Sigi Schelling im Porträt | DER FEINSCHMECKER

Sigi Schelling: Die Frau, die alles im Griff hat im Porträt

Sigi Schelling stand 14 Jahre lang an der Seite von Hans Haas im Münchner „Tantris“ am Herd – bis der Ende 2020 aufhörte. So gerüstet, machte sich „die Sigi“ vor gut einem Jahr selbstständig. Im Schwabinger „Werneckhof“ ist sie nun: die Chefin. Eine, die mit Hingabe kocht und auf zeitgemäße Führung setzt.
Datum01.09.2022

Steckbrief

Name: Sigrid „Sigi“ Schelling
Alter: geboren 1976 in Hittisau
Stationen: Als Kind die Küche ihrer Mutter, die sie machen ließ. Nach der Lehre als einzige Frau in der Küche acht Jahre auf verschiedenen Posten bei Thomas Scheucher im „Guth“ in Lauterach“, Vorarlberg. Praktika bei Hans Haas im „Tantris“, bei Lisl Wagner-Bacher in Mautern an der Donau, Niederösterreich, und bei Dieter Koschina in der „Vila Joya“ in Albufeira, Portugal. 2006 die ersehnte Anstellung bei Hans Haas.
Hobby: Rennrad fahren
Das Restaurant: 2021 wurde der traditionsreiche Werneckhof modernisiert und aufgefrischt. Es gibt Platz für 40 Gäste. Auf Monate im Voraus ausgebucht: der Samstagmittag.
Das Team: 13 Mitarbeiter, neben der Chefin gibt es fünf weitere Köche. Alle haben mal im „Tantris“ gearbeitet – die besondere DNA dieser Belegschaft. Zum Köcheteam gehört auch Haas jr., Vorname Florian.
Der Schwerpunkt beim Wein: „Deutscher Weißwein! Hammer! Der passt besonders gut zu unserer Küche“, sagt Sigi Schelling. Ihre Karte, anfangs kuratiert von Sommelière Paula Bosch, führt rund 250 Positionen.

Werneckhof Sigi Schelling
OT Schwabing-Freimann
Werneckstr. 11
80802 München
Tel. 089- 38 37 74 64
www.werneckhof-schelling.de
Mi-Sa mittags und abends geöffnet, Menü € 170

Wer so einen kernigen Händedruck hat, kann auch ein Lamm oder ein Reh zerlegen: Sigi Schelling beherrscht aufgrund ihrer „Tantris“-Zeit solche Techniken, die heute in der Kochlehre kaum noch erlernt werden. „Ich wollte alles können, was der Chef konnte“, hat sie mal gesagt. Das Zerlegen ganzer Tiere an Sonn- und Montagen, wenn zugesperrt war, gehörte dazu. Über Hans Haas sagt Sigi Schelling: „Der Chef ist der Wahnsinn! Und ich habe bei ihm eine Wahnsinnsausbildung bekommen.“ Ihren ehemaligen Boss jetzt vielleicht mal duzen? „Das geht gar nicht! Ich bleibe beim Sie – aus Respekt.“ Nur einen Spaziergang entfernt von ihrer alten Wirkungsstätte begann im Werneckhof vor 14 Monaten eine anstrengende, aufregende und freudige Zeit, die ihr im März den ersten Michelin-Stern bescherte.

Was hängt im Restaurant von Sigi Schelling an der Wand?

Es ist das Metallinnenleben einer alten Federkernmatratze, das hat Sigi Schelling einst mit Hans Haas aus einem Müllcontainer geborgen. Nicht ahnend, dass daraus mal ihr Einweihungsgeschenk im „Werneckhof“ werden würde: Haas, der über das Kochen hinaus eine künstlerische Ader hat, machte mit 23 farbenfroh lackierten Steinbuttkarkassen aus dem Schrott ein imposantes Objekt namens „Wellenreiter“.

Was freut die Sigi Schelling – und was weniger?

Als großes Kompliment empfindet es Sigi Schelling, wenn langjährige Stammgäste aus dem „Tantris“ – sie kommen in Scharen – jubeln: „Das ist ja hier wie nach Hause kommen!“ Ihr Lokal soll kein Tempel sein, sondern ein freundliches Gasthaus mit sehr guter Küche, gern auch mit hörbar guter Stimmung an den Tischen. Nicht so toll findet Schelling Kommentare wie „na, hier haaselt es ja heute wieder richtig!“. Schelling war die vergangenen Jahre de facto Haas’ Küchenchefin, hat den „Tantris“-Stil prägend mitgestaltet – soll sie sich jetzt von einer Küche distanzieren, die auch ihre ist? Nein.

Was war zu Beginn das Schwierigste für Sigi Schelling?

„Die Mitarbeiterführung! Hier, in meinem kleinen Betrieb, geht mich plötzlich alles etwas an, vom Reinigungspersonal bis zu den Arbeitszeiten. Das Kochen ist ja nur ein Teil von dem ganzen Zirkus jeden Tag. Zum Glück wusste ich schon, wie der Hase läuft: Dienstpläne machen, mit den Lieferanten verhandeln, Lieferscheine kontrollieren. Am Anfang ist es ganz wichtig, dass man sich um alles, wirklich alles kümmert, die Zusammenhänge im Griff hat wie auch die Kosten. Man arbeitet eigentlich erst mal für drei.“ Geöffnet ist nur an vier Tagen – „man muss modern denken, sonst bleiben die Leute nicht!“ –, dafür mittags und abends. Und statt der einst üblichen drei Wochen Jahresurlaub gibt es für ihr Team jetzt vier.

Was sind Sigi Schellings Stärken?

Sie kann hart arbeiten. Auf dem elterlichen Hof im Bregenzerwald mit vier Geschwistern aufgewachsen, hat das Kind Sigi früh gelernt, für zugeteilte Aufgaben die Verantwortung zu übernehmen. „Meine Stärken? Das Durchziehen, die Leute auf Trab bringen, motivieren. Ich bin geradlinig und sehr direkt, trage Dinge, die mich stören, nicht die ganze Woche mit mir herum, sondern spreche sie gleich an.“ Wir möchten noch eine entscheidende Stärke ergänzen: die für Gäste spürbare Hingabe, die von Teller zu Teller ein emotionales Erlebnis ist. „Ich liebe, was ich tue“, sagt sie – und zeigt das bei jedem ihrer Gerichte.

Was kocht Sigi Schelling am liebsten?

„Alles, was gut schmeckt! Ich koche sehr natürlich, ohne Pülverchen und Zaubermittel. Harmonie ist wichtig, man muss nicht um jeden Preis originell und cool sein. Wichtiger ist mir, dass die Küche die Saison respektiert. Wozu Kürbis und Aubergine zusammenzwingen oder Muskat und Knoblauch? Auch Lavendel brauche ich nicht im Essen, der gehört in den Wäscheschrank. Ich möchte auch nicht zwölf Komponenten auf dem Teller. Das Menü soll vom ersten bis zum letzten Gang leicht sein und Freude machen.“ Eine große Freude sind im „Werneckhof“ die Saucenkännchen, die jedem zu den Gängen auf den Tisch gestellt werden und zum genüsslichen Nachgießen verführen. „Und es kommt nie ein Tropfen zurück in die Küche, alles wird blitzblank mit dem Brot aufgewischt“, sagt Schelling mit sichtlicher Freude. Tomatenessenz für die Saucen ist eine wichtige Zutat in ihrer Küche, „weil die zum Beispiel leichter ist als ein Fischfond. Und sie schmeckt so gut.“

Was erwartet den Gast im Werneckhof?

Mit Xavier Didier tritt ein bekanntes „Tantris“-Gesicht an den Tisch: der charmante französische Sommelier, der keine Vorträge darüber hält, wie der Wein wahrgenommen werden soll, sondern dem Gast ein unbefangenes Urteil überlässt. Sigi Schellings Gerichte sind mit großer Sorgfalt zubereitet. Das Amuse-Gueule, ein dezent mit Yuzu marinierter Happen von der Bernsteinmakrele, begleitet von Pinienkernen, Rosinen und Sesamcreme, ist eine dezent exotische Komposition – raffiniert und appetitanregend. Große Harmonie herrscht beim lauwarmen saftigen Saibling auf Blumenkohlcreme, dem zart geräucherter Süßwasseraal und Imperial-Kaviar zur Seite stehen. Phänomenal gut, würzig und dabei doch leicht und elegant: die Bissen von Langoustinen mit Artischockencreme, Artischockenchips und fein säuerlicher Yuzucreme.

Was hat Sigi Schelling zu Hause immer im Kühlschrank?

„Ach herrje, hm. Um sieben in der Früh bin ich im Laden. Und nach Hause komme ich meist erst gegen zwei in der Nacht. Was hat man da im Kühlschrank? Also: Honig. Und Butter. Und eine gute Flasche Wein. Und viel Licht, weil so wenig drinsteht.“

Tipps von Sigi Schelling

„Wenn ich Lust auf einfache Gerichte habe, die perfekt gekocht sind und immer wahnsinnig gut schmecken, dann fahre ich zu mir nach Hause in den Bregenzerwald. Dort gehe ich am liebsten in diese beiden Traditionsbetriebe:“

Hotel Gasthof Krone

Am Platz 185
AT-6952 Hittisau
Tel. 0043- 5513-62 01
Mo, Di, Fr abends, Sa mittags und abends, So mittags geöffnet
Hauptgerichte € 21-36

Restaurant Guth

Wälderstr. 10
AT-6923 Lauterach
Tel. 0043- 5574-72 470
Mo-Fr mittags und abends geöffnet
Hauptgerichte € 29-45
 
„Diese Genossenschaft steht für höchste Qualität. Ich kaufe hier Butter.“

Käserebellen

Dorf 8
AT-6934 Sulzberg
Tel. 0043-5516-213 51
Mo-Sa 9-12, 13-18 Uhr

Sigi Schelling im FEINSCHMECKER-Podcast

Zu Gast bei Sigi Schelling

Sigi Schelling Werneckhof
I N R Q

Konzept: Ein Gasthaus im Wortsinn, so sieht es die Chefin, ein Ort zum Wohlfühlen, dazu beste Küche auf französischer Basis mit österreichischem Einschlag. Je ein Mittags- und Abendmenü.
Küche: Sigi Schelling hat in der Selbstständigkeit ihren Stil gefunden, geprägt von der Liebe zum guten Produkt und klassischen Handwerk, immer großzügig und dabei völlig allürenfrei, „ohne Schnickschnack“, wie sie es nennt. Saibling aus dem Lechtal serviert sie lauwarm, im üppigen Aromenreigen von Perlgraupen, Röstzwiebelcreme, Räucheraal, Rote-Bete-Mousse und Kaviar. Babyseezunge wird am Tisch vor den Augen der Gäste filetiert, dazu gibt sie Blumenkohl, Sepia-Gnocchi und Shiitakecreme, intensive Thai-Curry-Sauce setzt mit Ingwerschärfe und Kokos auch mal fernöstliche Akzente. Die im Ganzen gegarte Milchkalbskeule aus dem Bregenzerwald wird ebenfalls am Tisch tranchiert, Artischocke, Kalbsbries und Périgord-Trüffel geben genussvolles Geleit. Schön, dass die ausgezeichneten Saucen immer am Tisch bleiben!
Wein: Xavier Didier versteht sich auf kongeniale Begleitung der Küche, seine Karte (rund 250 Positionen) setzt Schwerpunkte in Deutschland, Österreich und Frankreich.
Atmosphäre: Hinter Altschwabinger Fassade warten Holztäfelung, weiß gedeckte Tische, Original-Jugenstil-Fenster und ein zugewandter Service.
Fazit: Stilvoll-herzliche Gastlichkeit mit der Küche im Mittelpunkt.

Werneckstrasse 11, 80802 München
+49 (0) 89 244189190
www.werneckhof-schelling.de
Mi-Sa 12-16 und 18.30-0 Uhr
Menüs € 135 - 240

Die FEINSCHMECKER-Bewertungskriterien

In jeder Hinsicht perfekt
Küche und Service herausragend, Ambiente und Komfort außergewöhnlich
Exzellente Küche, sehr guter Service, Komfort und Ambiente bemerkenswert
Sehr gute Küche, guter Service, angenehmes Ambiente, komfortabel
Gute Küche, ansprechendes Ambiente
Solide Küche, sympathisches Lokal
Bewertung ausgesetzt
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