Wein als Geldanlage
Der Wert von Wein
Wein erlebt mehr Wertsteigerung als Aktien
Bei einem Auktionshaus denkt man zuerst an Kunst. Welche Bedeutung hat Wein bei Christie’s?
Eine sehr große! Wein war bereits in der ersten Auktion 1766 dabei. Damals kamen Madeira und Claret, die alte englische Bezeichnung für Bordeaux, unter den Hammer. Heute finden exklusive Weinauktionen in allen Häusern von Christie’s weltweit statt.
Sie sind ursprünglich Banker. Wie passt da Wein ins Bild?
Business ist Logik, Wein ist Leidenschaft. Bei Christie’s kann ich beides verbinden. Ich sichte und beurteile Auktionsangebote, überprüfe die Echtheit, verhandle mit den Verkäufern und pflege den Kontakt zu Sammlern. Ich plane und organisiere Weinauktionen. Der schönste Teil meiner Arbeit ist jedoch, Gastgeber zu sein bei Weindinners für Sammler aus der ganzen Welt. Man trifft sich etwa in Hongkong oder London im Board Room von Christie’s und trinkt seltene Weine. Da wird schon mal ein 1899er Château Lafite verkostet oder ein 1893er Château d’Yquem.
Können Sie die Investition in Wein empfehlen?
Der DAX des Weins ist der Liv-ex: Wein hat über die letzten 30 Jahre mehr Wertsteigerung erlebt als Aktien. Ein Beispiel: Eine Kiste 1988er Domaine de la Romanée-Conti erzielte im Juni 2011 bei einer Auktion 86 000 Pfund. Die gleiche Kiste wurde bei Christie’s London im Oktober 2018 erneut versteigert und brachte 288 000 Pfund. Sie hat ihren Wert in sieben Jahren mehr als verdreifacht. Ja, Wein ist eine gute Investition.
Aber nicht jeder Wein steigt im Wert.
Das Schöne an Wein ist doch, dass man damit gar nicht verlieren kann. Legt er nicht an Wert zu, kann man ihn immer noch trinken.
Welche Weine würden Sie als Anlage empfehlen?
Vor allem Bordeaux, Burgund und Champagner. Darunter nur Blue Chips, das heißt berühmte Namen und die besten Châteaux. Da Wein anders als Kunst nicht unendlich altern kann, sollte man nur die besten Jahrgänge kaufen und eher jüngere, damit Wert und Qualität noch steigen können.
Was ist mit anderen Regionen, nördliche Rhône, Napa Valley, Deutschland?
Es gibt überall Blue Chips, auch an der nördlichen Rhône oder im Piemont. In Spanien ist Pingus so eine Ikone. In Kalifornien sind es Screaming Eagle, Harlan Estate oder Sine Qua Non. Alles Spitzenweine in limitierter Menge. Außerdem werden Vintage Ports und alter Madeira hoch gehandelt. In Deutschland sind es die Weine von Egon Müller vom Scharzhofberg und der Riesling G-Max von Klaus-Peter Keller.
Wie viel Weinwissen braucht es, um erfolgreich zu investieren?
Bei den Auktionen von Christie’s geht es nur um Fine Wine, also Spitzenweine. Das ist ein winziges Segment. In das Thema kann man sich schnell einarbeiten. Das macht sogar Spaß, und wer mehr über Wein weiß, wird ihn auch mehr genießen. Wer als Investor anfängt, könnte so als Weinliebhaber enden.
Wie bewahrt man solche Weine auf?
Am besten in „bonded warehouses“, das sind Zolllager zur Zwischenlagerung von importierten Gütern, ehe sie in das jeweilige Zollgebiet eingeführt werden. Es findet dort keine Verzollung statt, und man muss auch keine Einfuhrumsatzsteuern entrichten. Zoll und Steuern werden erst fällig, wenn die Ware vom Lager ins Zollgebiet eingeführt wird. Das Lager bietet optimale Bedingungen: eine recht konstante Temperatur von 12 bis 14 Grad, 70 Prozent Luftfeuchtigkeit, Dunkelheit, keine Erschütterungen.
Welche Rolle spielen Fälschungen?
Wein sollte man nur von vertrauenswürdigen Quellen kaufen – wie eben Christie’s. Zu meinen Aufgaben gehört es auch, die Echtheit des Weins zu überprüfen. Dazu zählt die Überprüfung von Etikett und Kapsel – aber vor allem die Geschichte des Weins nachzuverfolgen, einschließlich Quittungen vom Kauf und Verkauf. Wir liefern zu den Weinen eine lückenlose Historie.
Wie erkennt man ihren Zustand?
Eine Flasche erzählt mir viel über die Lagerung und den Zustand. Zum Beispiel: Wie sieht die Füllhöhe aus? Daran kann ich erkenne ich, ob der Wein gut gelagert wurde.
Was wäre die kleinste Summe, um ins Weininvestment einzusteigen?
Ich denke um die 5000 Euro. Das dürfte für zwei Kisten Fine Wine reichen. Eine zum Trinken, eine zum Weiterverkaufen. Der Gewinn ist nur das halbe Vergnügen. Diese Weine schmecken herausragend, sind selten und haben eine Geschichte. Einen solchen Wein zu genießen ist einfach unvergesslich.
Muss man bei einer Auktion eigentlich immer anwesend sein?
Nein. Bei Christie’s findet beides statt: Online- und Live-Auktionen. Es macht jedoch viel mehr Spaß, dabei zu sein. Die Stimmung ist mitreißend, vor allem, wenn Höchstpreise erzielt werden. Zuletzt bei einem 1926er Macallan Malt in einer handbemalten Flasche. Sie wurde im November 2018 für 1,2 Millionen Pfund versteigert. Das gab Szenenapplaus – ein bewegender Moment.
Wein ist wie ein Sparbuch
RICHARD AICHWALDER, 36, ist Verkaufsleiter für das Gebiet Westösterreich bei Wein Wolf in Salzburg. Privat sammelt und verkauft er gereifte Weine
WEIN WAR SCHON FRÜH MEINE LEIDENSCHAFT.
Bereits während meiner Ausbildung als 17-Jähriger an der Hotelfachschule war ich begeistert von den Geschmackswelten, die Wein bietet. Ich habe mich freiwillig als Servicekraft für ein Weinseminar gemeldet, nur um dort Weine verkosten zu können. Jeder Wein erzählt eine Geschichte und kann Emotionen wecken.
Mit 20 Jahren habe ich eine Ausbildung zum Diplomsommelier drangehängt, dann die Gastronomie verlassen und bin hauptberuflich in den Weinhandel gewechselt. Der typische Handel bietet nur selten die Möglichkeit zur Flaschenlagerung, da Kunden die Weine recht schnell und aktuell kaufen möchten. Ich habe rasch gemerkt, dass ich selbst lieber ältere, gereifte Weine trinke. Die bekommt man in der Regel bei Auktionshäusern. Dort habe ich meine ersten älteren Flaschen ersteigert und so noch einmal eine völlig neue Weinwelt kennengelernt.
ICH GEHE BEI AUKTIONEN STRUKTURIERT VOR,
...studiere die Kataloge der Auktionshäuser und suche mir Flaschen und Kisten, die mich interessieren und deren Marktwert ich einschätzen kann. Ich möchte unter Marktwert ersteigern und setze mir vor der Auktion eine persönliche Grenze. Man kann sonst in einen kleinen Rausch kommen und sein Budget ausreizen. Viele fragen mich, wie das funktioniert, wieso bekommt man manchmal Weine unter Wert? Es gibt zig Gründe: Vielleicht dauert die Auktion schon lange, und am Anfang haben die Bieter bereits bei den sehr teuren Weinen ihr Budget überreizt. Manchmal interessiert sich auch einfach keiner der Anwesenden für ebenjenen gereiften Wein oder das Anbaugebiet. Man braucht Geduld, Akribie und Wissen.
EINE WEITERE MÖGLICHKEIT SIND SUBSKRIPTIONEN.
Das heißt, ich kaufe bei Händlern oder Winzern Wein auf Vorbestellung, obwohl diese noch gar nicht auf der Flasche sind. Ich zahle heute einen günstigeren Preis, weil ich die Ware erst später bekomme. Wenn die Weine dann regulär auf den Markt kommen, ist der Preis bereits gestiegen. Das ist für mich in Zeiten der Nullzinspolitik eine sichere Angelegenheit, und nur sehr selten sind die Weine später weniger wert. Der Jahrgang 2010 in Bordeaux war so ein Pechfall, die Preise waren durch den Hype der Bordeaux-Weine in China so aufgeheizt, dass die Weine später auf dem freien Markt weniger wert waren. Aber auch für 2010 wird die Zeit kommen.
OB AUKTION ODER SUBSKRIPTION,
...ich schreibe akribisch jeden Wein und den Einkaufs- und Verkaufswert auf. Grundsätzlich tausche oder verkaufe ich Weine im Internet, meist an andere private Sammler. Es gibt da auf verschiedenen Plattformen diverse Möglichkeiten. Mein Weinkeller ist mein Sparbuch. Und ich würde jedem empfehlen, ein bisschen von seinem Ersparten in Wein anzulegen. 2017 habe ich zum Beispiel noch mal ein Masterstudium absolviert: Marketing und Vertrieb. Das habe ich teilweise über den Verkauf von Weinen finanziert.
EIN SCHÖNES BEISPIEL FÜR WERTENTWICKLUNG
...ist eine Kiste Château Mouton Rothschild aus dem Jahrgang 1990. 12 Flaschen für 1200 Euro bei einem Schweizer Auktionshaus. Drei Jahre später wurde mir dafür das Dreifache geboten. Jetzt wäre sie noch mal mehr wert. Der erste Käufer hatte damals um die 25 Mark pro Flasche bezahlt. Das fasziniert mich. Und selbst wenn man sich mal verkalkuliert und der Wein weniger Wert ist, trinke ich ihn eben. Risiko habe ich auch bei Aktien, aber eben keinen Genuss.
Wein kaufen, um ihn zu trinken
NEDJELKO MRCELA, 53, ist Geschäftsführer von WeinArt in Geisenheim, der Händler ist spezialisiert auf hochpreisige Weine aus Bordeaux und Burgund
WENN SIE EINEN WEINKELLER ERBEN
...und mit den vielen Flaschen überfordert sind, dann komme ich. Wir sortieren und katalogisieren Sammlungen und verkaufen sie weiter. Oft sind das Weine von hohem Wert, gereifte Bordeaux und Burgunder. Außerdem verkaufen wir aktuelle Weine von Top-Winzern aus Deutschland und Burgund. Ich kenne die steigende Preisentwicklung vieler Weine sehr gut. Dennoch: Ich kann niemandem empfehlen, Geld in Wein zu investieren. Das ist eine blödsinnige Idee, mit der schon viele gescheitert sind, vor allem private Sammler. Das liegt an zwei Dingen: dem deutschen Steuersystem und vergessenen Kosten.
DIE STEUERN:
In Deutschland zahlt ein Privatkunde für eine Flasche 100 Euro plus 19 Euro Mehrwertsteuer. Wenn er die Weine mit Gewinn weiterverkaufen möchte, muss er also über 119 Euro dafür bekommen. Ausländische Investoren lagern ihre Weine oft in steuerfreien Zolllagern in Großbritannien. Erst wenn der Wein das Lager verlässt, muss die Steuer bezahlt werden. In jedem Falle ist das Thema kompliziert, die Mehrwertsteuer kommt einem immer wieder in die Quere.
DER WICHTIGERE PUNKT
...sind vergessene Kosten. Jemand hat zum Beispiel vor zehn Jahren für 100 Euro eine Flasche gekauft und verkauft sie heute für 150 Euro. Dann schreibt er sich in seine Excel-Tabelle: 50 Euro Gewinn. Das ist falsch. Sie müssen die Flaschen einlagern, katalogisieren, wieder aus dem Keller holen, einen Käufer finden. Das kostet Zeit, und Zeit kostet Geld.
Sie müssen Weine auch fachgerecht und lange lagern, dafür brauchen sie einen geeigneten Raum und Platz, das kostet ebenfalls Geld. Wenn Sie die Flasche nicht selbst verkaufen, schalten Sie einen Händler oder Auktionator dazwischen wie mich, auch wir kosten Geld. Wenn Wein Teil Ihrer Altersvorsorge ist, müssen Sie die Sammlung versichern. Das sind Risiken und Kosten, und die preisen private Sammler oft nicht ein.
SIE MÜSSEN SICH UM WEIN SEHR VIEL KÜMMERN.
Eine Aktie macht weniger Arbeit. Es sind viele Facetten, die diese Idee kompliziert machen. Auf dem Papier ist die Wertentwicklung von Weinen gut, in der Realität verkalkulieren sich viele. Ich empfehle, Wein nur dann zu kaufen, wenn man ihn trinken will.
Unberechenbar, kompliziert und ungeeignet
HERMANN-JOSEF TENHAGEN, 57, ist Chefredakteur des Verbraucher-Ratgebers „Finanztip“, einem Online-Portal für finanzielle Fragen
In Krisen blicken Anleger vermehrt auf Sachwerte wie Gold und auch Wein. Können Sie Wein als Geldanlage empfehlen?
Nein, Wein ist ein Genussmittel, als Geldanlage sehr kompliziert und für normale Anleger ungeeignet.
Was macht die Anlageform Wein riskant?
Erfolgreich anlegen verlangt hier besonders viel Expertise. Und nur sehr wenige Menschen besitzen diese Expertise. Es gibt zu viele teils unberechenbare Faktoren. Das geht bei den Fragen des richtigen Jahrgangs, des richtigen Winzers und des Weinbergs los und hört bei der Frage der richtigen Lagerung und möglicher Spekulationsblasen nicht auf.
Was ist der größte Unterschied zum Investieren in Aktien-Indexfonds?
Zum einen kann ich täglich den Preis meiner Geldanlage verfolgen, täglich ohne größere Anstrengungen kaufen oder verkaufen. Zudem ist die langfristige Entwicklung von weltweit streuenden, marktbreiten Aktienindizes in der Vergangenheit deutlich verlässlicher gewesen als die einzelner Sachwerte wie Wein. Kaufen Sie lieber eine gute Flasche Wein für den entspannten Abend und befassen sich dann mit Ihrer soliden Geldanlage.
Weininvestoren sind am besten auch Weingenießer
JUSTIN GIBBS, 51, ist der Mitgründer von Liv-ex (London International Vintners Exchange), einem globalen Marktplatz für den Kauf und Verkauf von Weinen
Warum gibt es Liv-ex?
Wir, die Gründer von Liv-ex, waren Investmentbanker in London. Wir hatten eine Leidenschaft für das Sammeln und Genießen hochwertiger Weine. Aber wir wussten nie, ob wir den richtigen Preis für eine Flasche zahlen. Wir wollten die Transparenz der Finanzmärkte in der Weinwelt. Das Internet hat das möglich gemacht, dort haben wir die Handelsplattform Liv-ex gegründet.
Wie funktioniert diese Plattform?
Wie eine Börse. Live werden dort Angebote und Gebote von Händlern abgegeben. Händler können auf der Plattform für ihre Kunden mit der ganzen Welt handeln und haben volle Preistransparenz. Wir ermöglichen effizientes globales Handeln und liefern saubere Daten aller Trades.
In der Weinwelt wird viel über die Liv-ex-Indizes gesprochen, was ist das?
Indizes bilden die mittleren Preise der gehandelten Weine auf Liv-ex ab. Aus allen Transaktionen wird für Weine und Weingruppen ein Index gebildet. Der Liv-ex Fine Wine 100 zum Beispiel beinhaltet die 100 meistgesuchten Weine der Welt und deren Preisentwicklung, ähnlich wie ein DAX der Weinwelt. Die Indizes sind meistens in Regionen unterteilt: Burgund, Bordeaux, Piemont und so weiter.
Liv-ex Fine Wine 100
Der Liv-ex Fine Wine 100 (hier die vergangenen zehn Jahre) ist der DAX der Weinwelt: Er zeigt die Preisentwicklung der 100 begehrtesten Weine der Welt
Die Indizes dienen vielen als Beweis für die stabile Preisentwicklung von Wein.
Das stimmt. Die Preisentwicklung der gehandelten Weine auf Liv-ex ist für viele Indizes positiv. Aber Wein als Geldanlage ist nicht kugelsicher. Vor allem nicht für private Sammler. Es gibt Fälschungen. Es gibt Weine, die schlecht gelagert wurden.
Würden Sie Wein für das persönliche Investment-Portfolio empfehlen?
Es führt in jedem Fall zu einer Diversifikation der eigenen Anlagen. Fine Wine verhält sich nicht wie andere Anlageklassen. Zum Beispiel hat die Corona-Pandemie die Wertentwicklung von Fine Wine wenig beeinflusst, das sah an den Börsen ganz anders aus. Nichtsdestotrotz: Investment in Wein ist immer am besten, wenn der Investor auch ein Genießer ist.
Wie sind die aktuellen Entwicklungen im Fine-Wine-Bereich?
Es gab für die Weinwelt in den vergangenen Jahren einige Herausforderungen. Politische Entwicklungen, die den Handel beeinflussen wirken sich auch auf die Weinwelt aus: der Brexit, der Handelskrieg zwischen China und den USA, die politischen und ökonomischen Unruhen in Hongkong, die Erhebung eines 25-Prozent-Zolls auf europäische Weine durch die USA und natürlich die Corona-Pandemie. Im vergangenen Jahr sanken die Preise für Top-Bordeaux um 3,2 Prozent. Es kommt aber auf die einzelnen Marken an: Rauzan Segla, Canon und Beychevelle hatten durchweg positive Entwicklungen.
Wie wirkt sich das auf die unterschiedlichen Weinregionen aus?
Der Marktanteil von Bordeaux war 2010 mit 96 Prozent auf dem Höhepunkt, stark getrieben durch die chinesische Nachfrage. Aktuell liegt der Marktanteil nur noch bei 47 Prozent. Die Preise waren einfach zu hoch.
Burgund war lange der Profiteur dieser Entwicklung. Die Region war 2019 mit 20 Prozent Marktanteil auf dem Höchststand und liegt mittlerweile bei 15 Prozent. Champagner und Italien insgesamt erfahren ein steigendes Interesse, beide nehmen aktuell jeweils neun Prozent Marktanteil ein, insbesondere das Piemont könnte in den nächsten Jahren interessant werden. Spannend ist aber auch, dass die Kategorie „Rest der Welt“ erhöhte Nachfrage erfährt. Derzeit liegt sie bei 10,9 Prozent. Vor sechs Jahren waren es nur zwei Prozent. Wir erleben insgesamt eine starke Diversifikation des Marktes.
Also sind Weine aus dem Piemont im Moment eine gute Anlage?
Für den einzelnen Investor bleibt immer die Frage: Welcher Produzent ist aktuell unterbewertet und wird sich preislich gut entwickeln? Wenn Preis und Marktanteil einer Region steigen, dann gibt es in der Region Winzer, die davon sehr profitieren und andere nicht. Das erfordert sehr viel Recherche, Wissen und am Ende einen geschulten Gaumen, um solche Entdeckungen zu machen. Wer keinen Wein mag, sollte auch nicht in Wein investieren. Das ist mein Rat.
20 Prozent Fälschungen
MAUREEN DOWNEY, 48, ist eine weltweit angesehene Expertin für die Echtheitsprüfung von Weinen. Sie lebt in Sonoma, Kalifornien
Sie sind eine bekannte Expertin für die Echtheitsprüfung von Wein, man nennt Sie auch „Sherlock Holmes of Wine“.
Ja, 2005 habe ich Chai Consulting gegründet. Wir kaufen und verkaufen Wein für Sammler und Investoren. Dafür müssen wir Weine auf Echtheit prüfen. Ich werde aber auch bei vielen großen Fälschungsfällen der Weinwelt hinzugezogen und habe bereits mit dem FBI zusammengearbeitet, daher der Spitzname.
Wer hat Sie für die Tätigkeit ausgebildet?
Vor meiner Firmengründung habe ich bei einem Auktionshaus gearbeitet und dort festgestellt, dass Fälschungen eine zunehmende Gefahr für den Weinmarkt darstellen. Es gab damals jedoch niemanden, der mich darin ausbilden konnte, Fälschungen zu identifizieren. So fing ich ganz allein an: zuerst nur mit gesundem Misstrauen, einem Auge für Details und einem fotografischen Gedächtnis. Dann machte ich mich bei Experten kundig: bei Glas-Spezialisten wegen der Flaschen, bei Drucktechnikern wegen Papier und Druck der Etiketten. Ich wollte wissen, zu welcher Zeit Glas wie hergestellt wurde oder wie Papier altert.
Woran erkennt man Echtheit oder Fälschungen?
Wir schauen uns rund 110 Merkmale an. Das wichtigste ist eine nachvollziehbare Herkunft. Wer hat die Flaschen gekauft und wer hat sie wann im Besitz gehabt? Dann simple Logik: Diese Flasche soll 90 Jahre alt sein. Schaut sie wirklich so aus? Ist die Füllhöhe niedrig, aber die Kapsel noch unversehrt und dicht? Oder andersherum: Die Kapsel ist ziemlich ramponiert, aber der Wein hat noch die ursprüngliche Füllhöhe. Stammen das Glas und seine Machart aus der entsprechenden Zeitepoche? Ist dies auch die Art Glas, die der Produzent immer verwendet hat?
Diese Fakten und unser Fachwissen bringen wir zusammen. Technisch nutzen wir dafür Mikroskope, verschiedene Lichttechniken oder chemische Substanzen, um die Druckfarbe oder das Papier des Etiketts zu untersuchen und das Glas der Flasche.
Die Herstellung von Papier hat sich über die Jahre verändert. Erst seit 1957 ist es sozusagen „ultraweiß“, es fluoresziert leicht unter Schwarzlicht. Wenn also ein Label auf einem Wein Jahrgang 1945 fluoresziert, dann ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass es sich um eine Fälschung handelt. Wir schauen uns auch das Sediment im Wein an, das sehr schwer zu fälschen ist. Als ich kürzlich eine Flasche 150 Jahre alten Château d’Yquem beurteilte, fand ich kein Sediment. Auch wenn es sich um Weißwein handelte, würde ich bei diesem Alter etwas Depot erwarten.
Wie viel gefälschter Wein ist schätzungsweise auf dem Markt?
Ich denke um die 20 Prozent des gesamten Weins. Das entspricht übrigens der Statistik für alle Fälschungen im Luxussegment wie Uhren, Schmuck oder Elektronik. Wein ist da keine Ausnahme. Ich habe nur ein einziges Mal eine Sammlung mit mehreren Hundert Flaschen gesehen, die ohne Fälschungen war: die von einem russischen Sammler, der seine Weine in der Schweiz lagerte.
Welche Regionen und Weingüter sind am stärksten betroffen?
Momentan ist das wohl Henri Jayet aus dem Burgund. Generell unterscheide ich zwischen der alten und der neuen Garde. Die alte Garde sind die Klassiker wie beispielsweise 1947er Cheval Blanc und Trophäen-Weine wie Romanée-Conti. Es werden Klassiker aus allen Weinregionen der Welt gefälscht, auch Pingus oder Screaming Eagle und Ygay. Die neue Garde sind Weine aus jüngeren Jahrgängen. Diese sind einfacher zu fälschen, weil man sich keine Sorgen ums Altern des Weins und die zeitgemäße Glassorte oder das Papier und den Druck der Etiketten machen muss. Fälschen ist viel einfacher geworden, seitdem viele Weingüter ihre Etiketten mit Digitaldrucktechnologie herstellen lassen.
Welchen Rat würden Sie Sammlern geben, wie sie Fälschungen meiden?
Nur von vertrauenswürdigen Quellen kaufen und immer hartnäckig nach der Herkunft fragen – und niemals auf eBay kaufen. Falls der Preis zu gut ist, um wahr zu sein, dann gibt es dafür einen Grund. Wenn man eine Flasche, die 5000 Dollar wert ist, für 3000 Dollar kauft, hat man selten 2000 Dollar gespart, sondern meist 3000 aus dem Fenster geworfen.
Was war die schlechteste und die beste Fälschung, die Ihnen jemals untergekommen sind?
In Hongkong sah ich eine fürchterliche Fälschung von Henri Jayet, die aus Japan kam. Sie hatte eine viel zu kurze Wachskapsel und einen Korken von der Domaine Dominique Laurent. Die beste Fälschung? Das war die, die ich nicht erkannt habe.
Kostbare Weine sind auch rar
ETIENNE PAUMIER, 37, berät Weinsammler beim Ein- und Verkauf von seltenen Weinen. Nach zehn Jahren in Hongkong hat er sich mit seiner Consultingfirma ACES Wines im französischen Annecy niedergelassen
MEINE FAMILIE BAUT BEREITS SEIT VIELEN GENERATIONEN AN DER LOIRE WEIN AN,
...ich bin dort geboren und aufgewachsen. Winzer wollte ich aber nicht werden, daher habe ich Wirtschaft in Paris studiert und bin auf die andere Seite gewechselt: Weinhandel. Ich habe zunächst in Hongkong für Watson’s Wine das Privatkundengeschäft betreut, bis ich vor zwei Jahren in Frankreich meine Firma ACES Wines gegründet habe. ACES steht für „Authentication, Consulting, Expertise, Sourcing“, also die Prüfung der Echtheit, Beratung, Expertise und Hilfe bei der Suche von raren Weinen. Ein bisschen Doppelsinn ist auch dabei: Aces heißt auch „Trümpfe“.
DER GROSSTEIL MEINER KLIENTEL KOMMT AUS ASIEN.
Solche Privatkunden, die viel Geld in Wein investieren, gehen nicht einfach in ein Weingeschäft und ziehen Flaschen aus dem Regal. Ihr Weineinkauf wird von Weinberatern wie mir gehandhabt. Ich kaufe für sie ein. Und organisiere und moderiere Verkostungen für sie mit ihren eigenen Weinen. Die Weine, die Sammler suchen, sind rar und sehr schwer zu bekommen. Nehmen wir als Beispiel Domaine de la Romanée-Conti. Die Domaine produziert durchschnittlich pro Jahr nur 80 000 Flaschen. Diese gehen weltweit an Exklusiv-Importeure, und die wiederum teilen sie ihren handverlesenen Kunden zu. Das ist meist nur die Spitzengastronomie und private Genießer. Weiterverkäufe, die zu utopischen Preisen und Spekulationen auf dem Sekundärmarkt führen, werden von der Domaine nicht geschätzt. Da kann es schnell passieren, dass man im nächsten Jahr nicht mehr auf der Kundenliste steht. Ähnlich verhält es sich auch bei Armand Rousseau im Burgund. Nur wer es auf die Kundenliste schafft, darf eine Flasche seiner Grand-Cru-Weine für rund 400 Euro erwerben. Auf dem Sekundärmarkt könnte man diese auf der Stelle für 1000 Euro weiterverkaufen.
UNTER MEINEN ASIATISCHEN KUNDEN
...ist aber keiner, der Wein nur als reines Investment betrachtet. Diese Leute haben bereits genügend Geld. Sie kaufen viel Wein und nur den besten, aber manchmal sammeln sie mehr Flaschen, als sie jemals trinken können. Dann erst beginnen sie, Teile ihrer Weinsammlung zu verkaufen. Ich vermittle diese Weine weiter, weil ich die Kundschaft kenne, die sich dafür interessiert. Dafür berechne ich zehn Prozent des Verkaufswerts.
ICH WERDE AUCH VON LEUTEN KONTAKTIERT,
...die den Keller des Vaters geerbt haben und zu Geld machen wollen. Ich erstelle Inventarlisten, beurteile die Qualität und den Wert. Manche glauben, man könne solche Weinpreise einfach googeln. Tatsächlich ist das kaum möglich. Eine irreführende Quelle ist zum Beispiel Wine Searcher, dort stellen Händler seltene Weine oft als Lockangebot ein, ohne dass sie diese führen. Deshalb ist es so wichtig, sich eine Expertenmeinung einzuholen.
WEIN ALS INVESTMENT
Das kann nur eine langfristige Strategie sein. Man sollte mit 20 Jahren von Kauf bis Wiederverkauf rechnen, damit es sich lohnt. Der Jahrgang 2010 wird sich also ab 2030 gut weiterverkaufen. Aber man darf auch nicht zu lange warten. Ältere Jahrgänge als 1990 werden als alt angesehen, vor 1980 sogar als sehr alt. Je älter ein Wein, desto kleiner wird die Klientel, die sich dafür interessiert. Also: rechtzeitig verkaufen oder selbst trinken.