza“ im Hotel Eden Roc in Ascona, wo er in Rekordzeit hohe Auszeichnungen erkochte.

Restaurant: Am schönsten sitzt man auf der Terrasse, mit Blick auf den See. Innen geht es hell und stilvoll zu, dank großen Fenstern und Art-déco-Elementen. Sympathischer junger Service.

Freizeit: Campanella reist gern, fliegt mit seiner Frau Sara und der kleinen Tochter am liebsten nach Asien. Zum Abschalten fährt er im Sommer Motorrad, im Winter Ski.

La Brezza
K M Q V

Der Lachs kommt aus den Schweizer Bergen, die Inspiration aus Kyoto: Im „La Brezza“ in Ascona zeigt Marco Campanella auf einer Terrasse mit Bilderbuchblick auf den See, wie Regionalität und Weltoffenheit genussvoll Hand in Hand gehen. Als Sohn apulischer Einwanderer wuchs Campanella in Immenstaad am Bodensee auf. Er absolvierte seine Kochlehre in einem schwäbischen Gasthaus, ging dann in die Schweiz, verfeinerte sein Handwerk bei einigen der besten Köche des Landes. Seit 2018 ist er Küchenchef im „La Brezza“ im Hotel Eden Roc in Ascona, wo er in Rekordzeit hohe Auszeichnungen erkochte. Ein Beispiel aus seinem Menü: Der Lachs aus einer Zucht in Graubünden, die mit Bergquellwasser arbeitet, trifft auf eine Inspiration aus Kyoto: Er wird eine Stunde in Salzlake gelegt, dann in Butter bei 53 Grad sanft gegart. Eine hauchdünne, kaum mehr sichtbare Scheibe Lardo würzt zusätzlich, dazu gibt es Erbsenpüree, Pomme soufflée und geräucherte Felchen-Beurre-blanc. Am schönsten sitzt man auf der Terrasse, mit Blick auf den See. Innen geht es hell und stilvoll zu, dank großen Fenstern und Art-déco-Elementen. Sympathischer junger Service.

Via Albarelle 16, 6612 Ascona, CH
(0) 041 917857171
www.tschuggencollection.ch
So, Mi-Sa 19-21.30 Uhr
Menüs ab € 224
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