Reife Leistung - Zigarren-Fertigung

Reife Leistung: Die Kunst der Zigarrenfertigung

Zigarren werden mit viel Handarbeit und Können hergestellt. Beeindruckend zu sehen in der Manufaktur Arnold André Dominicana.
Datum06.07.2023

Inspirierender Zigarrengenuss

Tabakursprungsland Dominikanische Republik: Hier werden Zigarren noch in sorgfältiger Handarbeit hergestellt.

Zigarren sind für viele noch immer ein Mysterium. Wie kann etwas, das nur aus fermentierten braunen Blättern besteht, so viel Begeisterung auslösen? Aber für wahre Aficionados (Zigarrenliebhaber) wie Winston Churchill, Che Guevara oder Mark Twain ging es um mehr als nur Qualm. Sie sahen in der Zigarre einen inspirierenden Genuss, der sich eben erst entfaltet, wenn man ihm Zeit und Aufmerksamkeit schenkt.

Heute ist der bewusste Rauchgenuss von Zigarren aktueller denn je – möglicherweise, weil die Wiederentdeckung alter Werte wie Qualität und Handwerkskunst als neuer und verlässlicher Luxus in der Schnelllebigkeit des digitalen Zeitalters eine immer größere Rolle spielen. Wie viel Sorgfalt und mehr noch, Liebe, zur Herstellung von edlen Zigarren im Tabak-Ursprungsgebiet gehören, zeigt sich wunderbar bei einer Reise zur Manufaktur Arnold André Dominicana in der Dominikanischen Republik.

Tour de Tabac in der Dominikanischen Republik

Die Tour de Tabac beginnt in der pulsierenden Stadt Santiago de los Caballeros im Norden des Landes, vorbei an geschäftigen und wild gestikulierenden Menschen, durch das chaotische Gewusel des Straßenverkehrs und eine Kakophonie an Geräuschen, die einem von allen Seiten aus den bunten Straßencafés entgegenschallt. Doch sobald wir die Stadt hinter uns lassen, erleben wir eine majestätische Stille. Weit und breit erstrecken sich vor dem Auge ausladende Tabakfelder. Hier im Cibao-Tal, geschützt von Bergkuppen, tanken die mannshohen, leuchtend grünen Pflanzen die Kraft der karibischen Sonne. Das Klima ist warm und feucht, der fruchtbare Boden reich an Mineralien von Kupfer bis Gold – ein wahres Paradies für den Tabakanbau. 

Das erkannte auch Unternehmer Axel-Georg André, als er 2011 an der Quelle eine der modernsten Zigarrenmanufakturen der Welt verwirklichte: "Arnold André" blickt auf eine über 200-jährige Familien- und Unternehmensgeschichte zurück. Neben der Herstellung von Shortfiller-Zigarren und Zigarillos am deutschen Standort Bünde in Westfalen verschrieb man sich seit 2015 der Fertigung von handgerollten Longfiller-Zigarren – der Königsklasse. In der weltweit wichtigsten Anbauregion für Tabak, der Dominikanischen Republik, beschäftigt Arnold André über vierhundert Mitarbeiter in seiner Manufaktur. Ziel sind handgerollte Zigarren, "hecho a mano", der Luxuskategorie, für Marken wie Carlos André, Buena Vista, Parcero oder Montosa, wie sie weltweit von Zigarrenfans geschätzt werden.

Zigarrenherstellung in fünfter Generation

Siegfried Maruschke überwacht die Qualität auf den Plantagen.

Die Zigarrenfertigung nimmt ihren Anfang in den Tabakfeldern von Esperanza, eine knappe Autostunde westlich von Santiago. Hier pflückt Siegfried "Fito" Maruschke in der fünften Generation mit seinen Tabakbauern, den "tabacqueros", die etwa armlangen Blätter von Hand. Sein renommiertes Unternehmen "Jose Mendez" beliefert Arnold André schon seit Jahren mit feinster Qualität. Diese erfahrenen Spezialisten überprüfen bei der Sortierung die Blätter sorgfältig nach ihrer Größe, Qualität und eventuellen Schäden und stellen sicher, dass wirklich nur die besten Blätter gepflückt werden, bevor sie in offen gebauten hölzernen Trockenhäusern gelagert werden. 

Von Fito erfahren wir auch, dass die Tabaksamen und -setzlinge (Sorte: Piloto) schon vor vielen Jahren aus Kuba ins Cibao-Tal gebracht worden sind. Der Tabak ist für seine Qualität und sein intensives Aroma bekannt und wurde deshalb als Basis für die Produktion in anderen Ländern verwendet. Heute gibt es in der Dominikanischen Republik viele verschiedene Arten von Tabak, aber die ursprünglich kubanische Tabaksorte ist nach wie vor ein wichtiger Bestandteil der Zigarren-Melanges von Arnold André und hat sich bis heute zu einer ganz eigenen Aromen-Varietät entwickelt.

Rauchen erlaubt: Das Rollen geht mit dem Zigarrengenuss einher.

Die Welt der Tabakblätter erleben wir besonders intensiv, als wir in Moca die Hallen der Manufaktur von Siegfried Maruschke betreten. Hier sieht man überall geschäftige Hände, wie sie Tabakblätter begutachten, dabei regelmäßig wenden und gelegentlich mit Zerstäuberflaschen befeuchten, damit sie gleichmäßig trocknen, auf keinen Fall brechen und ihr volles Aroma behalten. Dies gilt vor allem für die wichtigen Deckblätter. Nach dem Trocknen werden die Tabakblätter zu Bündeln zusammengebunden und anschließend fermentiert. Die Blätter wechseln während dieses Gärprozesses die Farbe von Grün zu Braun (ungefähr milchkaffeefarben), fühlen sich etwa an wie dünne Lederlappen und verlieren Eiweiß, Zucker, Stärke, Nikotin und Gerbsäure – unerlässlich für einen milden, harmonischen Geschmack. 

Und in jedem Winkel dieser vielleicht tausend Quadratmeter großen Halle der Geschäftigkeit duftet es exotisch. Man badet geradezu in einer Melange aus Gerüchen, die an dunkle Schokolade, Bourbon-Vanille, würzige Erde und Muskatnuss erinnern: Der Tabakgeruch, der immer auch etwas Cremiges und Süßliches hat, bleibt beständig unser Begleiter. Den krönenden Abschluss und das Herzstück der Produktion erfahren wir voller Vorfreude und Neugierde schließlich in Santiago de los Caballeros in der Manufaktur von Arnold André: das händische Rollen der Zigarren durch die "torcedores", die Frauen und Männer an den Holztischen.

Zigarrenherstellung in Handarbeit bei Arnold André Dominicana.

Das Handrollen von Zigarren ist bis heute eine Kunst, die seit Jahrhunderten weitergegeben und heutzutage auch als Ausbildungsberuf gelernt wird. In jeder "fábrica" (Zigarren-Fertigunshalle), ob auf Kuba oder in der Dominikanischen Republik, ist das Rollen ein beeindruckendes Bild: Hunderte von Männern und Frauen sitzen vor ihren Arbeitstischen in Reihen, raffen mehrere Schichten Tabakblätter zu kleinen Bündeln zusammen, wickeln den Tabak in Umblätter, rollen sie zusammen und legen sie in Pressbretter (immer für zehn Zigarren), die dann zwischen eiserne Platten gelegt und nach mehrmaligem Wenden per Handkurbel zusammengepresst werden. 

Neben dem Aroma spielt bei einer Zigarre die Form eine fast ebenso große Rolle – sie muss Zug haben, aber nicht zu locker und nicht zu fest gerollt sein, um sie mit Hingabe rauchen zu können. Die größte Kunst ist das Einrollen in das Deckblatt: Die Roller schneiden aus einem ganzen Tabakblatt händisch die spezifischen Formen. In dieses Deckblatt, dem vielleicht wichtigsten Element der Zigarre, wickelt der "torcedor" dann langsam und konzentriert den Zigarren Rohling, auch Wickel genannt, ein wie mit einer Spirale. Jeder Schritt erfordert viel Fingerspitzengefühl, Können und Hingabe, damit die Zigarre fest, aber auch flexibel genug für das spätere Rauchen ist – wäre etwa das Deckblatt an irgendeiner Stelle rissig, würde die Zigarre an diesen Stellen Luft ziehen oder das Deckblatt würde sich abwickeln, wenn das Abdeckblatt für den Kopf nicht fest genug sitzt.

Der Tabak-Meister: versiert wie ein Sommelier

Das Aroma der Zigarre wiederum überwacht der Masterblender, der Maestro de Tabaco. Er ist eine Supernase und -zunge, die am Ende die Verantwortung für die Zigarrenqualität trägt. Das Verkosten von Tabakblättern ist dabei eine sehr anspruchsvolle Aufgabe; so muss er wie ein Sommelier bei Wein sehr versiert die subtilen Nuancen und Geschmacksrichtungen erkennen können, um die Qualität und den Charakter des Tabaks einzuordnen. Es ist ein familiäres und gängiges Ritual bei Arnold André, dass Maestros wie Carlos Jiménez sich zum Feierabend selbst ausgesuchte Zigarrenblätter und Deckblätter mit nach Hause nehmen, um die Einlagenblätter in Um- und Deckblätter zur Zigarre rollen und neue Geschmacksnuancen ausprobieren.

Beim traditionellen Domino-Brettspiel wird die Zigarre dann gemeinsam mit Freunden und in der Familie probiert und durchgesprochen. Man untersucht zunächst die Tabakblätter, schmeckt und erschnuppert die jeweilige Duftnuance, um die perfekte Zigarrenmischung zu finden. Dabei plant Carlos Jiménez den Aufbau der Zigarre von innen nach außen, damit der Zug stimmt und die Zigarre ihre komplexen Aromen mit der Hitze abgeben kann. Auf diese Weise entstand auch die neue vollmundige und harmonische Zigarre "Parcero", die aus Tabakblättern aus Nicaragua, Brasilien und der Dominikanischen Republik komponiert wird. Die "Parcero", die liebevolle spanische Bezeichnung für den "Kumpel" oder "Freund" wurde zu einer Hommage an die Arbeit und das Durchhaltevermögen des Masterblenders und ein Symbol der Verbundenheit zwischen den Zigarrenrollern und -rollerrinnen und ihrer Handwerkskunst. Jede Zigarre erzählt ihre ureigenste Geschichte, die den Zigarrengenießer begleitet. Wie auch die persönlichste Marke von Arnold André, die Carlos André Family Reserve, die nach dem Sohn des Inhabers benannt wurde. Oder die Buena Vista, für die Tabak in Whiskyfässern aus Eiche geschichtet und unter hohem Druck mindestens ein Jahr fermentiert wird, um schließlich ein einzigartiges, ausgeprägt würziges Aroma zu entwickeln. Diese Methode "Perique" wurde von den Choctaw-Indianern aus den USA weitergegeben.

Diese kostbaren "Geschichtenerzähler" aus gebündeltem und erlesenem Tabak werden auch zukünftig eine wichtige Rolle in der Welt des Luxus und des guten Geschmacks spielen – und uns an die Wiederentdeckung des langsamen Genusses erinnern. Eine elegante Zigarre verlangt eine sorgsame Aufbewahrung im Humidor und etwas Wissen, um sie anzuschneiden und anzurauchen. Mit dem langsamen Rauchen der Zigarre, ohne zu inhalieren, demonstriert der Zigarrenfreund, dass er den wahren Luxus schätzt: Zeit und Muße zu haben und sich aus der Alltagshektik auszuklinken. Eine Zigarre ist eben weitaus mehr als nur ein Bündel Tabakblätter. Sie gibt weiter, was die reiche Natur der Karibik und über dreihundert Hände ihr gegeben haben, eine Seele.

Tabak – Kuba und die Karibik

Für viele Zigarrenkenner:innen ist Kuba das gelobte Land, Zigarrenmarken aus dem sozialistischen Inselstaat wie Cohiba, Romeo Y Julieta oder Montecristo sind weltberühmt, teuer und werden oft in Fälschungen angeboten. Auf seine Zigarren hält Kuba ein Monopol – wer sie handeln möchte, muss in Deutschland beim offiziellen Generalimporteur 5th Avenue kaufen (5thavenue.de). 

Aber Kuba ist seit Jahren bedrängt: Wiederkehrende Wirbelstürme ruinieren die Felder und Trockenhäuser. Schon seit den Zeiten des ersten US-Embargos gegen Kuba 1962 wurden kubanische Setzlinge und Samen in andere Länder wie die Dominikanische Republik und Honduras geschmuggelt. Die kubanische Tabaksorte Piloto Cubano wurde intensiv im Norden der Dominikanischen Republik angepflanzt, im Cibao-Tal. Zigarren der Dominikanischen Republik gelten heute als den Havannas ebenbürtig, bei eigenständigem Charakter.

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