Dänisches Design: Weniger ist Mehr

Dänisches Design: Weniger ist Mehr

Typisch für dänisches Design sind eine lange handwerkliche Tradition, natürliche Materialien und originelle Schlichtheit. Heute entstehen neue Designikonen – und die werden immer öfter von Frauen gestaltet. Wir stellen Ihnen sechs Designerinnen vor, die mit ihren kunstvollen Objekten aus Glas, Porzellan, Keramik und Holz den zeitgenössischen Skandi-Look prägen. Ihr Markenzeichen ist es, überflüssiges wegzulassen
Datum21.06.2022

Kristina Dam

Kristina Dam
Als Grafikdesignerin begann Kristina Dam mit Illustrationen und Kunstdrucken, aber die Konkurrenz war ihr am Ende zu groß. Sie plante stattdessen erschwingliche „Kunst“ für jedermann: „Ich kam auf die Idee, Skulpturen für das Wohnen zu entwerfen. So war der Ausgangspunkt für mein erstes Möbelstück eigentlich ein Rahmen – er wurde schließlich zum ‚Cube Table‘.“ 2012 gründete Kristina Dam ihr Studio in Hvidovre, einem Vorort südwestlich von Kopenhagen. Dort arbeitet sie an ihren Möbeln und Wohnaccessoires, deren Stil sie als skulpturalen Minimalismus bezeichnet. Die Objekte beeindrucken oftmals durch ihre grafischen Silhouetten, aber sie haben auch viel mit den reduzierten Linien japanischen Designs gemein.

Dänischer Minimalismus

Das Geschirr „Setomono“, zu dem Teller, Becher, Schalen und Aufbewahrungsbehälter mit Deckel gehören, ist beispielsweise eine Übertragung von traditioneller japanischer Töpferkunst in doppelt gebranntes, gesprenkeltes Steinzeug. Der zweifache Brennprozess sorgt für die ungewöhnlich glatte und dabei weich anzufassende Oberfläche. Der Reiz liegt tatsächlich nicht nur in der Schönheit oder Funktionalität der Gegenstände, er hat ganz viel mit den Materialien an sich und der ausgezeichneten Handwerkskunst zu tun.

Lotte Westphael

Lotte Westphael
Lotte Westphael hat über Jahre hinweg eine Technik entwickelt, bei der schmale Streifen aus farbigem Porzellan zum Einsatz kommen. Sie werden miteinander verschlungenen, geradezu verwoben, und aus vertikalen und horizontalen Linien Stück für Stück aufgebaut. Die Keramikkünstlerin arbeitet zweidimensional, bis die dünnen Porzellanplatten schließlich zu zylindrischen Gefäßen zusammengefügt und gebrannt werden. Dabei entstehen die Kunstobjekte „Syncope“, die einerseits sehr zart wirken, die aber gleichzeitig einen starken, geometrischen Ausdruck haben. 
Lotte Westphael fertigt in einer von ihr entwickelten Technik hauchfeine zylindrische Gefäße aus feinen Streifen farbigen Porzellans in vertikalen und horizontalen Linien

„Ich lasse mich von Textilien, etwa von Bauhaus-Webereien, inspirieren“, so Lotte Westphael. „Ich bemühe mich, eine Sensibilität in den geometrischen Linien zu erreichen, die der zylindrischen Form in Kombination mit der transparenten Qualität des dünnen Porzellans Leben einhaucht.“ Ihre Technik ist sehr zeitaufwendig. Bis zu einem Monat kann es dauern, ein Gefäß herzustellen, und einen weiteren Monat, es zu trocknen. Selbst danach kann es beim Brennen durch Risse kaputtgehen. „Ich war schon kurz davor, die Herstellung dieser wirklich schwierigen Zylinder aufzugeben. Aber wenn man beim Öffnen des Ofens den Erfolg sieht, ist es die Mühe wert.“

Louise Campbell

Louise Campbell
„Alles ist möglich, solange nicht das Gegenteil bewiesen wurde“ – mit diesem Motto geht Louise Campbell an ihre Projekte. Die Tochter eines Dänen und einer Engländerin absolvierte ihre Ausbildung in beiden Ländern und sieht ihren interkulturellen Hintergrund als wichtigen Teil ihrer Kreativität. Die 52-Jährige gilt als ausgesprochen experimentierfreudig: Leuchten aus Glasfasern und Gummi, Sessel aus Filz und Gelatine oder Angorawolle, die um einen Metallrahmen gewunden wird, ebneten ihr einst den Weg in die internationale Designszene. 
Die Tassen „Elements Blau“ (Royal Copenhagen) sind u.a. von dem Dekor Musselmalet von 1775 inspiriert.

Neben ihren innovativen Leuchten und Möbeln widmet sich Louise Campbell vor allem dem Material Porzellan, wobei sie der traditionsreichen Marke Royal Copenhagen frischen Schwung verliehen hat. Die Serie „Elements“ gibt es nicht nur in Weiß, sondern in fünfzehn Farben von kräftigem Orange über Türkis und Kirschrot bis hin zu staubigem Dunkelgrün. Originell ist die Melange: Die Tassen, Teller, Servierplatten und Schüsseln variieren Fragmente des Musselmalet-Dekors von 1775, der Flora-Danica-Serie von 1790 sowie von Halbspitze aus dem Jahr 1885. Ihre Studio-Regeln formuliert Louise Campbell so: „Immer ganz von vorn anfangen. Und es muss einen guten Grund geben für jede Entscheidung, die getroffen wird.“

Ditte Reckweg und Jelena Schou Nordentoft

Die Gründerinnen von "Stilleben", Ditte Reckweg und Jelena Schou-Nordentoft
Schon im Studium an der Danish Design School lernten sich Ditte Reckweg und Jelena Schou Nordentoft kennen. Aus ihrer Begeisterung für gutes Handwerk und einzigartige Produkte machten sie ein gemeinsames Projekt: 2002 gründeten sie in Kopenhagen das Geschäft Stilleben, und unter dem gleichen Namen entwerfen sie Keramik und Porzellan.

Die Vase „Omaggio“ designten sie anlässlich des Relaunches der Marke Kähler. Dabei setzten sie auf ein Streifendekor, das grafisch-modern die Tradition der alten Marke unterstreichen sollte. Für das Rautenmuster des „Rhombe“-Geschirrs griffen Ditte Reckweg und Jelena Schou Nordentoft auf das umfangreiche Designarchiv von Lyngby Porcelæn zurück. 1961 war es auf der „Danild“-Serie zu sehen, allerdings als Dekoration auf dem Porzellan. In der aktuellen Version werden die zarten Rauten als Relief auf dem Porzellan verwendet. Die Texturen werden wie eine Artischocke in einem äußerst komplexen Verfahren Schicht für Schicht aufgebaut, was heute nur noch wenige Porzellanhersteller beherrschen. Die beiden Designerinnen erklären ihren Erfolg so: „Wir Dänen haben die Fähigkeit, Bedürfnisse zu erkennen und sie ästhetisch umzusetzen. Spätestens seit den 60er-Jahren ist alles funktional, das ist das, was das dänische Design auszeichnet.“

Cecilie Manz

Cecile Manz
„Alles, was ich entwerfe, probiere ich zu Hause aus“, sagt Cecilie Manz. „Wenn sich ein Objekt nicht bewährt, kommt es nicht auf den Markt.“ Diese Konsequenz passt zu der 50-Jährigen, für die seit je feststand, dass sie Designerin wird – außer in einer Phase als Zwölfjährige, da wollte sie Bäckerin werden. Aber die Idee hat sie nicht verfolgt, kein Wunder: Zwischen ihrem Elternhaus im dänischen Odsherred und der Töpferwerkstatt der Familie lagen weniger als hundert Meter. Nach der Schule ging Cecilie nicht in den Hort, sondern in die Werkstatt, wo sie Tonklumpen bearbeitete. „Da habe ich viel über die Aufmerksamkeit für Details gelernt“, sagt sie. „Und mein Taschengeld habe ich mir damit verdient, die Kanten an den von meinem Vater geformten Tassen zu begradigen.“ 
Die Spectra-Vasen von Cecile Manz

Gerade bei der Arbeit mit Ton hat man Zeit, den Dingen auf den Grund zu gehen, zu betrachten, zu reflektieren. Dieser fast meditative Designansatz hat bei Cecilie Manz zu einer Beschäftigung mit japanischer Ästhetik geführt, die der minimalistischen Schlichtheit der Dänischen nicht unähnlich ist. Und so sind ihre Geschirrserien, Bestecke, Vasen, Möbel und Leuchten schön anzuschauen und angenehm anzufassen. Eine Symbiose, die leicht klingt, aber vor allem auf einem wunderbaren Fingerspitzengefühl beruht.

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