Nahe an der Perfektion: Dönnhoff!
Rieslinge aus dem Hause Dönnhoff haben es ab den späten 1990ern zu Weltruhm gebracht. Cornelius Dönnhoff, 41, übernahm 2007 gut ausgebildet die Regie im Keller, sein Vater Helmut überschrieb ihm 2015 alles. Ein Generationenwechsel ganz ohne Getöse. Und die Erfolgsgeschichte geht weiter.
HHELMUT DÖNNHOFF, JAHRGANG 1949, HAT JETZT ZEIT FÜR ERINNERUNGEN
Und für Neues im Leben Was habe ich als junger Mensch meine Schwester darum beneidet, dass sie mit ihrer Zeit anfangen konnte, was sie wollte. Ich aber war vorgesehen für die Nachfolge im Weingut, ob ich wollte oder nicht, das war damals so. Nach der Schule gab es am Nachmittag immer gleich Arbeit für mich. So viel Arbeit, auch an den Wochenenden, für den Rest meines Lebens? Es gab aber kein Entrinnen, so hat sich das angefühlt.
Etwas Besseres hätte mir gar nicht passieren können
Also habe ich mich halt in die Kellerwirtschaft eingearbeitet. Mein Vater war froh darüber, er war ja im Herzen eher Weinbauer. Der Spaß kam erst mit der Zeit, sobald meine Aufgaben im Weingut interessanter wurden. Da legte sich ein Schalter um, und ich dachte: Sooo schlecht ist das ja gar nicht. Heute weiß ich: Etwas Besseres hätte mir gar nicht passieren können – zumal der erste Jahrgang, den ich zu vinifizieren hatte, der legendäre 1971er war! Nie wieder in den 50 Jahren meiner Arbeit als Winzer habe ich so schöne Trauben gesehen, das war so herrlich – wie eine erste große Liebe. 1971 war ein großer Glücksfall, viel falsch machen konnte ich ja nicht. Der Trugschluss aber war, dass ich dachte, so würde es nun immer weitergehen (lacht und lacht). Denkste! Gleich 1972 haben wir nur saures Zeug geerntet. Ich bin als Winzer mit 20 beschissenen Jahrgängen großgeworden, mit unreifen Trauben. Wir haben im Keller gestanden und Zucker gerührt und Kalk, um wenigsten ein bisschen mehr Alkohol und weniger Säure im Wein zu haben. Das haben alle so gemacht, aber keiner hat darüber geredet.
Ich musste hart lernen, abzugeben
Als die Jahre wärmer wurden, ging es endlich bergauf. Heute haben es die Nachfolger leichter, selbst in heißen Sommern – wir sind hier an der Nahe doch ein sehr nördliches Gebiet, da ist noch Luft nach oben, bis uns große Hitze ernsthaft schadet.
Das Tagesgeschäft habe ich ja nun schon eine ganze Weile aus dem Rücken. Ich schlafe jetzt morgens ein bisschen länger und habe mir eine weitere Tageszeitung bestellt, damit ich noch etwas zu lesen habe, wenn ich die neue FAZ schon fast auswendig kenne. Aber ich musste hart lernen, abzugeben, mich rauszuhalten, keine ungefragten Ratschläge zu geben und wegzubleiben von den Arbeitsbesprechungen am Morgen mit dem Team und nicht meinen Senf dazuzugeben. Nicht schweigend dabeizustehen. Furchtbar! Da habe ich aus falsch verstandener Hilfsbereitschaft anfangs vieles verkehrt gemacht. Da gibt’s auch noch mal Rückfälle, wenn man direkt am Weingut wohnt und alles sieht.
Tolle Auslese durch Edelfäule
Cornelius und ich ähneln einander sehr – wobei ich vielleicht ein bisschen diplomatischer bin –, wohl darum geraten wir häufig aneinander, wir streiten vor allem über Kleinigkeiten, aber das mit Leidenschaft: Sind die Trauben schon gut? Heute schon ernten?
Wir sind beide detailverliebt, Cornelius sicher noch mehr als ich. Das liegt auch daran, dass er ganz anders ausgebildet ist. Im Keller, bei der Beurteilung des Klimas, im Weinbau und im Management in den Weinbergen – da ist mir Cornelius eindeutig überlegen. Und er flippt aus, wenn er Botrytis, die Edelfäule, an den Trauben entdeckt. Wenn ich dann sage: „Wieso? Daraus kannst du doch eine tolle Auslese machen!“, schimpft er zurück und ruft: „Ah ja? Und wem bitte soll ich die denn verkaufen???“
Unsere Rieslinge stehen für Reinheit, Klarheit, Puristik
Unsere Rieslinge stehen für Reinheit, Klarheit, Puristik, da sind Cornelius und ich uns einig, aber er ist noch um einiges rigoroser, gerade bei den trockenen Weinen, die ihm so wichtig sind. Ich selber bin mit den Jahren vielleicht auch etwas weniger streng geworden und kann auch einen Wein gut leiden, der mit etwas Charme auftritt. Mal Fünfe gerade sein lassen, das gibt’s heute nicht mehr. Aber: Auf jeden Fall sollte der Wein zu erkennen geben, woher er kommt. Ob unser Topwein, die Niederhäuser Hermannshöhle, nun allerdings nach Pfirsich oder Minze duftet, kann ich nicht sagen, mit solchen Beschreibungen kann ich wenig anfangen – und finde sie zum Teil abenteurlich. Mich gewinnt dieser Riesling mit seinem unverwechselbaren Ausdruck für sich, mit seiner Zurückhaltung, der ist klar strukturiert, schnörkellos, fast ein bisschen Bauhaus-Stil. Ich werde jetzt manchmal gebeten, am Computer eine Weinverkostung zu machen, etwa mit einem Händler in London. Sehr merkwürdig, diese distanzierte Situation, jeder allein vor seinem Glas … ich gewöhne mich nur sehr schwer daran.
Etwas, das ich mit meinen Kindern nie gemacht hätte
Meine Frau Gaby und ich, wir haben uns E-Bikes angeschafft und sind mit Monika und Paul Fürst vom Weingut Fürst in Mainfranken verabredet. Die sind ja auch Großeltern und aus dem Betrieb raus.
Als ich das erste Mal meine Enkelin Lisa im Kinderwagen die Bahnhofstraße rauf und runter gefahren habe, haben alle geguckt! Etwas, das ich mit meinen Kindern nie gemacht hätte. Zu unmännlich. Aber ehrlich: Jetzt macht mir das sogar richtig Spaß
DREI TAGE NACH DER FLUTKATASTROPHE AN DER AHR IM JULI 2021
Helmut Dönnhoff: „Ich komme morgens auf den Hof und denke, ich sehe nicht recht. Cornelius und die ganze Mannschaft lassen alles stehen und liegen, laden den Unimog auf und fahren an die Ahr, zu Meike und Dörte Näkel zum Helfen. Zurückgekommen sind sie mit einem ganzen Lastwagen voller heiler, aber völlig verschlammter Weinflaschen. So viel Dreck habe ich lange nicht gesehen. Zum Glück halten die selbstklebenden Etiketten gut, man konnte also sehen, was in den Flaschen war. Die haben sich bei uns im Keller bis unter die Decke gestapelt. Nach und nach hat das Team sie alle einzeln gereinigt und so verpackt, dass sie wieder verkehrsfähig waren. Sie haben den Kolleginnen auch Fahrzeuge geliehen und immer wieder Unterstützung aus dem Team hingeschickt. Das ist Zusammenhalt!“
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