Alkoholfreie Weine: Die besten Proxies

Alkoholfreie Trends: Mehr als Ersatz

Eine neue Generation alkoholfreier Alternativen erobert Restaurants und Bars: Proxies heißen die aufwendigen Kompositionen auf Fermentbasis.
Text Christoph Raffelt
Datum28.07.2025

Erinnern Sie sich noch an Clausthaler? Dieses alkoholfreie Bier, das es übrigens noch immer gibt, war lange die einzige nicht süße, alkoholfreie Alternative im Restaurant. Diese Zeiten sind glücklicherweise vorbei. Wenn man sich die Zahlen des Low- & No-Markts ansieht, der in den letzten Jahren um rund acht Prozent per anno gewachsen ist und sich auch in Zukunft ähnlich rasant entwickeln soll, dann kann man schneller erkennen, dass sich wirtschaftlich ein neuer Zweig entwickelt, weil sich gesellschaftlich eine klare Veränderung vollzieht. Die Vielzahl an Artikeln und Fernsehberichten über den Verzicht auf Promille ist frappant.

Alkohol als gesellschaftlicher Standard – mit Ausnahmen

Bisher gehörte Alkohol zum geselligen Miteinander wie das Schmieröl in einen sauber laufenden Motor. Das ist teilweise immer noch so, aber nicht mehr überall und besonders nicht mehr in der gehobenen Gastronomie, wo jedes Restaurant, das etwas auf sich hält, mittlerweile eigene Kreationen im No-Alkohol-Bereich bereithält. Was dabei auffällt: Kaum ein Sommelier setzt dabei auf Weine, denen der Alkohol entzogen wurde. „Warum soll ich einem Getränk, das gut und in sich stimmig war, eine der wesentlichen Komponenten wieder entziehen?“, lautet der Tenor. Vielmehr werden sogenannte Proxies angeboten, Getränke, die eigenständige Alternativen zum Wein sind.

Pionierarbeit in der Spitzengastronomie

Vorreiter wie das Restaurant „Etz“ in Nürnberg entwickeln ihre ausgefeilten Kompositionen passend zur Abfolge des sich ändernden Menüs, etwa Zuckerrübenkefir zur Brotzeit, eine Kaltinfusion von Sommerblüten zum Dessert oder in Honig schwarz fermentierter Thymian mit Verjus als Apéro. Jennifer Kießling, die 2021 zusammen mit Maximilian Lielje mit The Mindful Drinking Club den ersten alkoholfreien Fachhandel samt zugehörigem Onlineshop in Berlin gegründet hat und zu den Mitbegründerinnen der Bewegung gehört, bezeichnet diese Art von Getränken mittlerweile als „The New Non-Alc“.

Internationale Szene mit selbstbewusster Handschrift

Kein Wunder, dass hier alles auf Englisch betitelt wird, denn die Szene ist sehr international. Die neuen nichtalkoholischen Getränke zeichnen sich vor allem dadurch aus, so die erfahrene Sommelière, die zuvor in der Schweiz auch selbst für die Gastronomie fermentiert und destilliert hat, dass sie im Gegensatz zum entalkoholisierten Wein nichts vorgaukeln, sondern geschmacklich selbstbewusste Gegenentwürfe sind. Die Basis kann aus Kombucha, Tee, Kwas aus Brot und weiteren Fermenten bestehen, die mit unterschiedlichsten Zutaten wie Gemüse, Kräuter, Gewürzen, Blätter und Blüten, Früchten und Zesten kombiniert werden, die wiederum fermentiert oder destilliert, als Aufguss, Infusion oder Extrakt zum Einsatz kommen.

Proxies statt Reben: Komplexität durch Handwerk

Was Wein über die Güte der Böden und des Klimas in Verbindung mit den Rebsorten an Tiefe schafft, entsteht bei den Proxies also im Produktionsprozess – oder, wie es die norwegischen Hersteller von Ambijus formulieren: „The lab is our terroir“, das Labor ist unser Terroir. Entscheidend ist hier, dass der fehlende Alkohol, der beim Wein als Geschmacksträger mit zur Komplexität beiträgt, meist nicht mehr durch Süße kompensiert wird, sondern durch komplexe Mixturen. Trocken ist Trumpf, denn in der Essensbegleitung sind süße Getränke häufig fehl am Platz, sie haben zu viele Kalorien und sättigen statt zu beleben.

Kohlensäure, Fermentation und sensorische Feinheiten

Um dies zu erreichen, werden viele Getränke entweder mit Kohlensäure angereichert oder es entsteht eine leichte Gärkohlensäure im Fermentationsprozess. Für den Ausschank in der Bar oder im Restaurant ist dies sicher eine Herausforderung, da das Mousseux nicht so nachhaltig ist wie etwa bei Champagnern, in denen sich die Perlage oft über mehrere Jahre entwickelt hat.

Die Bar entdeckt das alkoholfreie Pairing

Proxies sind aber nicht nur Essensbegleiter – auch in Bars steigt die Nachfrage. Wer nicht ganz so ausgefeilte Kompositionen kreieren will wie Ruben Neideck in der Velvet Bar Berlin, der mittlerweile eine ganze Seite alkoholfreier Cocktails anbietet, kann auf eine immer größere Auswahl an Getränken wie die fertigen Cocktails der Bôtan Distillery oder die Spirituosen-Alternativen von Opius, Jardins oder Gnista zurückgreifen.

Noch jung – aber mit viel Potenzial

Die Lernkurve der Erzeuger ist dabei beeindruckend hoch angesichts der noch jungen Szene. Aktuell wirkt es ein wenig wie in den Anfängen des Naturweintrends. Der nahm vor rund 13 Jahren auch rasch Fahrt auf, viele Winzer dachten damals, das wäre eine ganz einfache Sache. Wer heute noch da ist, versteht sein Handwerk. Eine ähnliche Entwicklung vollzieht sich gerade bei den No-&-Low-Produkten. Gut aussehen tun sie alle, das Marketing stimmt. Die Zutaten sind oft biologisch und regional. Wie gut die Fermente dann tatsächlich sind und ob sich die Getränke als Essensbegleiter etablieren können, wird auch hier die Zeit zeigen.

Vier alkoholfreie Tipps

Ob fermentiert, verfeinert mit Kräutern oder aus experimentellen Rebsorten komponiert – diese vier Produkte zeigen eindrucksvoll, wie viel Eleganz und Ausdruckskraft alkoholfreie Getränke heute bieten können.

1. Osan„ Betterave mûre“

Sang Hoon Degeimbrevom „L’Air du Temps“ in Liernu erzeugt zu seiner Küche passende vegane Getränke, etwa aus Roter Bete und Brombeere: tief, mit kontrollierter Säure und erdigem Finale.

Preis: € 12,90
Bezugsquelle: osandrinks.com

2. Piwi Kollektiv „Nou Alkoholfrei“

Ein Schäumer aus PIWI-Trauben, aromatisiert u. a. mit selbsterzeugtem Balsamico-Essig, Verbene, Ingwer, Zitrone und Kiefernadeln. Balanciert und preisbewusst.

Preis: € 11
Bezugsquelle: piwi-kollektiv.de

3. Saveur „Quince Kumquat“

Niklas in’t Veld – Sommelier im „Ösch Noir“ in Donaueschingen – hat unter dem Namen Saveur Alkoholfreies zur Hochküche kreiert. „Quince Kumquat“ ist feingliederig, sinnlich und elegant.

Preis: € 22
Bezugsquelle: saveur-drinks.de

4. Villbrygg ENG 02 – MEADOW 02

Das leicht schäumende, fermentierte Getränk des norwegischen Erzeugers Villbrygg aus regionalen Zutaten wie Mädesüß, Zitronenmelisse, Weidenröschen und Koriandersamen ist angenehm trocken und ausgewogen mit feiner Tanninstruktur.

Preis: € 21
Bezugsquelle: mindfuldrinking.club

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