Cornelia Poletto und Anna Sgroi im Interview

Cornelia Poletto und Anna Sgroi im Interview

Zwei Spitzenköchinnen, zwei außergewöhnliche Lebenswege: Cornelia Poletto und Anna Sgroi erzählen im Interview von ihrer ersten Begegnung, ihrer Liebe zur italienischen Küche und verraten, wie sie Pasta niemals essen würden.
Text Julius Schneider
Datum02.05.2025

Feinschmecker: Eine wichtige Frage vorab: Was gab es bei euch zum Mittagessen?

Cornelia Poletto:
Also, mein Frühstück hat sich in ein Mittagessen verwandelt, bis jetzt habe ich eigentlich nur etwas Kefir getrunken und einen Apfel gegessen. Ich esse oft noch einmal mit meinem Team vor dem Service, so um 16 Uhr.

Anna Sgroi:
Ich war so viel unterwegs, da gab es erst mal nichts. Aber ich lebe jetzt in Kroatien, das Klima ist mild und mein Mittagessen leicht: Wassermelone, Frischkäse und etwas Salat – mehr brauche ich nicht.

Als ihr zusammen in Annas Restaurant gearbeitet habt, war das sicher anders, oder?

CP:
Als ich bei Anna im „Anna e Sebastiano“ in Hamburg angefangen habe, ging es immer so um 14 Uhr los – meistens kam ich zu spät. Dann gab es für alle etwas ganz Einfaches, nur Artischocken oder ein kleines Pastagericht. Das war super! Die Italiener frühstücken nicht, wir haben mittaggegessen, und dann haben wir angefangen zu arbeiten.

AS:
Die Gemeinschaft im Team ist mir auch sehr wichtig. Wir kochen den ganzen Tag für unsere Gäste, da sollten wir auch für uns gut kochen, zusammensitzen und eine gute Zeit haben.

Wie Anna Sgroi und Cornelia Poletto sich kennenlernten

Anna Sgroi und Cornelia Poletto erzählen, wie sie ihre Lebenswege in der italienischen Küche geprägt haben.

Anna, du bist in Sizilien geboren und durch Zufall in Hamburg zum Kochen gekommen. Conny, du kommst aus Hamburg und hast eine klassische Ausbildung bei Heinz Winkler gemacht. Wie haben sich eure Wege gekreuzt? Wie habt ihr euch gefunden?

AS:
Sie hat mich gesucht.

CP:
… und gefunden! Ich war so fasziniert von dieser dynamischen Frau, die in diesem kleinen Restaurant so gut kochte. Ich bewarb mich und bin mit dem Auto hingefahren.

Wie hast du damals von Anna erfahren, ohne Internet und Social Media?

CP:
(lacht) Tatsächlich über den Feinschmecker, ich hatte ein Abo und habe dort über sie gelesen. Anna und Sebastiano waren damals oft im Feinschmecker. Er hat zum Beispiel Weine vorgestellt – die beiden haben mich sofort begeistert.

AS:
Aber zuerst warst du bei uns im Service, in die Küche habe ich dich noch nicht gelassen. Wir waren ein kleines, eingeschworenes Team und irgendwie wollten wir das nicht.

CP:
Stimmt, eine Köchin hast du damals nicht gebraucht. Aber Sebastiano, dein damaliger Mann, hat mich gefragt, ob ich auch im Service arbeiten möchte. Da habe ich sofort ja gesagt. Ich wollte Teil dieser Truppe sein.

Cornelia Polettos Anfänge

Also brauchte es Zeit, bis Cornelia in die Küche durfte?

AS: 
Ja, aber ich habe sie über den Service kennengelernt, und sie hat das ziemlich gut gemacht. Ich wusste, dass sie eine sehr gute Ausbildung hatte, und irgendwann musste ich Sebastiano sagen, dass ich sie in der Küche brauche. Schade für ihn, gut für mich. Wir waren ein richtig gutes Team.

Cornelia, du hast eine sehr klassische Ausbildung bei Heinz Winkler genossen, warst Teil einer großen Brigade. War die Küche bei Anna nicht eine andere Welt für dich?

CP: 
Oh ja, ich konnte damals nur Drei-Sterne-Kochen. Ich konnte Flusskrebse perfekt kochen, ich konnte Wachteleier zwei Minuten 53 kochen und daraus dreierlei Amuse-Bouche machen. Ich konnte alles, was irgendwie Haute Cuisine war, aber ich konnte kein Schnitzel, keinen Schweinebraten. Diese reduzierte, pure Küche musste ich erst lernen.

AS:
Und man muss wissen, dass wir echte italienische Küche gekocht haben, keine angepassten Gerichte wie Pasta mit Lachs und Sahnesauce.

CP:
… Anna hasst Sahnesauce.

AS:
Ja, ich koche nach Gefühl. Ich habe keine Ausbildung gemacht, Kochen war eher mein Hobby, und als Sebastiano das Restaurant eröffnet hat, bin ich einfach in die Küche gegangen. Es war eine glückliche Fügung.

Leidenschaft statt Kochausbildung

Warst du durch die fehlende Ausbildung freier im Kopf, hast du deine Küche anders geführt, Anna?

AS:
Nein, das ist mein Charakter. Ich habe immer einen freien Kopf. Die einzige "Ausbildung", die ich hatte, war ein Praktikum bei Gualtiero Marchesi in Mailand, damals ein Weltstar. Drei Tage war ich da, Rezepte habe ich keine gelesen. Viel wichtiger war es, seine Philosophie zu verstehen. Er war erstaunt, dass ich nach so kurzer Zeit wieder ging, aber das war alles, was ich brauchte. Zurück in Hamburg habe ich eine Woche Pause gemacht und überlegt, wie ich kochen will. Pur, frisch und mit Herz. So habe ich auch mein Team geführt, und das steht sicher in keinem Lehrbuch. Ich hatte einfach das Glück, mit Sebastiano ein Restaurant zu haben, in dem ich mich verwirklichen konnte – Spaß und Freude waren mir dabei immer wichtig.

Die Liebe zur italienischen Küche

Wurde deine Liebe zur italienischen Küche hier geweckt, Cornelia?

CP:
Ja, auf jeden Fall. Aber es war auch diese Art zu arbeiten. Bei Heinz Winkler waren 27 Köche in der Küche, hier waren wir zu dritt – keine Posten, jeder hat dem anderen geholfen, und wir waren richtig gut eingespielt. Im Chiemgau gab es mal Risotto auf der Karte oder Pasta mit Gorgonzola, aber das war’s dann mit Italien. Hier gab es Ravioli mit Austern und Spinat. Und wenn ein Risotto bestellt wurde, musste man 45 Minuten warten. Risotto schmeckt nur frisch gekocht am besten. Für mich waren der Umgang mit den Lebensmitteln und die Art zu arbeiten etwas völlig Neues.

Selbstständigkeit in der Gastronomie

Ihr kennt beide die Selbstständigkeit, und ein Restaurant zu führen ist ein hartes Geschäft. Was treibt euch täglich an?

AS:
Die Freiheit, ich könnte nie für jemanden arbeiten. Ich habe meine eigenen Ideen, die ich realisieren möchte. Ich fände es schwierig, die Ideen anderer umzusetzen, deshalb ist es für alle einfacher, wenn ich so arbeiten kann, wie ich es möchte.

CP:
Ja, wenn man so frei kocht, das ist einfach schön. Wenn man seinen eigenen Kopf durchsetzt und seinen Stil gefunden hat. Bei Anna fing das schon bei der Butter zum Brot an. Die gab es natürlich nicht, und als ein Gast danach fragte, war das für Anna ein Ding der Unmöglichkeit. Sie hat dann freundlich darauf hingewiesen, dass Olivenöl die bessere Alternative ist. Da ist sie kompromisslos.

AS:
Ja, das geht bei mir gar nicht.

CP:
Was auch eine wichtige Rolle spielt, ist die Gastfreundschaft. In meinem eigenen Restaurant kann ich Gastgeberin sein und meinen Leuten diese Wärme mitgeben. Es darf nicht aufgesetzt sein, das spüren Gäste sofort. Ein gelungener Abend beginnt mit der Begrüßung.

Zwei Frauen in einer Küche

Anna Sgroi und Cornelia Poletto im Gespräch über ihre Leidenschaft für die italienische Küche und ihre besonderen Lebenswege.

Als ihr zusammen gekocht habt, war es schon etwas Besonderes, dass zwei Frauen die Küche eines Restaurants leiten, und das ist immer noch selten. Was braucht es, um mehr Frauen für diesen Beruf zu begeistern?

AS:
Ich glaube, viele Frauen interessieren sich für diesen Beruf, aber in der Realität ist es schwierig, ihn mit der Familie zu vereinbaren. Bei mir ist das anders. Ich habe keine Kinder, ich habe immer für meinen Beruf gelebt. Aber wenn man als Frau eine Familie gründen will, wird es schwierig – zumindest hier. Als angestellte Köchin ist das fast unmöglich.

CP:
Ja, du musst selbstständig sein. Als meine Tochter Paola klein war, haben wir über dem Restaurant gewohnt, das Babyphone stand in der Küche, und einer von uns war immer für sie da. Du brauchst die Unterstützung der Familie – anders geht es nicht. Um auch als angestellte Köchin Kinder zu haben, braucht es familienfreundliche, geregelte Arbeitszeiten. Mittags geht es vielleicht noch, aber abends wird es schwierig. So wie es jetzt ist, wird es für Frauen nicht einfacher, auch wenn sich in der Branche langsam etwas bewegt.

Kocht eine Köchin anders als ein Koch? Oder ist das ein Mythos?

CP:
Nein, das ist ein Mythos. Niemand kann das schmecken. Wenn du mir einen Teller hinstellst und ich soll blind sagen, ob er von einer Frau oder einem Mann gekocht wurde, dann müsste ich raten.

AS:
Es kommt immer auf den Charakter und die Einstellung zum Kochen an. Gute Köchinnen und Köche haben alle ein Gefühl fürs Kochen, sie kochen mit dem Herzen – das Geschlecht ist egal.

Gibt es ein Gericht, das ihr gerne für die jeweils andere kochen würdet?

AS:
Meine Ravioli, egal welche. Ich mache sehr gute Ravioli, und die Füllung wechselt je nach Saison. Kaninchen, Zucchini mit Sardellen, Kürbis und Käse oder Kartoffeln – egal was, es schmeckt.

CP:
Oh ja, das stimmt! Ich würde etwas mit Artischocken und Fisch machen. Denn Anna liebt Artischocken, damit kriege ich sie immer. Am besten Fisch dazu – ganz pur, mit tollen Produkten.

Die großen Pasta-Sünden

Gibt es eine Pasta-Sünde, die euch Tränen in die Augen treibt?

AS:
Alles, was cremig ist, geht bei mir gar nicht. Überhaupt finde ich Nudeln mit Sahnesauce schwierig – warum gibt es das?

CP:
Ich liebe Spaghetti Vongole, die könnte ich jeden Tag essen. Sie sind perfekt, so wie sie sind. Aber es kommt vor, dass ein Gast nach Parmesan dazu fragt, und das ist wirklich schlimm für mich.

Anna Sgroi

Anna Sgroi wurde am 20. April 1959 in Alcamo auf Sizilien geboren. Sie absolvierte zunächst eine Ausbildung zur Friseurin und kam über einen Freund nach Hamburg, wo sie mit ihrem Partner das Restaurant „Anna e Sebastiano“ eröffnete und von 1988 bis 1998 betrieb. Ihr nächstes Restaurant, das „Sgroi“, führte sie allein. Beide Restaurants wurden mit einem Michelin-Stern ausgezeichnet. In naher Zukunft wird sie nach Italien ziehen, um dort als Privatköchin zu arbeiten.

Cornelia Poletto

Cornelia Poletto, am 9. August 1971 in Hamburg geboren, absolvierte ihre Ausbildung zur Köchin bei Heinz Winkler in Aschau im Chiemgau. Nachdem sie unter anderem bei Anna Sgroi gearbeitet hatte, eröffnete sie mit ihrem damaligen Ehemann ihr Restaurant „Poletto“. 2011 gründete sie allein das Restaurant „Cornelia Poletto“ mit dazugehöriger Kochschule und der Bar „Paolas“ – benannt nach ihrer Tochter.

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