Oliver Mommsen im Interview


Gabriele Heins: Herr Mommsen, Sie gingen als Schüler auf zwei Internate. Wie ging es denn im Speisesaal zu?
Oliver Mommsen: Meine Mutter war schockiert, weil ich mit Manieren aufs Internat ging – und ohne Manieren wieder zurückkam. Im Speisesaal ging es wild zu, sobald eine Schüssel auf den Tisch gestellt wurde, musste man zugreifen. Insgesamt war es schwierig, gerettet hat mich die Schauspiel-AG in Salem, wo ich eine berufliche Perspektive fand.
Wenn also nicht im Internat, wo wurde Ihre Liebe zur Kulinarik geweckt?
Die Familie meines Stiefvaters, des deutschen Tennis-Champions Ingo Buding, führte ein Sporthotel in Südfrankreich. Dort lernte ich die mediterrane Küche kennen, die damals ja noch etwas ganz Besonderes war. Wir Kinder bekamen Froschschenkel mit Pommes und einer schönen Mayonnaise oder Bouillabaisse. Meine Eltern waren mit Winzern aus dem Bandol befreundet, mit dem Fahrrad bin ich immer durch die malerische Landschaft geradelt.
Oliver Mommsen
Stationen: Seit der Schauspielschule Maria Körber ist er in vielen Fernsehrollen zu sehen. Bekannt wurde er vor allem als Kommissar Nils Stedefreund im Bremer Tatort. Der 56-Jährige ist auch als Theaterschauspieler erfolgreich, etwa in dem Stück „Nebenan“ (St. Pauli-Theater, Hamburg) oder „Vanya“ (Winterhuder Fährhaus, Hamburg), in dem er alle Rollen spielt.
Privat: Oliver Mommsen ist der Ururenkel des Historikers und Nobelpreisträgers Theodor Mommsen. Sein Stiefvater war der deutsche Tennis-Davis-Cup-Spieler Ingo Buding. Der Künstler lebt in Berlin und hat zwei erwachsene Kinder.

Sport und Genuss würden sich ja eigentlich ausschließen ...
Bei uns nicht. In Straßburg, wo Buding Tennis unterrichtet hat, sind wir in Trainingsanzügen essen gegangen, dort habe ich die besten Frühlingsrollen gegessen – bis ich die bei „Madame Ngo“ auf der Berliner Kantstraße entdeckt habe.
Und seitdem fahnden Sie nach guten Produkten.
Allerdings! Ich weiß, wo es in Berlin das beste Pistazieneis gibt, und als ich mit meiner Tochter kürzlich in Paris war, habe ich an die 30 Bäckereien getestet, um das beste Croissant zum Frühstück zu finden. Ich gebe das meiste Geld für gute Lebensmittel aus – und gar nicht mal für Restaurants. In jeder Stadt, in der ich länger bin, habe ich schnell meine kulinarischen Lieblingsadressen und Rituale.
Warum nicht für Restaurants?
Zum einen bin ich zu hibbelig für lange Menüabende, aber ich bin auch immer sehr heikel darin, etwas Neues auszuprobieren. Sobald ich nämlich merke, dass das Essen nicht liebevoll zubereitet ist, sinkt meine Laune, und dann tut mir jeder Cent leid. Aber wenn es richtig gut schmeckt, gebe ich auch liebend gern eine halbe Gage an einem Abend aus.
Verraten Sie uns, wo man „Kommissar Stedefreund“ aus dem Bremer Tatort immer gesehen hat?
Im Fischladen „Bodes“ war ich Stammkunde sowie im inzwischen geschlossenen Restaurant und Feinkostladen „Grashoff“. Wenn das Honorar auf dem Konto war, habe ich dort legendäre Abende verbracht, mit tollen Bordeaux und Burgundern. Aber ich war auch gern im Viertel bei einem Mexikaner, der tolle Quesadillas macht. In Hamburg liebe ich den Isemarkt, in München den Viktualienmarkt.

In „Schule am Meer“ haben Sie einen Koch gespielt. Wie haben Sie sich auf die Rolle vorbereitet?
Ich habe alle Folgen von „Chef’s Table“ auf Netflix geschaut und Anthony Bourdains „Geständnisse eines Küchenchefs“ gelesen. Außerdem habe ich einen beeindruckenden Tag bei „Henssler Henssler“ in Hamburg mitgearbeitet sowie eine Schicht bei meinem Freund Gregory im Berliner „Lebensmittel in Mitte“.
Was haben Sie dabei über die Welt der Spitzenküche gelernt?
Dass es ein fast mönchisches Leben verlangt, mit viel Hingabe, hochgradiger Präzision, eine Art kulinarische Raketenforschung. Mir ist es ein Rätsel, wie man dabei ein Familienleben führen kann.
Warum sind Sie so produktverliebt?
Weil mir gutes Essen Energie schenkt, die Seele stärkt und mich glücklich macht. Gerade, wenn ich viel unterwegs bin, mal hier, mal da, erdet es mich, wenn ich weiß, wo es den besten Fisch, den besten Käse oder das beste Brot gibt. Mir macht es schon auch Spaß, beim Wein Vanille herauszuschmecken, aber ich bin eher bei Wurst, Käse, Brot. Aktuell finde ich es spannend, die beste Anis-Fenchel-Kümmel-Mischung zu finden. Auf Theatertournee bin ich übrigens Selbstversorger und koche im Hotel, denn wir Schauspieler müssen nachmittags essen, um Energie für die Bühne zu haben. Es ist oft schwierig, ein gutes Restaurant zu finden, das zu der Zeit geöffnet ist.

Was heißt: Sie sind Selbstversorger?
Mittlerweile habe ich ein ausgeklügeltes System, reise mit Campingkocher, Kochtopf mit Stecker und Induktionsplatte, alles in einem Hackenporsche mit Isolierfach. Auch die Hälfte meines Koffers ist immer für Küchentools und Lebensmittel reserviert. Ich koche dann im Hotelzimmer, Pak-Choi mit Glasnudeln etwa oder Pasta. Das hat etwas von Unabhängigkeit – und ich muss nicht, wie viele Kollegen, Käsebrötchen oder etwas Komisches von der Tankstelle essen.
Klingt abenteuerlich.
Einmal habe ich im Winter sogar Lebens- mittel in Beuteln mit langen Schlaufen aus dem Fenster gehängt. Diese Selbstversorgung macht mir riesigen Spaß. Interessant ist: Die Pasta schmeckt noch besser, wenn ich sie mir erarbeiten muss. Genuss ist immer mein Ziel gewesen, ich gucke in den Kühlschrank und weiß sofort, was ich zu tun habe.
Ein Leben ohne gutes Essen wäre ...
... traurig, das würde mich innerlich zerbröseln. Allein wie wir hier reden, klingt es doch wie Erkennungsmelodien.
Kochen Ihre Kinder auch so leidenschaftlich?
Mein Sohn ist ein richtig guter Koch und hat die letzten drei Weihnachtsmenüs allein gestaltet. Er hat Hotelmanagement studiert und entwickelt gerade ein Nudel-Gastro-Konzept. Meine Tochter, die studiert, setzt eher auf den Lieferservice.
Könnten Sie mit jemandem zusammen sein, dem gutes Essen egal ist?
Schwierig, denn gemeinsam genießen ist so wichtig wie gemeinsam lachen. Über Essen zu reden ist auf jeden Fall interessanter als über Aktien.
Im TV und auf der Bühne
„Vanya“ nach Tschechow: Nach ausverkauften Vorstellungen in Berlin vom 10. bis 21. September im Winterhuder Fährhaus, Hamburg.
TV-Reihe „Schule am Meer“: Auf die Rolle als Koch hat sich Oliver Mommsen gut vorbereitet.
Tatort Bremen: Von 2001 bis 2019 ermittelte Oliver Mommsen mit Sabine Postel als Kommissar-Duo. Hier die Folge „Toter Winkel“.