TRENDCHECK STADTBIENEN

TRENDCHECK STADTBIENEN

Viele Hotels stellen sich Bienenstöcke aufs Dach. Das dient der Arterhaltung, und auch die Gäste profitieren: Den Honig gibt’s zum Frühstück – und für die Gastgeber ein gutes Image
Datum08.06.2020

TEXT STÉPHANIE SOURON

Sommerzeit ist Bienenzeit – und nicht zuletzt seit dem Welterfolg des Romans „Die Geschichte der Bienen“ der Norwegerin Maja Lunde sind das Halten von Bienenvölkern und das Imkern ein echter Trend. Honigbienen zählen mittlerweile zu den bedrohten Tierarten; Krankheiten, Pestizide und Monokulturen machen ihnen das Leben schwer. Wer sich ein Bienenvolk im Garten oder auf dem Dach hält, tut ihnen also Gutes und trägt vielleicht sogar zu ihrer Arterhaltung bei.

Auch viele Hotels halten inzwischen Bienen auf ihrem Dach. Denn die Tiere polieren das grüne Image der Häuser quasi im Vorbeifliegen auf. Das kommt gut an in Zeiten von „Vertical Green“, den grünen Wänden und Mauern, und Fridays for Future. Auch die Gäste profitieren von den fleißigen Insekten ganz oben: Sie bekommen jeden Morgen zum Frühstück einen lokalen Aufstrich, der nicht nur an den Fingern, sondern auch im Gedächtnis haften bleibt. Denn egal, ob die Bienenstöcke auf dem Park Hyatt oder dem East in Hamburg stehen, dem Big Mama oder dem Ellington in Berlin, dem Bilderberg Bellevue in Dresden, dem Pullman in München oder einem der anderen zahlreichen Hotels in Deutschland mit Bienen auf dem Dach: Ein regionaler, handwerklich produzierter Honig schmeckt immer besser als der goldene Sirup aus der Plastikflasche. Und die Qualität dieser Hobbyprodukte ist überraschend gut. „Honig aus der Stadt hat ein unglaublich breites Aromenspektrum“, sagt Imker Wolfgang Zell. „Er schmeckt oft viel besser als ein sortenreiner Honig vom Land.“ Denn so merkwürdig es klingen mag: Zwischen Asphalt und Beton herrschen für die Bienen fast paradiesische Zustände. Aufgrund der milderen Temperaturen ist die Vegetationszeit in der Stadt länger und die Pflanzenvielfalt größer. Hinzu kommt: Seit einigen Jahren praktizieren viele Stadt be wohner mit Herzblut „Urban Farming“, urbane Gärtnerei. Sie gründen Garten gemeinschaften, säen Blumen im Vorgarten und auf Verkehrsinseln aus und bepflanzen öffentliche Parks. Das erleichtert den Bienen die Nahrungssuche und wirkt sich positiv auf die Qualität des Honigs aus. „Anders als auf dem Land gibt es in der Stadt keine Massentracht wie etwa beim Raps. Alles blüht in der Stadt nacheinander, von der Weide im März bis zum Efeu im Oktober“, sagt Zell. So finden die Bienen immer genug Nahrung und können sich Zeit lassen, um ihren Honig zu produzieren. „Das schmeckt man am Ende auch“, sagt Zell.

Im Wiener Hotel Daniel prüft Imker Dietmar Niessner die Honigwaben

Der Imker Wolfgang Zell lebt in Brandenburg und ist einer der deutschen Experten für Honig von Hoteldächern Als er vor drei Jahren neue Lebensräume für seine Bienenvölker suchte, fand er durch Zufall einen Standort auf dem Hotel Ellington mitten in Berlin. Seitdem stellt er dort jedes Frühjahr drei Bienen stöcke auf, kümmert sich um die Tiere und beliefert anschließend das Hotel mit Honig vom Dach. Der Erfolg dieses ungewöhn lichen „Be2bee“Konzepts hat sich herumgesprochen. Inzwischen versorgen Zell und seine Frau von ihrer „Salubria“Honigmanufaktur in Calau aus rund 80 Hotels in Berlin, Hamburg und Dresden mit Bienenstöcken, Imkerwissen, Support und Honig. Und Wolfgang Zell hat das große Glück, von jedem Hotelhonig eine Kostprobe nehmen zu dürfen. Er schwärmt von Mischungen aus Lindenblüten, Honigtau, Brombeere und Minze. „Jede Stadt schmeckt anders“, sagt er und lacht.

Geht man danach, ist der Honig vom Dach des Frankfurter Hotels Jumeirah auf jeden Fall eine Reise wert. Die Bienenstöcke stehen dort in 96 Meter Höhe – so weit schraubt sich der Turm der luxuriösen Hotelkette aus Dubai in den Himmel. Das Haus ist auf Gäste aus dem Mittleren Osten spezialisiert. Im Restaurant „El Rayyan“ etwa wird deshalb auch feinste libanesische Küche serviert. Auch aus den Waben am Frühstücksbuffet tropft kein gewöhnlicher regionaler Honig: Weil der Frankfurter Palmengarten nicht weit vom Hotel entfernt ist, sammeln die Bienen auch dort ihren Nektar von den exotischen Pflanzen ein. Im „Jumeirah“ wissen sie, wie man den Honig vom Dach wirkungsvoll inszeniert: Die Bar nutzt ihn für Cocktails, der hauseigene Spa für eine spezielle „SkylineHonig“ Behandlung.

Den Daniel-Honig gibt’s auch zum Mitnehmen

Den Bienentrend nutzen auch die Wiener. Das Hotel Daniel ist ein smartes, urbanes Haus zwischen Hauptbahnhof und Belvedere. Auf dem Hoteldach liegt ein gestrandetes Segelboot, gestaltet von dem Künstler Erwin Wurm. Gesellschaft bekommt der Kahn von vier Bienenvölkern, die hier oben fleißig Honig produzieren. Wenn er erntereif ist, reist ein Imker mit all seinen Gerätschaften an und schleudert den Honig zuschauerwirksam in der „Daniel Bakery“ vor den Augen der Hotelgäste.

Die meisten Gäste, vor allem in Deutschland, schätzen die Bienen auf dem Dach, nur das Personal sei in einigen Hotels anfangs skeptisch gewesen, erzählt Wolfgang Zell. Ob die Bienen denn nicht in die Zimmer fliegen oder die Kuchentafel stürmen könnten? Zell konnte sie beruhigen: „Die Bienen interessieren sich gar nicht für Menschen. Die wollen nur möglichst schnell aus ihrem Stock raus und schauen, wo es in der Stadt das beste Futter gibt.“ In diesem Punkt unterscheiden sie sich nicht wesentlich von den Touristen. www.salubria.de

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