Die Kunst, Käse neu zu denken

Beim Stichwort „veganer Käse“ winken viele ab: Scheibenkäse – schmeckt nicht. Frischkäse – einfach nicht dasselbe. Mozzarella – schmilzt nicht richtig. Das trifft auf viele handelsüblichen Käsealternativen mit zugesetztem Fett (meist Kokos), Verdickungsmitteln und Stärke auch leider noch zu. Ein weiteres Vorurteil ist, dass in Ersatzprodukten nur Chemie drin sei. Inzwischen gibt es in diesem Bereich Manufakturen, die ausschließlich mit natürlichen Rohstoffen arbeiten – statt Milch sind Nüsse, Pflanzen, Hülsenfrüchte und Pilzkulturen Basis für die vegane Käse-Alternative.
Lokale Lupinen als Basis – New Roots

In einem Chalet in der Schweiz entwickelten der frühere Downhill-Profi Freddy Hunziker und Alice Fauconnet die Idee für vegane Käsealternativen. Heute produziert ihr Unternehmen New Roots auf 4000 Quadratmetern Frischkäse, Ricotta und Raclette-Ersatz. Die Zutatenlisten sind kurz – beim „Le Schnittlauch“ etwa Cashewkerne, Wasser, Salz, Schnittlauch und Fermentationskulturen, ohne Zucker oder Verdickungsmittel. Künftig soll die Basis lokaler werden: Hunziker setzt auf biozertifizierte Schweizer Lupinen, um die Wertschöpfungskette im Land zu halten. „Die Lupine hat 40 Prozent Proteine, kein Cholesterin, keine gesättigten Fettsäuren, keine Laktose. Das Aminosäurespektrum ist wie bei Kuhmilch“, sagt er. New Roots erhielt 2025 den Green Business Award, den wichtigsten Nachhaltigkeitspreis der Schweiz, für seinen pflanzlichen Käse. Langfristig gehe es Hunziker darum, mit dem Lupinenanbau die Landschaft nachhaltig zu verändern.
www.newroots.ch
Cheese Cashews – Veeze

Ein Produkt, das sich auf jeder veganen Käseplatte sehen lassen kann? Genau das ist das Ziel von Anna Lessing mit Veeze. In ihrer eigenen Manufaktur mit kleiner Verkaufstheke in Oldenburg stellt sie vegane Käsealternativen auf Cashew-Basis her. Stolz präsentiert sie den „Blues Mediterrano“ mit Edelschimmelpilz, der die Rinde bläulich färbt und für intensiven Geschmack sorgt. In der kleinen Produktionsküche entstehen pflanzliche Varianten von Camembert, Mozzarella, Nacho-Dip und Frischkäse. Jeden Monat gibt es eine neue Camembert-Kreation – etwa Miso-Cranberry – mit hochwertigen Zutaten. Am Schaufenster steht „Taste of Tomorrow“, was sich nicht nur auf den Geschmack, sondern auch auf ihre Vision bezieht: „Ich träume davon, in den nächsten fünf bis zehn Jahren eigene vegane Käsetheken in den größeren Städten zu eröffnen.“ Noch legt die ehemalige Lehramtsstudentin den Fokus auf den Online-Versand.
www.veeze.de
Vorbild Mozzarella – Vanozza

Auch Nico Hansen aus Hamburg verwendet bei Vanozza Cashews als Grundlage für seine veganen Käsealternativen. Bereits 2015 hatte er sich zum Ziel gesetzt, einen pflanzlichen Mozzarella zu entwickeln, der richtig schmilzt – zunächst für seine eigene vegane Pizzeria, heute für den Handel. Besonders wichtig war ihm dabei, den typischen Fadenzug des tierischen Originals nachzubilden. 2022 wurde er damit mit dem Food Award des Food Innovation Camps ausgezeichnet. Sein Geheimnis? Der Gründer greift auf das Wissen von Lebensmitteltechnologie und Molkereien zurück und produziert gemeinsam mit kleinen Familienunternehmen in handwerklich-traditioneller Herstellung – allerdings rein pflanzlich. Neben dem fein säuerlichen Mozzarella gibt es jetzt auch Feta und einen Hartkäse-Ersatz.
www.vanozza.de
Gut gereift mit Pilzkulturen – Formo

Eine lebensgroße Kuh steht im Foyer von Formo Bio in Berlin mit der Aufschrift: „Not the cow of the future“. Für ihre Käsealternativen nutzt das Team Mikrofermentation: Kōji-Pilzkulturen werden mit Zucker und Nährstoffen gefüttert und produzieren so Proteine für die Weiterverarbeitung. Das Ergebnis heißt Frischhain – ein Frischkäse-Ersatz mit leicht säurebetonter, frischer Note. Die Herstellung kommt ohne Tiere aus und verursacht laut Unternehmen rund 65 Prozent weniger CO2 als herkömmlicher Frischkäse. Künftig will Formo mithilfe von Präzisionsfermentation auch bio-identische Milchproteine erzeugen – mit Geschmack und Funktion von klassischem Käse.
www.eatformo.de
Die Zukunft von veganem Käse
Und in Zukunft? In Kopenhagen arbeitet Professorin Lilia Ahrné mit ihrem Team am Projekt „HyCheese“ – einem Schnittkäse für Sandwiches, der zu 40 Prozent aus pflanzlichem und zu 60 Prozent aus tierischem Protein bestehen soll. Als pflanzliche Basis dient ein Konzentrat aus Ackerbohnen. „Wir verbinden das Beste aus zwei Welten“, sagt Ahrné. Bis 2028 soll der Hybridkäse marktreif sein. Einen anderen Weg geht das deutsche Start-up Viva la Faba: Es entwickelt Käsealternativen, die komplett auf Ackerbohnen basieren. Vielleicht genau der richtige Moment, Käse neu zu denken.