Kulinarisches Sauerland: Die Heimat von Friedrich Merz

Restaurants und Hotels im Sauerland:
Wild, Wälder und Wohlfühlküche
Wenn Felix Weber von der „Hofstube Deimann" in Schmallenberg morgens eine Nachricht auf sein Handy bekommt, ist er schneller wach, als seiner Frau manchmal lieb ist. Aber die Vorfreude ist einfach zu groß, als dass der einzige Sternekoch des Sauerlands abwarten könnte – weil er zu dieser Stunde stets erfährt, wenn die Jagd in der vergangenen Nacht erfolgreich war. Weber hat mit den Jägern der Umgebung eine Whatsapp-Gruppe eingerichtet, damit sie ihm sofort schreiben können, was ihnen vor die Flinte gekommen ist – und womit der Koch einige Tage später seine Gäste beglücken kann. Denn Wild ist Trumpf im Sauerland, der hauptsächlich zu Westfalen gehörenden Mittelgebirgsregion. Die Wälder über Schmallenberg strotzen nur so vor glücklichen Rehen, Hirschen und Wildschweinen.
Hofstube und Hotel Deimann

In sechs Gängen serviert der 36-Jährige am Abend Hochgenüsse aus besten internationalen Produkten wie Balfegó-Thunfisch oder wunderbar festen Jakobsmuscheln des Spezialitätenlieferanten Kochstoff. Höhepunkt ist aber stets der Sauerländer Gang, etwa Rehrücken mit Spitzkohl, Blaubeeren und einer überaus süffigen Sauce. Es ist eine Gourmetküche für Einsteiger: Die Produkte sind optisch ausdrucksstark inszeniert, Jus und Saucen dicht und gefällig. Da fühlen sich alle wohl – auch jene, die für die Spitzengastronomie eine Hemmschwelle überwinden müssen.
Diese Art der Haute Cuisine passt hierher, weil sie nicht auftrumpfen will – die Sauerländer neigen ohnehin eher zur Bescheidenheit. Das gilt auch für das erste Haus am Platz, das Hotel Deimann. Anfangs war es ein schlichter Gutshof im Fachwerkstil, heute ist das Hotel eine echte Wellness-Oase. Sogar Kanzler Friedrich Merz, bekanntlich stolzer Sauerländer, kommt hierher, wenn er wichtige Sitzungen in einem würdigen Rahmen abhalten will.
Hotel & Restaurant Seegarten in Sundern

Der Unterschied zu anderen Regionen: Hier sind es keine großen Ketten oder unbekannte Investoren, die schicke Hotels bauen – vielmehr investieren Familien aus der Region nachhaltig in Tourismus und Genuss. Das gilt auch für das Hotel & Restaurant „Seegarten“ von WDR-Fernsehkoch Olaf Baumeister in Sundern, eine Autostunde nördlich von Schmallenberg am westlichen Rand des Sauerlands. Schon von Weitem fällt der Bau am Sorpesee ins Auge, weil der Infinity-Pool mit Glaswand spektakulär über das Hoteldach hinausragt, sodass die Badenden bis zu den Füßen von unten gut zu sehen sind.
Auch hier war es der elterliche Gasthof, der den Betrieb über die Grenzen des Sauerlands hinaus berühmt machte. Und Olaf Baumeister sorgt heute mit seiner extravaganten Regionalküche dafür, dass hier tagtäglich beinahe jeder Tisch besetzt ist. Das liegt zum Beispiel an seinem hervorragenden Sauerländer Sushi aus Lachsforellen vom benachbarten Sundern-Ortsteil Allendorf – ebenso an seinem krossen Saibling mit Pistazien-Spaghetti, einem zartschmelzenden Gedicht. Die Gemüse, die Kräuter und das Wagyu-Rindfleisch kommen vom Tiggeshof, einem Biobetrieb in unmittelbarer Nähe. „Früher baute im Sauerland niemand Gemüse an, weil hier alle von den Weihnachtsbäumen lebten, das hat sich zum Glück geändert“, sagt Baumeister. Schließlich hat das Sauerland die größte Anbaufläche für Weihnachtsbäume in Deutschland. „Und jetzt fangen wir jungen Köche an, die tollen Produkte, die es mittlerweile gibt, etwas leichter zu interpretieren als früher. Damit wird die Sauerländer Küche hoffentlich bald auch überregional bekannter.“
Denn jahrelang ging es hier immer nur in eine Richtung: Die jungen Leute verließen die Region, alte Landgasthöfe wurden geschlossen – und stets starb damit auch ein Stück Seele in den kleinen und weit verstreuten Dörfern und Weilern. Sogar im Heimatdorf von Friedrich Merz, im Arnsberger Stadtteil Niedereimer, hängt am einstigen Gasthof ein riesiges Schild: „Provisionsfrei zu vermieten!“ Doch andernorts wurde diese Entwicklung gottlob aufgehalten: Das Sauerland steht wirtschaftlich gut da, weil hier viele örtliche Firmen in ihren Sparten Weltmarktführer sind. Zudem boomt der Tagestourismus, die Landlust treibt die Gäste aus dem Rheinland, dem Ruhrgebiet und den Niederlanden auf ausgedehnte Wanderungen durch die Natur oder auf die Skipisten von Winterberg. So ist gute Gastronomie hier beides: unverzichtbar für die Gäste – wirtschaftlich attraktiv für die Gastgeber.
Suerlänner Eck

Auch Max Linneweber entschloss sich, nach Jahren in exzellenten Häusern wie „Steinheuers Restaurant“ im Ahrtal in den heimischen Gasthof zurückzukehren. Das „Suerlänner Eck“ in Lennestadt ist ein Gasthaus wie aus dem Bilderbuch – mit Holztischen, tiefen Balkendecken und zwei wunderschönen Kachelöfen, die im Winter für Behaglichkeit sorgen.
Max Linneweber steht hier gemeinsam mit seinem Vater Jörg am Herd: „Unsere Maxime ist es, alles eigenhändig herzustellen“, sagt der Junior. „Unser Brot backen wir jeden Tag selbst, wir füllen unsere Maultaschen und machen unsere Pasta selbst, es geht einfach immer um Qualität. Das ist doch die goldene Regel für gutbürgerliche Lokale: Die einfachsten Gerichte müssen schlicht gut sein.“ Und das sind sie hier zweifellos: Die Wildbratwurst aus Reh und fettem Schweinebrät ist fein schmelzend und aromatisch, die speckig-zwiebeligen Bratkartoffeln könnten besser nicht sein. Dafür kommen die Gäste von überall: In der Woche treffen sich die Alten aus dem Dorf zum Mittagstisch, am Wochenende reisen Gäste aus Köln oder Duisburg an. „Die Leute haben seit Corona wieder starke Sehnsucht nach traditioneller Küche“, sagt Jörg Linneweber, „da können wir auch mal eine Potthucke anbieten, ohne dass jemand komisch guckt.“ Die Potthucke ist ein Kartoffelkuchen, der in einer Kastenform knusprig gebacken und mit Eiern und saurer Sahne serviert wird – typisch sauerländisch und echtes Seelenessen. „Ich bin froh, wieder daheim zu sein“, sagt Max Linneweber. „Ich liebe es einfach hier auf dem Lande. Und ich wollte nicht, dass die ganze Arbeit meiner Eltern mit dem Gasthof umsonst war.“
Haus Stoffels

Es ist diese Haltung, mit der man Tradition und Moderne harmonisch zusammenbringt in der Region. Denn auch, wenn das Sauerland gerade kulinarisch wachgeküsst wird, bedeutet das keineswegs, dass man bewährten Schlemmergerichten den Laufpass gibt. Im „Haus Stoffels“ in der Altstadt von Schmallenberg, einem Gasthof von 1691, wird es weiterhin das echte Sauerländer Krüstchen geben, ein Schnitzel auf Toast mit cremigen Champignons, genau wie Blutwurst mit Sauerkraut und einen traumhaften Sauerbraten mit Spätzle – schon, damit hier kein Wanderer auf halber Strecke den Berg hinauf schlapp macht.

