Starker Kaffee
Für kaum ein anderes Produkt gibt es so viele Ideen und Initiativen rund um Nachhaltigkeit wie für Kaffee: Bohnen werden per Segelschiff befördert, aus Kaffeesatz Tassen und Lampen gebaut, Siegel garantieren fairen Handel.
Fairer Handel
Nachhaltige Erzeugung und fairer Handel sind für Konsumenten als Kriterien beim Einkauf wichtiger denn je. Für Marketingzwecke werden die Schlagwörter gern herangezogen, suggerieren sie doch einen bewussten Umgang mit Ressourcen. Aber was bedeuten sie wirklich? Was heißt das vor Ort bei den Erzeugern der Produkte?
Beim Kaffee hat die Debatte um Nachhaltigkeit die längste Historie, er ist das Paradebeispiel. So kostet ein Kilo Röstkaffee bei uns 11,50 Euro, die Rohware bringt dagegen nur 2,85 Euro ein. Klar, dass dabei sehr wenig beim Kaffeebauern ankommt. Es geht also nicht nur um die Schonung der Ressourcen, sondern auch um faire Preise: also darum, mehr Geld für Waren aus Entwicklungsländern zu bezahlen, als der Weltmarkt das verlangt – auf dem die Preise oft brutal niedrig sind.
Initiativen engagieren sich für fairen Handel, Fairtrade-Siegel garantieren, dass Bauern höhere Preise für die Bohnen, aber auch Extraprämien zum Beispiel für biologischen Anbau erhalten. Das ist eine Investition in die Zukunft: Wenn wir morgen noch Kaffee aus kleinen Lagen haben wollen, müssen wir heute dafür sorgen, dass die Bauern von ihrer Arbeit auch leben können.
Wenn wir mit diesen Initiativen dazu noch Schulen und Krankenhäuser vor Ort finanzieren, umso besser. Dabei hilft den Bauern auch der direkte Handel ohne Agenten und Zwischenhändler, der „Direct Trade“. Wer Spitzenkaffee kleiner Röster kauft, kann mittlerweile sicher sein, dass dies Standard ist: Kaffee aus kleinen Lagen bei der Berliner Kaffeerösterei, Florian Steiner in Heidelberg oder Röstbar in Münster ist fast immer direkt gehandelt, sodass deutlich mehr Geld beim Kaffeebauern bleibt. Genuss mit gutem Gewissen. Aber es gibt auch andere ausgefeilte Ideen rund um nachhaltige Kaffeeerzeugung. Die Schwestern Sara und Sali Nuru etwa unterstützen mit ihrem Nuru-Coffee-Projekt Frauen im armen Hochland Äthiopiens. Sie gewähren Mikrokredite, fördern Trainings, damit die Frauen dort selbstbestimmt und unabhängig leben können. „Frauen tragen noch immer die Hauptlast der Armut in Äthiopien“, sagen die Gründerinnen. Den Kaffee gibt es für € 9,90 (250 g) bei www.nurucoffee.com.
Ausgedehnter Nachhaltigkeits-Gedanke
Den Gedanken der Nachhaltigkeit haben die Gründer des preisgekrönten Karma Kollektivs um Leon Franken und Aron Murru in Berlin noch ausgedehnt: Sie verbinden den Direkthandel mit der Inklusion behinderter Menschen und der Kreislaufwirtschaft. Der bei Kleinbauern in Peru und Nicaragua eingekaufte Rohkaffee wird in den Berliner Werkstätten für Menschen mit Behinderung (BWB) weiterverarbeitet, gemahlen und in Pfandgläser gefüllt, die bis zu fünfzigmal wiederverwendet werden. Reste aus der Produktion werden außerdem im Gemeinschaftsgarten kompostiert, wo Teepflanzen (darunter Kamille und Hanf), Gemüse und Obstbäume gedeihen (185 g € 6,49, www.karmakollektiv.berlin).
Natürlich ist auch die Umweltverschmutzung durch Einweg-Kaffeebecher ein wichtiges Thema: 2,8 Milliarden Pappbecher landen allein in Deutschland jedes Jahr im Müll. Etliche Start-ups setzen dem neue Ideen entgegen. Simpel, aber effektvoll ist etwa udo, ein Deckel aus recyclingfähigem Kunststoff, der auf den Lieblingsbecher aus Porzellan gestülpt werden kann – er lässt sich eindrücken, passt auf Tassen von 72 bis 82 Millimeter Durchmesser und macht so die eigene Tasse zum To-goBecher. Carina Frings gewann mit ihrer Idee den European Design Award (€ 9,95, www.udo-duo.com). Auch hübsch ist die Idee von Sabine Denz, benutzte (und gereinigte) Kaffeetüten zu schicken Einkaufstaschen zu flechten (www.flecht-taschen.de, ab € 65).
Kapsel-Kaffee
Die praktischen Kapseln des Nespresso-Systems enthalten zwar sehr guten Kaffee, aber das Aluminium ist schädlich für die Umwelt. Es gibt längst gute alternative Kapseln, die perfekt in die Nespresso-Maschinen passen und kompostierbar sind. Die Rosenheimer Rösterei Dinzler etwa füllt ihren Spitzenkaffee als Bioware in kompostierbare Kapseln (53 g ab € 8, www.dinzler.de).
Das Start-up Rezemo nutzt für die Kapseln Abfälle aus der Holzindustrie: also Sägemehl und -späne (73 g € 6,37, www.rezemo.de).
Den konsequentesten Weg beim Recycling des wertvollen Kaffeesatzes ging Produktdesigner Julian Lechner von Kaffeeform: Er fertigt Kaffeetassen und To-go-Becher aus Kaffeesatz, verarbeitet mit pflanzlichen Rohstoffen und verhärtet mit Bio-Polymeren. Dafür bringen Fahrradkuriere in Berlin den Kaffeesatz der Cafés in eine Sozialwerkstatt, wo er getrocknet wird. Kleine Manufakturen verarbeiten ihn dann weiter. Die dunkelbraunen Tassen duften leicht nach Kaffee, sind bruchfest und können in die Spülmaschine (Tasse und Untertasse ab € 14,90, www.kaffeeform.com). Auch renommierte Designer verwenden Kaffeesatz für ihre Objekte, ein eleganter Hingucker ist etwa die handgefertigte Stehlampe „That’s Caffeine Raise“ des mit Preisen ausgezeichneten Briten Atticus Durnell (€ 930, www.atticusdurnell.com).
Nur am Transportweg des Kaffees von der Plantage nach Europa gab es bislang erstaunlich wenig Kritik. Für Café-Chavalo-Gründer Jens Klein Grund genug, sich des Themas anzunehmen. Die Idee, eine Firma zu gründen, kam ihm beim Urlaub in Nicaragua. Neben dem Kaffee begeisterten ihn auch Land und Leute. Für Klein bedeutet fairer Handel, in Zeiten des Klimawandels die Bohnensäcke nicht containerweise nach Europa zu verschiffen. Unterbezahlte Seeleute und schwefelhaltige Emissionen der Schiffe sind ihm ein Ärgernis: Wäre die weltweite Handelsflotte ein Land, wäre sie der sechstgrößte Umweltsünder. Klein setzt auf den Transport per Segelschiff. Sein Segel-Espresso der Marke Café Chavalo wird wie vor über hundert Jahren mit einem Frachtsegler unter deutscher Flagge befördert.
Timbercoast
Die Initiative Timbercoast, eine Reihe von Idealisten aus Elsfleth bei Bremen, bringt Produzenten, Händler und Konsumenten zusammen, die ökologisch denken und handeln. Mit vielen Freiwilligen und jeder Menge Herzblut haben sie vor Jahren einen alten Frachtensegler flott gemacht – die „Aventuur“. Mit ihm werden biologische Waren aus Übersee auf klimafreundlichem Wege nahezu emissionsfrei über den Atlantik transportiert. Die Ladekapazität von 112 Tonnen ist vergleichsweise klein, gemessen an den 200 000 Tonnen Zuladung, die moderne Containerschiffe fassen können.
Doch mittlerweile dürfte sich herumgesprochen haben: „Big“ ist nicht immer „better“ – insbesondere, was Umwelt und Arbeitsbedingungen betrifft. Beim ökologisch und ökonomisch korrekten Segel-Espresso verstärkt das gute Gewissen den Genuss des Kaffees, der handverlesen in kleinen Waldgärten in Mischkulturen geerntet wird: Er ist mild, mit Noten von Nuss und Schokolade. (250 g € 8,99, www.cafe-chavalo.de/26-segelkaffee).
